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Die 1766 erschienenen »Träume eines Geistersehers« nehmen eine Schlüsselstellung in Kants Werk ein. Anlässlich der Auseinandersetzung mit der Geisterseherei Emmanuel Swedenborgs prüft Kant die Erkenntnisansprüche der rationalen Psychologie und weist sie als haltlos zurück. Diese Kritik weitet sich zu einer Ablehnung der gesamten herkömmlichen Metaphysik aus, deren Scheitern Kant zum Anlass nimmt, nach der angemessenen Methode in der Philosophie zu fragen. Als solche empfiehlt er die Hinwendung zu erfahrungswissenschaftlichen Verfahren. Damit hat Kant bereits wesentliche Momente seiner späteren…mehr

Produktbeschreibung
Die 1766 erschienenen »Träume eines Geistersehers« nehmen eine Schlüsselstellung in Kants Werk ein. Anlässlich der Auseinandersetzung mit der Geisterseherei Emmanuel Swedenborgs prüft Kant die Erkenntnisansprüche der rationalen Psychologie und weist sie als haltlos zurück. Diese Kritik weitet sich zu einer Ablehnung der gesamten herkömmlichen Metaphysik aus, deren Scheitern Kant zum Anlass nimmt, nach der angemessenen Methode in der Philosophie zu fragen. Als solche empfiehlt er die Hinwendung zu erfahrungswissenschaftlichen Verfahren. Damit hat Kant bereits wesentliche Momente seiner späteren Vernunftkritik erarbeitet. Aber auch die praktische Philosophie profitiert von der im Geist des Skeptizismus und im Tonfall ironischsarkastischer Redeweise durchgeführten Untersuchung. Es zeigt sich, dass die Grundzüge von Kants Moralphilosophie bereits 1766 gefunden sind. Kants Abhandlung bedeutet somit in mehrfacher Hinsicht das Ende seiner vorkritischen Phase und markiert die eigentlicheGeburtsstunde des Kritizismus. Die Ausgabe präsentiert Kants Text erstmals in historisch-kritischer Gestalt und mit deutschen Übersetzungen der Stellen aus den »Arcana Coelestia« Swedenborgs, auf die sich Kant bezieht. Die umfänglichen Erläuterungen decken die Anknüpfungen an die zeitgenössische Philosophie auf und stellen die Verbindung der Abhandlung mit Kants vorkritischen wie kritischen Werken her.
Autorenporträt
Immanuel Kant wird 1724 in Königsberg geboren. Mit 16 Jahren beginnt er das Studium der Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften an der Königsberger Universität. Jedoch erst im Alter von 46 Jahren erhält er eine ordentliche Professur für Logik und Metaphysik in Königsberg. Als wirkungsmächtigster deutscher Philosoph neben Hegel erlangt Kant schon zu Lebzeiten einen legendären Ruf. Er verbringt sein Leben alleinstehend und einem strengen selbstauferlegten Tagesablauf folgend, der Anlaß zu zahlreichen überlieferten Anekdoten bietet. Kant stirbt in hohem Alter von 80 Jahren 1804 in Königsberg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Helmut Mayer berichtet über die immer noch strittige Haltung der Forschung zu Immanuel Kants Text über Swedenborg von 1765. Dokumentiert findet er in diesem Band sowohl Kants Schrift, und zwar mit historisch-kritischem Anspruch, wie Mayer anmerkt, als auch die Auseinandersetzungen der Forschung darüber. Dass immer noch "nicht so klar" ist, was Kant mit dem Text eigentlich bezweckte, reinen Spott oder doch die Beschäftigung mit Motiven der kritischen Philosophie, erfährt er hier ebenso wie er die Textstellen kennenlernt, auf die der Königsberger Bezug nimmt. Der umfangreiche Anhang liefert weitere Quellentexte wie Briefe Kants, erklärt Mayer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.2022

Teure Geheimnisse
Geisterkunde: Ein eleganter Magister wird historisch-kritisch ediert

Über die Fähigkeiten des schwedischen Theosophen und intimen Kenners des Geisterreiches Emmanuel Swedenborg kursierten im Europa der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts eindrucksvolle Geschichten. In Königsberg kaufte sich ein noch recht junger, aber bereits hervorstechender Privatdozent der dortigen Universität daraufhin die acht Bände der "Arcana Coelestia", die Swedenborg wenige Jahre zuvor, 1756 war der letzte Band erschienen, in London herausgebracht hatte.

Was er sich von der Lektüre eigentlich erwartet hatte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aber sein Urteil über sie fiel entschieden aus: "Acht Quartbände voll Unsinn." Für die der auch außerhalb der Universität mit Interesse verfolgte "elegante Magister" freilich eine Menge Geld hingelegt hatte. Und folgt man seiner eigenen Darstellung in Briefen, so war der Ärger über diese sehr teure Erwerbung sogar auch einer der Beweggründe, sich in einer Schrift über Swedenborg zu äußern. Zumal man ihn dazu gedrängt hatte, ein Urteil in dieser Angelegenheit abzugeben, nachdem er zuvor sein Interesse an den Swedenborgschen Nachrichten aus der Geisterwelt bekundet hatte, für deren Gediegenheit gern in Anschlag gebracht wurde, dass die kontaktierten Geister von Verstorbenen den Lebenden akkurate Hinweise gaben, etwa auf den Ort von gesuchten Hinterlassenschaften des Toten, die dann genau dort gefunden wurden.

