Als frisch gebackene Ehefrau eines erfolgreichen Architekten kommt die junge Mila aus der bulgarischen Stadt Russe, der "Stadt der geretteten Zunge" Elias Canettis, Anfang der 1970er Jahre in die damalige deutsche Hauptstadt Bonn. Alles ist neu für sie: die Sprache, die familiären Lebensumstände, die Gesellschaft. Sie bemüht sich um Anpassung, aber der Konflikt bleibt nicht aus: Soll sie alles, was sie früher liebte und was ihr vertraut war, verleugnen? Die Großfamilie, die Nähe zur Natur, das Dichten, ihre erste Liebe, ja sogar die sozialistische Mangelwirtschaft, die Kreativität und Solidarität erforderte. Jahrelang kommt sie sich wie eine Verräterin vor. Mit der Eroberung der deutschen Sprache und der Geburt der Kinder kehrt Milas Selbstwertgefühl zurück. Die Ehe scheitert, aber sie hat jetzt eine zweite Heimat gewonnen und schafft es, beide Welten miteinander zu verbinden, aus beiden zu schöpfen und Glück neu zu definieren. Mit "Transitvisum fürs Leben" knüpft Rumjana Zacharieva an ihren ersten Roman "7 Kilo Zeit" an, in dem sie Milas meist fröhliche Kindheit im sozialistischen Bulgarien beschreibt. Sie bleibt bei ihrem heiteren Stil, doch schildert sie auch ernste Begebenheiten mit so viel Einfühlungsvermögen, dass sie dem Leser unter die Haut gehen. Ein intimer Blick in ein Migrantenleben und in die Seele und Lebenswirklichkeiten von Menschen, die seit kurzem zur Europäischen Union gehören und doch im Westen noch weitgehend fremd bleiben.