Produktdetails
  • Verlag: TRESCHER
  • ISBN-13: 9783897940086
  • ISBN-10: 3897940086
  • Artikelnr.: 24359724
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "Kenner der Strecke" bezeichnet Rezensent "Th.R." die Autoren dieses Buches, die die Wirklichkeit hinter neuntausend Kilometern Mythos erhellen würden. Sie gäben praktische Ratschläge und berichteten von der Ausstattung der Züge und Bahnhöfe. Wenig ist ihnen unterwegs entgangen, meint der Rezensent. Sie können von der Geschichte der Erschließung Sibiriens erzählen, "von den Städten rechts und links der Strecke, historischen Orten, Stätten der Verbannung und Industrierevieren", lobt er.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2001

Bahn

"Reisen im Rückwärtsgang. Zwei Dichter unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn" von Kurt Drawert und Blaise Cendras. Arche Verlag, Zürich/Hamburg 2001. 128 Seiten. Gebunden, 28 Mark. ISBN 3-7160-2282-9.

"Transsib-Handbuch. Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn" von Hans Engberding und Bodo Thöns. Trescher Verlag, Berlin 2001. 416 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 39,80 Mark. ISBN 3-89794-008-6.

An der Zeit zum Lesen wird es nicht fehlen; die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn dauert lang genug. Man kann ruhig beide Bücher mitnehmen: das eine, um zu sehen, wie es dem Reisenden ergeht, wenn ihm die Ferne, die geographische wie die historische, so fremd ist, daß er nur mehr über sich selbst nachdenken kann und wenig von dem wahrnimmt, worüber der zweite Titel in der gebotenen Ausführlichkeit berichtet. Auf die Geschichte, auf die Erschließung Sibiriens, auf den Bau der Bahn Ende des neunzehnten Jahrhunderts gehen die Autoren dieses anderen Buchs ebenso ein wie auf das Leben im Zug. Als Kenner der Strecke können Hans Engberding und Bodo Thöns praktische Ratschläge geben, von der Ausstattung der Züge berichten, von den Bahnhöfen erzählen, auch von den Städten rechts und links der Strecke, historischen Orten, Stätten der Verbannung und großen Industrierevieren. Wenig ist den Beobachtern entgangen. Über die Länge von neuntausend Kilometern, von Moskau nach Wladiwostok, haben sie die Wirklichkeit hinter jenem Mythos erhellt, der die Phantasie der Weltreisenden von Anfang an erregte. Einer der ersten, den das Erlebnis literarisch mitgerissen hatte, war der Franzose Blaise Cendrars. Schon 1904, ein Jahr nach Eröffnung der Linie, ist er mit der Transsib nach Osten gefahren; und noch 1913 war die Erinnerung daran so lebendig, daß sie sich zum Gedicht, zum surrealistischen Tagtraum formen sollte. Was der kurze Text, knappe fünfundzwanzig Seiten lang, darstellen möchte, den Eindruck einer Unendlichkeit, in der sich der Blick für das Nächste trübt, ist eine Erfahrung, die auch Kurt Drawert auf seiner "Eisenbahnreise" gesucht haben mag. Gegen das Touristische hat er sich von vornherein entschieden. Vor allem will er die "Außenseiterrolle" des "alleinreisenden" Melancholikers in der Reisegruppe ausfüllen. "Meine deutschen Reisegefährten" nennt er die anderen, geradeso, als käme er selbst von sonstwo her, nur nicht aus Darmstadt, wo er derzeit wohnt, und schon gar nicht aus Dresden oder Leipzig, wo er früher lebte, wo er Erfahrungen machte, denen die Welt weit hinten in Sibirien heute noch entsprechen soll. Gleich, ob er sieht, wie die Mitreisenden aus Hessen, aus Sachsen oder Bayern noch jenseits des Urals auf Schnäppchenjagd gehen, billige "Topflappen, Geschirrtücher, Eierwärmer" kaufen, oder ob er im Hotel vom Ungeziefer geplagt wird, immer wirken seine Beobachtungen, als seien sie bereits vor zehn Jahren und nicht erst im Jahr 2000 gemacht, in einem Rußland, das größere Probleme hat als die Kakerlaken. Doch es geht ja auch gar nicht um das Land und nicht um die Leute. Drawert allein ist der Gegenstand seiner Betrachtung; seinen Weltschmerz nur kann der Voyeur in der Unendlichkeit der transsibirischen Reise entdecken. Da ergeht es ihm wie allen, die der Langeweile erliegen, weil ihnen die Ferne fremd bleibt. Daß freilich auch ihre Geschichten zur großen Geschichte der Transsib gehören, wäre demnächst im Handbuch nachzutragen. (Th.R.)

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