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Die Geschichte der Freundschaft zwischen Tariq, Jochen und Judith ist die Geschichte eines Lebens zwischen politischer Radikalität und romantischen Träumen. Nachdem die Freundschaft zerbricht, nimmt Tariq als militanter Linker vor Gericht die Kronzeugenregelung in Anspruch und sucht die Nähe zum islamischen Terrorismus.
Tariq, der begabte Sohn einer begüterten libanesischen Familie, und Jochen, der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt, kennen sich seit der Schulzeit. Sie verbindet die Liebe zur Mathematik - und zu Judith, die ihnen abwechselnd ihre Gunst schenkt. So bleibt es bis zum
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Produktbeschreibung
Die Geschichte der Freundschaft zwischen Tariq, Jochen und Judith ist die Geschichte eines Lebens zwischen politischer Radikalität und romantischen Träumen. Nachdem die Freundschaft zerbricht, nimmt Tariq als militanter Linker vor Gericht die Kronzeugenregelung in Anspruch und sucht die Nähe zum islamischen Terrorismus.

Tariq, der begabte Sohn einer begüterten libanesischen Familie, und Jochen, der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt, kennen sich seit der Schulzeit. Sie verbindet die Liebe zur Mathematik - und zu Judith, die ihnen abwechselnd ihre Gunst schenkt. So bleibt es bis zum Abitur und durch die Jahre in Berlin: beide tief eingelassen in die politischen Diskussionen und den militanten Widerstand gegen den Staat. Der eine, schließlich Professor, steigt aus. Der andere, Tariq, wird in einem aufsehenerregenden Prozess zum Kronzeugen, zum Verräter an seiner eigenen Biografie und sucht die Nähe zum islamischen Terrorismus.

Michael Wildenhain erzählt 40Jahre deutscher Geschichte mitreißend und mit verblüffender Insider-Kenntnis der sozialen Milieus. Einige der Figuren dieses großen Generationenromans bleiben unvergesslich. Er ist geschrieben in einem Wissen - so der letzte Satz - »in dessen Licht die Bilder zu betrachten wir nun gezwungen sind, ad infinitum.«

Autorenporträt
Michael Wildenhain ist 1958 in Berlin geboren, wo er auch heute lebt. Nach einem Philosophie- und Informatikstudium engagierte er sich in der Hausbesetzerszene - Stoff u. a. für seine ersten literarischen Veröffentlichungen: »zum beispiel k.«, »Prinzenbad« und »Die kalte Haut der Stadt«.
Für sein literarisches Schaffen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Ernst-Willner-Preis, dem Stipendium der Villa Massimo sowie dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds. »Das Lächeln der Alligatoren« war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Brandenburger Kunstpreis ausgezeichnet.
Wildenhain schrieb mehrere Theaterstücke, von denen 2012 ein Auswahlband erschienen ist.
Sein letzter Roman »Das Singen der Sirenen« erschien 2017 und war für den Deutschen Buchpreis nominiert, 2018 würdigte das Literaturforum im Brecht-Haus sein Gesamtwerk mit einem Symposium.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2008