Die Schrift des Königsberger Dozenten erschien im Herbst 1765, vorausdatiert auf das folgende Jahr; ohne Angabe des Verfassers zwar, aber jeder wusste, dass Immanuel Kant ihr Autor war. Nicht so klar war dagegen, was Kant nun eigentlich mit dieser Schrift, den "Träumen eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik", genau bezweckte. Selbst sehr geübte Leser unter seinen Zeitgenossen gerieten da in mehr oder minder deutlich geäußerte Verlegenheit. Und um es gleich vorwegzunehmen: Auch eine auf allen Touren laufende Kant-Philologie sollte nichts daran ändern, dass Interpretationen dieser schmalen Schrift immer noch aufs Schönste divergieren.

Man kann sich davon einen Eindruck verschaffen in der ausführlichen und grundgelehrten Einleitung, die der neuen, mit historisch-kritischem Anspruch auftretenden Edition der "Träume" voransteht. Zwar ist offensichtlich, dass Kant in ihnen die gängige Schulmetaphysik gnadenlos aufs Korn nimmt und darauf hinweist, dass deren Leitsätze in der Behandlung von Geist und Seele - das Terrain der "rationalen Psychologie" - sich als Unterbau der Geisterwelt à la Swedenborg, dieses "ärgsten Schwärmers", gebrauchen lassen, was für den Autor eben nicht als Empfehlung gelten kann. Aber bei der Frage, welche Rolle nun genau die Verwendung Swedenborgs dabei spielt, wenn Kant die Schulmetaphysik mit Verve verspottet, um dann im letzten Teil der eher zusammengeschustert wirkenden Schrift Antworten auf deren Sündenfälle anklingen zu lassen, die erst die "Kritiken" entfalten werden - bei dieser Frage herrscht beständige Uneinigkeit. Dass die Lektüre Swedenborgs bloß akzidentell gewesen sei, markiert dabei die eine Extremposition, während die ihr entgegengesetzte in der Beschäftigung mit dem Theosophen wesentliche Antriebe für Motive der kritischen Philosophie finden möchte - und dazwischen gibt es noch manche Variante.

Sich zwischen ihnen zurechtzufinden mag nur für die akademische Befassung von Bedeutung sein. Aber der Grund für diese Schwierigkeit verdient auch davon abgesehen Beachtung. Denn es ist nicht zuletzt der ungewohnt ironisch-spottende Ton, den Kant hier anschlägt, der die Divergenzen der Lesarten befördert. Man bewundert den literarischen Schliff und weiß dabei oft nicht so recht, wie es der von den Herausgebern zitierte Ernst Cassirer einmal formulierte, "was war hier das wahre Gesicht des Autors, was die Maske, die er vorgenommen hatte?". Dort, wo er geradezu bebt vor Hohn über die Ambitionen der Schulmetaphysik, meint man diese Frage aber doch beantworten zu können.

In den ausführlichen Erläuterungen der neuen Edition werden die Stellen aus den "Arcana" übersetzt, auf die Kant Bezug nimmt, hinzu kommt ein stattlicher Anhang mit relevanten Äußerungen Kants in Briefen und Werken sowie ausgewählten Äußerungen von Zeitgenossen zu den "Träumen". Der Preis für die "acht Quartbände", rechnen die kein Detail übersehenden Herausgeber übrigens vor, lag bei deutlich über einem Monatsgehalt, wie es Kant erst vier Jahre später als frisch ernannter Professor beziehen sollte. Bücher haben eben Folgen in mehr als einem Sinn. HELMUT MAYER

Immanuel Kant: "Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik".

Hrsg. mit Einleitung und Erläuterungen von Lothar Kreimendahl und Michael Oberhausen. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2022. 287 S., geb., 89,- Euro.

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»[...] es ist nicht zuletzt der ungewohnt ironisch-spottende Ton, den Kant hier anschlägt, der die Divergenzen der Lesarten befördert. Man bewundert den literarischen Schliff und weiß dabei oft nicht so recht, wie es der von den Herausgebern zitierte Ernst Cassirer einmal formulierte, "was war hier das wahre Gesicht des Autors, was die Maske, die er vorgenommen hatte?".[...] In den ausführlichen Erläuterungen der neuen Edition werden die Stellen aus den "Arcana" übersetzt, auf die Kant Bezug nimmt, hinzu kommt ein stattlicher Anhang mit relevanten Äußerungen Kants in Briefen und Werken sowie ausgewählten Äußerungen von Zeitgenossen zu den "Träumen".« Helmut Mayer, FAZ 02.09.2022