144,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 6-10 Tagen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Mit den in diesem Band vereinten Texten wird der komplexe politische Denker Burke vorgestellt, der sowohl oppositionelle und liberale als auch konservative Züge trägt. Dadurch gelingt es, das verbreitete einseitige Bild von Burke als fortschrittsfeindlichem Kritiker der Französischen Revolution zu korrigieren. Außerdem wird die Relevanz vieler seiner Positionen für dieaktuellen Debatten zum Verhältnis von politischen Eliten und Wahlvolk, zur globalen Gerechtigkeit und zur Zukunft des Konservatismus herausgestellt. Damit richtet sich der Band nicht nur an Wissenschaftler und Studenten, sondern…mehr

Produktbeschreibung
Mit den in diesem Band vereinten Texten wird der komplexe politische Denker Burke vorgestellt, der sowohl oppositionelle und liberale als auch konservative Züge trägt. Dadurch gelingt es, das verbreitete einseitige Bild von Burke als fortschrittsfeindlichem Kritiker der Französischen Revolution zu korrigieren. Außerdem wird die Relevanz vieler seiner Positionen für dieaktuellen Debatten zum Verhältnis von politischen Eliten und Wahlvolk, zur globalen Gerechtigkeit und zur Zukunft des Konservatismus herausgestellt. Damit richtet sich der Band nicht nur an Wissenschaftler und Studenten, sondern auch an ein politisch interessiertes Publikum.
Edmund Burke ist vor allem als fortschrittsfeindlicher Kritiker der Französischen Revolution und als Vordenker des modernen Konservatismus bekannt. Der vorliegende Band versammelt politische Schriften Burkes, die ein komplexeres und widersprüchlicheres Bild ergeben. Sie zeigen ihn als vernunftkritischen Aufklärer, als Verfechter und zugleich als Kritiker des Britischen Empire, als politischen Reformer, der dennoch die traditionelle Ordnung verteidigt, und als liberalen Ökonomen, der die überkommenen Macht- und Eigentumsverhältnisse bewahren will.
Autorenporträt
Olaf Asbach, Universität Hamburg; Dirk Jörke, Technische Universität Darmstadt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2019

Prüfstein des Denkens
Kleine politische Schriften von Edmund Burke

Es war das gesellschaftliche Ereignis des Jahres, als 1788 in London das Amtsenthebungsverfahren gegen den britischen Generalgouverneur Ostindiens, Warren Hastings, eröffnet wurde. In der eigens hergerichteten Westminster Hall versammelten sich König und Adel, beide Kammern des Parlaments und darüber hinaus alles, was Rang und Namen hatte. Ein Ausschuss unter Leitung des Abgeordneten Edmund Burke hatte in jahrelanger, mit Eifer betriebener Recherche einen Katalog an Vergehen zusammengetragen: Korruption, Machtmissbrauch und ungerechtfertigte Kriege gegen die einheimische Bevölkerung standen im Zentrum der Anklage.

Vier Tage nahm sich Burke zu Verhandlungsauftakt Zeit, sie Punkt für Punkt vorzutragen. Während Hastings in seiner Verteidigungsstrategie darauf setzte, dass der Einsatz von Gewalt erforderlich sei, um die indische Bevölkerung im Zaum zu halten, drehte Burke den Spieß um. Er argumentierte mit ausführlichen kulturhistorischen Detailkenntnissen, dass es in Indien vor der Ankunft der Briten Institutionen gegeben habe, die älter und beständiger gewesen seien als die europäischen. Hastings warf er eine "geographische Moral" vor und bestand darauf, dass die Gesetze der Moral überall die gleichen seien.

Derselbe Edmund Burke landete zwei Jahre darauf mit seinen "Betrachtungen über die Revolution in Frankreich" einen europäischen Bestseller. Darin wetterte er gegen ein politisches System, das sich auf Volkssouveränität und Menschenrechte berief, und sagte dessen Abgleiten in den Terror voraus. In Deutschland wurde das Werk 1793 in der Übersetzung des späteren Metternich-Beraters Friedrich Gentz prominent, und dass die "Betrachtungen" derzeit lediglich in einem Nachdruck der Erstübersetzung auf Deutsch erhältlich sind, zeigt deutlich genug, wie sehr Burke hierzulande nach wie vor in erster Linie als Gründungsfigur des Konservatismus wahrgenommen wird.

