Indem sich das Imperium Romanum aus einer Gemeinde am Tiber zum Weltreich entwickelte, entstanden in Wechselwirkung mit diesem Prozeß Strukturen und Institutionen des staatlichen Handelns, die die Beherrschung dieses Raumes erst möglich machten. Entstehung, Aufbau und Arbeitsweise der römischen Verwaltung sowie ihre sukzessive Veränderung lassen sich an einem Aufgabengebiet, das für den Zusammenhalt des Reiches von fundamentaler Bedeutung war, besonders gut verfolgen: an Transport und Nachrichtentransfer des Staates. Aus dem Inhalt: I. Frühformen 1. Vorrömische Organisationen 2. Die Zeit der Republik II. Der Cursus publicus 1. Entstehung der Institution 2. Nutzungsrecht 3. Finanzierung 4. Organisation 5. Infrastrukturrelle Basis 6. Spätere Entwicklung III. Transporte außerhalb des Cursus publicus 1. Die Beförderung der Annona 2. Reisen und Transporte des Kaiserhofes 3. Dienstreisen und weitere Transportaufgaben IV. Nachrichtentransfer des Staates 1. Umfang und Bedeutung 2. Kuriere des Staates 3. Methoden der Nachrichtenübermittlung 4. Nachrichtentransfer als Teil der Verwaltung V. Geschwindigkeiten 1. Reisen und Transporte 2. Nachrichtentransfer.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2001Wie in Rom die Post abging
Anne Kolb zeichnet den prekären Weg der Kaiseredikte ins Reich
Personentransport und Nachrichtenübermittlung in vormodernen Großstaaten haben Schriftsteller inspiriert und Mythen hervorgebracht; Michael Strogoff und der Pony-Expreß stehen für alle Wagemutigen, die unter Gefahren den weiten peripheren Raum durchmaßen, um seine Erschließung durch Herrschaft und Zivilisation vorzubereiten.
Auch im Römischen Reich gab es kein geregeltes System der administrativen Nachrichtenübermittlung, vielmehr wurden jeweils bei Bedarf subalterne Boten oder Soldaten in Marsch gesetzt. Immerhin war es der kaiserlichen Zentrale und ihren Beauftragten in den Provinzen aber darum zu tun, das Reisen von Funktionsträgern und die Nachrichtenübermittlung im Binnenraum des Imperiums auf eine sichere und berechenbare Grundlage zu stellen. Anne Kolb untersucht in ihrer gediegenen Habilitationsschrift vor allem den sogenannten cursus publicus, der bis in jüngere Arbeiten immer wieder als "Staatspost" oder Kurierdienst mißverstanden worden ist.
In Wirklichkeit handelte es sich um ein Infrastruktursystem, das berechtigten Funktionsträgern auf Dienstreisen über größere Entfernungen Transporttiere und -fahrzeuge zur Verfügung stellte. Systematisch und handbuchartig beschreibt die Studie alle relevanten Aspekte des Themas. Spannend wird sie immer dort, wo aus der normativen Prosa der Kaiseredikte und -gesetze nicht nur die Funktionsweise des Apparates rekonstruiert wird, sondern die Wirklichkeit menschlichen Fehlverhaltens sichtbar wird. Der cursus publicus mit seinen Wechselstationen und Rasthäusern war überaus mißbrauchsanfällig; fehlende oder mangelhafte Kontrollen, aber auch gutmütige, ängstliche oder bestechliche Stationsleiter ermöglichten es Reisenden immer wieder, die Ressourcen des Systems ohne Berechtigung zu nutzen - und es damit natürlich zusätzlich zu belasten.
Gerade diesbezüglich verstellt der Organisationsdiskurs leider bisweilen den Blick, indem er Differenzen konstruiert, wo es keine gab. So wurde der Unterhalt des cursus publicus durch Sach- und Dienstleistungen der lokalen Bevölkerung finanziert. Die Kaiser waren bemüht, diese Lasten nicht zu groß werden zu lassen, um einen Zusammenbruch des Systems zu verhindern. Die Autorin weist nun nach, daß daher die Getreideabgaben nicht durch den cursus publicus zu den Abgabestellen transportiert wurden. Aber für die provinziale Bevölkerung, in erster Linie die Grundbesitzer, war die Unterscheidung irrelevant, weil sie für beide Transportaufgaben aufzukommen hatte.
Was das Imperium Romanum im Innersten zusammenhielt, diese Frage ist mit einer Systemanalyse auf der Ebene institutioneller Organisation jedenfalls nicht zureichend zu beantworten. Im letzten Kapitel ist der Leser für eine übersichtliche Zusammenstellung der aussagekräftigen Zeugnisse zu Reise- und Übermittlungsgeschwindigkeiten dankbar.