Götterliebling von links
Michael Wildenhains Roman aus der Hausbesetzer-Szene
Die Frage, ob es heute bei uns noch so etwas wie politische Literatur gibt, braucht man eigentlich gar nicht zu stellen. Auch und gerade dort gibt es sie nicht, wo Themen behandelt werden, die einmal eminent politisch waren. Immer nimmt ihre Behandlung die Züge der Privathistorie an. Alles Private sei immer schon politisch? Weit gefehlt! Alles Politische erweist sich spätestens jetzt als privat. Höchstens hat man noch die Wahl, ob man sich die Story der RAF wie die Geschichte vom Wilderer Jennerwein oder vom verlorenen Sohn erzählen lassen will.
Hier macht Michael Wildenhain, Jahrgang 1958 und in der Berliner Hausbesetzerszene der frühen achtziger Jahre sozialisiert, ganz gewiss keine Ausnahme. Man braucht sich nur die Kapitelüberschriften seines neuen Romans anzusehen, um den Geist zu erahnen, aus dem er gestaltet. Sie heißen „Glaube”, „Liebe”, „Hoffnung”, „Verrat”. Hat man diese zur Kenntnis genommen, erkennt man auch den Titel des Romans, „Träumer des Absoluten”, der sonst vielleicht die Neugier hätte wecken können, als die rettungslose Sentimentalität, die er ist.
Und dann werfe man noch einen Blick auf den ersten Satz. „Niemand sollte gezwungen werden, das eigene Leben für einen Irrtum zu halten.” Hier erscheint das Ansinnen, es könne einer vielleicht auch mal drüber nachdenken, was er im Lauf der Jahrzehnte so getrieben hat, als ein per se unfreundlicher Akt. Die Tatsache, dass man vorhanden war, rührt als solche schon fast zu Tränen. Es gibt eine Zeit für alles, für den Idealismus der Schulzeit, für den Zorn der frühen Mannesjahre, später für die mildere Denkungsart des Familienvaters, Wege treffen oder trennen sich; mehr zu erkennen gibt es hier nicht und soll es nicht geben.
Die Ketten des Kapitalismus
Geliefert wird also der einsträngige Roman einer Jugend, mit offenbar stark autobiographischen Zügen. Alles geht los in der Schule, wo der Ich-Erzähler Jochen beizeiten seinem lebenslänglichen Freund, Weggefährten und Rivalen Tariq begegnet, einem Libanesen, dessen Vater von den Israelis getötet wurde – oder, wie er selbst es ausdrückt, von den Juden. Tariq erscheint als hochbegabter Rebell, der sich in Mathematik ebenso wie in Sport auszeichnet und der sich nichts gefallen lässt, dazu als äußerst attraktiv.
„Bekanntlich besitzen Kinder, die in derber Umgebung aufwachsen, eine Schönheit des Gesichts, der Bewegung und der Blicke, die der Schönheit der Feddayin recht nahe kommt. Denn indem sie die überkommene Ordnung sprengt, drängt sich eine neue Freiheit durch die verwelkte Haut. Und keiner kann das Leuchten ihrer Augen und das Klopfen ihrer Schläfen, das Pulsieren ihres Blutes in den Adern verhindern.”
Bekanntlich. Wildenhain macht sich diese Passage von Jean Genet durch Kursivierung zu eigen; ganz auf seinem eigenen Mist gewachsen ist hingegen, was unmittelbar anschließt: „Von Tariqs Gesicht geht ein Strom aus, der auf mich übergreift. Ich spüre, wie mir die Wärme Wangen, Hals und Oberkörper spannt.” Klar, dass dieser linke Götterliebling nach dem Abi Revolution in Südamerika machen wird, „mindestens”. Als auch noch Judith die Bildfläche betritt, ist die Ménage à trois perfekt, die das Buch konstituiert; sie hält über Jahrzehnte.
Den breiten Mittelteil bilden die Jahre in den besetzten Häusern. Wer glaubt, dass die bislang sehr brave Erzählung hier doch etwas Fahrt aufnehmen müsste, findet sich getäuscht. „Freunden werde ich später zu erklären versuchen, welches Gefühl mich beflügelt, wenn ich die Scheibe einer Bank, eines Kaufhauses zerschlage.” Warum erklärt er es nicht uns jetzt? „Ich werde die Taten rechtfertigen, indem ich auf die glatte Oberfläche, die vorherrschende Erscheinungsform des Kapitalismus verweise, dessen allseitige Umfassung es zu durchbrechen gelte, und sei es in Form einer symbolischen Handlung. ‚Wie Ketten von Sklaven?‘ – ‚So ähnlich.‘” So ähnlich, dichter ans Gefühl der Zeit kommt dieses Buch einfach nicht heran. „Machiavelli (‚immer gut‘). Clausewitz (‚klar‘). Carlos Marighella (‚Klassiker, die Grundlage‘)”: Das soll lakonisch sein und ist doch bloß vage und beschränkt. Nicht einmal die physische Malaise der von der Polizei Belagerten, denen man Wasser und Strom abgeklemmt hat, gewinnt sinnliche Präsenz. „Das Aufkommen unbekannter Krankheiten, Schleppscheiße, Krätze, Filzläuse, fast immer durch Parasiten verursacht, die im Schmutz prächtig gedeihen. / Katzen und Hunde. / Die Geburt eines Babys.” Wie das denn war mit der Geburt dieses Babys, was sie bedeutet hat für die Gemeinschaft: man erfährt es nicht. Extrem schwach sind alle Dialoge.
Am Ende richtet man sich irgendwie in der verachteten Bürgerlichkeit ein, Jochen arbeitet an seiner Habilitation, geht nach der Wende an die Uni Potsdam, heiratet Judith, hat mit ihr zwei Kinder. Tariq dagegen radikalisiert sich; er tritt den Revolutionären Zellen bei, landet im Gefängnis, kommt als Kronzeuge frei und wird als Verräter beschimpft. In einer der wenigen lebendigen Szenen des Buchs holen die Frauen, die im Gerichtssaal sitzen, nach dem Freispruch das Kleingeld aus ihren Portemonnaies hervor und bewerfen ihn damit. Er aber wird den Kampf nicht aufgeben. „Sie werden siegen”, sagt er. „Niemand von euch ist bereit, für seine Sache zu sterben.” Das Schlusstableau imaginiert ihn, wie er sich, mit einem Sprengsatz gegürtet, einem Checkpoint der israelischen Armee nähert.
Das Buch lässt die Routiniertheit eines Autors erkennen, der so etwas schon lange treibt. Überraschungen hält es nicht bereit. Es erzählt linear und ohne Verwicklungen, seine Sprache bemüht sich um Mimesis an die Coolness der Epoche, von der sie handelt, und landet dabei in einer glanzlosen Frostigkeit, von der keiner was hat. Die Absicht, die Figur eines deutschen Che Guevara zu entwerfen, missrät ihm gründlich. Ärgerlich jedoch ist es nicht als solches, sondern weil es typisch ist. So wie hier ist die Zeitgeschichte leider allenthalben heruntergekommen.BURKHARD MÜLLER
MICHAEL WILDENHAIN: Träumer des Absoluten. Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008. 335 Seiten, 19,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

FR-Rezensentin Insa Wilke hegt große Sympathien für Michael Wildenhain als politischen Autor. Sein neuer Roman "Träumer des Absoluten" hätte die schnell wieder abgeflaute Diskussion um das Politische in der Literatur belebt, wenn er früher erschienen wäre -  da ist sich die Rezensentin sicher. Dank der "sprachlichen Ausgefeiltheit" Wildenhains kann Rezensentin Wilke die Entwicklung der Figuren Tariq, Judith und Jochen auch stilistisch nachempfinden: von der Schulzeit und Politisierung in den 70ern, Desillusionierung in den 80ern bis zur Ernüchterung nach der Wende oder Tariqs Abgleiten in den Terrorismus. Was Insa Wilke allerdings vermisst, ist ein Rhythmus im Roman - das mag einigen Nebenhandlungen geschuldet sein, deren Notwendigkeit der Rezensentin nicht recht einleuchten wollen.

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