Diese Blickverengung wirkt umso drastischer, wenn man sie mit der florierenden angelsächsischen Forschung vergleicht. Dort bezeichnet seit Jahrzehnten die Kurzformel vom "Burke-Problem" die Frage, wie die divergierenden Aspekte eines Denkens, das im Laufe der Zeit gleichermaßen als liberal wie als konservativ apostrophiert wurde, auf einen Nenner zu bringen sind. Wenn Burke nicht sogar, wie zuletzt in einer umfangreichen Studie des Ideenhistorikers Richard Bourke, als Vertreter aufgeklärter Ideale gezeichnet wird.

Die Ausgabe der "Kleinen politischen Schriften", die in einer überzeugenden Auswahl erstmals Texte aus allen Schaffensphasen von 1756 bis 1795 in deutscher Übersetzung zugänglich macht, ist deshalb überfällig und sehr zu begrüßen. Sie erlaubt einen Einblick in das gesamte Spektrum eines Werks, das sich mit der Frage der politischen Repräsentation ebenso befasst wie mit der Konstitution eines weltumspannenden Empire, das sich für religiöse Toleranz in Irland einsetzt oder anlässlich einer wirtschaftlichen Krise eine frühe marktliberale Position entwickelt. In der Regel handelt es sich dabei um Reden oder Denkschriften, die auf aktuelle Anlässe ausgerichtet waren und ohne Kenntnis der historischen Kontexte nur unzureichend zu verstehen sind.

Die Herausgeber Olaf Asbach und Dirk Jörke erläutern in instruktiven Einleitungen nicht nur diese Zusammenhänge, sondern informieren mit deutlichem Akzent auf der Werkkohärenz auch über Rezeptionsgeschichte und Forschungsstand. Damit lässt sich exemplarisch beobachten, wie Burke seine politisch-philosophischen Einsichten im Wechselspiel mit den historischen Ereignissen schärft und den Situationen anpasst. Die Haltung, dass die jeweiligen praktischen Umstände der "wahre Prüfstein" des Denkens seien, entspricht seinem Selbstverständnis als Politiker, auch wenn die Polemik gegenüber den bloßen Thesenschmieden gelegentlich einem rhetorischen Überschuss entspringt.

Burke hatte über Jahre versucht, sich als Autor zu etablieren. Abgedruckt findet sich seine erste veröffentlichte Abhandlung "Rechtfertigung der natürlichen Gesellschaft", in der er 1756 die Grundzüge eines sozialphilosophischen Denkens entwirft, nach dem soziale und politische Ordnungen das naturwüchsige Resultat vieler für sich gesehen rationaler Einzelhandlungen sind. Diese Einsicht sollte sich fast ein halbes Jahrhundert hindurch an den großen Ereignissen einer krisenhaften Zeit bewähren. So war der nachmalige Kritiker der Französischen Revolution bei Zeiten ein Verfechter der amerikanischen Unabhängigkeit - nicht aufgrund von "sophistischen Spekulationen über Recht und Regierung", wie er betont, sondern aus der Überzeugung heraus, dass dies die einzige Möglichkeit sei, den Krieg in Übersee zu beenden. Vielleicht war seine intellektuelle Beweglichkeit die pragmatische Konsequenz aus der Erkenntnis, "dass unser Zeitalter nicht dem entspricht, was wir uns alle wünschen". Und die Kraft der Argumente ihm nicht beikommen: Hastings wurde nach sieben Jahren Prozess freigesprochen.

SONJA ASAL

Edmund Burke: "Tradition - Verfassung - Repräsentation". Kleine politische Schriften. Hrsg. von Olaf Asbach und Dirk Jörke. A.d. Engl. von Bettina Engels u. Michael Adrian. De Gruyter Verlag, Berlin 2019. 414 S., geb., 109,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Die Ausgabe der "Kleinen politischen Schriften" [...] ist [...] überfällig und sehr zu begrüßen."
Sonja Asal in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (08.10.2019), 10