UWE WALTER
Anne Kolb: "Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich". Klio, Beiträge zur Alten Geschichte, Beihefte Neue Folge, Band 2. Akademie Verlag, Berlin 2000. 380 S., geb., 124,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anne Kolb zeichnet den prekären Weg der Kaiseredikte ins Reich
Personentransport und Nachrichtenübermittlung in vormodernen Großstaaten haben Schriftsteller inspiriert und Mythen hervorgebracht; Michael Strogoff und der Pony-Expreß stehen für alle Wagemutigen, die unter Gefahren den weiten peripheren Raum durchmaßen, um seine Erschließung durch Herrschaft und Zivilisation vorzubereiten.
Auch im Römischen Reich gab es kein geregeltes System der administrativen Nachrichtenübermittlung, vielmehr wurden jeweils bei Bedarf subalterne Boten oder Soldaten in Marsch gesetzt. Immerhin war es der kaiserlichen Zentrale und ihren Beauftragten in den Provinzen aber darum zu tun, das Reisen von Funktionsträgern und die Nachrichtenübermittlung im Binnenraum des Imperiums auf eine sichere und berechenbare Grundlage zu stellen. Anne Kolb untersucht in ihrer gediegenen Habilitationsschrift vor allem den sogenannten cursus publicus, der bis in jüngere Arbeiten immer wieder als "Staatspost" oder Kurierdienst mißverstanden worden ist.
In Wirklichkeit handelte es sich um ein Infrastruktursystem, das berechtigten Funktionsträgern auf Dienstreisen über größere Entfernungen Transporttiere und -fahrzeuge zur Verfügung stellte. Systematisch und handbuchartig beschreibt die Studie alle relevanten Aspekte des Themas. Spannend wird sie immer dort, wo aus der normativen Prosa der Kaiseredikte und -gesetze nicht nur die Funktionsweise des Apparates rekonstruiert wird, sondern die Wirklichkeit menschlichen Fehlverhaltens sichtbar wird. Der cursus publicus mit seinen Wechselstationen und Rasthäusern war überaus mißbrauchsanfällig; fehlende oder mangelhafte Kontrollen, aber auch gutmütige, ängstliche oder bestechliche Stationsleiter ermöglichten es Reisenden immer wieder, die Ressourcen des Systems ohne Berechtigung zu nutzen - und es damit natürlich zusätzlich zu belasten.
Gerade diesbezüglich verstellt der Organisationsdiskurs leider bisweilen den Blick, indem er Differenzen konstruiert, wo es keine gab. So wurde der Unterhalt des cursus publicus durch Sach- und Dienstleistungen der lokalen Bevölkerung finanziert. Die Kaiser waren bemüht, diese Lasten nicht zu groß werden zu lassen, um einen Zusammenbruch des Systems zu verhindern. Die Autorin weist nun nach, daß daher die Getreideabgaben nicht durch den cursus publicus zu den Abgabestellen transportiert wurden. Aber für die provinziale Bevölkerung, in erster Linie die Grundbesitzer, war die Unterscheidung irrelevant, weil sie für beide Transportaufgaben aufzukommen hatte.
Was das Imperium Romanum im Innersten zusammenhielt, diese Frage ist mit einer Systemanalyse auf der Ebene institutioneller Organisation jedenfalls nicht zureichend zu beantworten. Im letzten Kapitel ist der Leser für eine übersichtliche Zusammenstellung der aussagekräftigen Zeugnisse zu Reise- und Übermittlungsgeschwindigkeiten dankbar.
UWE WALTER
Anne Kolb: "Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich". Klio, Beiträge zur Alten Geschichte, Beihefte Neue Folge, Band 2. Akademie Verlag, Berlin 2000. 380 S., geb., 124,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Insgesamt scheint Uwe Walter dieses Buch recht informativ zu finden, besonders weil die Autorin hier dezidiert auf den 'cursus publicus' eingeht, der "immer wieder als 'Staatspost' oder 'Kurierdienst' missverstanden worden ist", so der Rezensent. Kolb habe hier deutlich aufgezeigt, um welch ausgetüfteltes Infrastruktursystem es sich dabei handelte und "systematisch und handbuchartig (...) alle relevanten Aspekte des Themas" beleuchtet. Besonders spannend findet Walter dabei die Ausführungen der Autorin darüber, wie anfällig dieses System war gegen Missbrauch und das "menschliche Fehlverhalten". Zwar bemängelt der Rezensent an der Passage, in der es um die Finanzierung des cursus publicus geht, eine Unstimmigkeit. Doch insgesamt tut dies seinem positiven Gesamteindruck offenbar nur wenig Abbruch. Besonders gefällt ihm auch, dass die Autorin im Schlusskapitel eine "übersichtliche Zusammenstellung der aussagekräftigen Zeugnisse zu Reise- und Übermittlungsgeschwindigkeiten" bietet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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