Traumadeutung handelt vom ersten und letzten Dichter der Moderne: von Charles Baudelaire, der als erster den traumatischen Schock als Signatur der Moderne identifizierte, und von Paul Celan, dessen Werk Zeugnis von der Katastrophe ablegt, die das Ende der modernen Traditionen markiert. Beide Autoren bemühen sich in ihren Gedichten um die Darstellung von Erfahrungen, die unabhängig vom Willen oder Bewußtsein als unverarbeitet, schockierend und traumatisch im Gedächtnis haften. Mittels der Analyse von je drei Gedichten Baudelaires und Celans zeigt Ulrich Baer, daß die Beschäftigung mit den ästhetischen Eigengesetzlichkeiten des Gedichts ein Modell für die Mitteilbarkeit von traumatischen Erfahrungen darstellen kann.
Dieses »außergewöhnlich luzide Buch« (Harold Bloom) bietet nicht nur einen neuen Zugang zu Baudelaire und Celan, sondern erhellt auch die Beziehung zwischen Literatur, Trauma und Geschichte: wie wir Wirklichkeit wahrnehmen, wie wir unsere Erinnerung sprachlich vergegenwärtigen und wie wir vergessen.
Dieses »außergewöhnlich luzide Buch« (Harold Bloom) bietet nicht nur einen neuen Zugang zu Baudelaire und Celan, sondern erhellt auch die Beziehung zwischen Literatur, Trauma und Geschichte: wie wir Wirklichkeit wahrnehmen, wie wir unsere Erinnerung sprachlich vergegenwärtigen und wie wir vergessen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Während die englischsprachige Wissenschaft seit über einem Jahrzehnt das Thema Trauma intensiv diskutiert, gibt es hierzulande keine entsprechende, historisch informierte Debatte, notiert Tim B. Müller in seiner Besprechung von Ulrich Baers "Traumadeutung". Wie er ausführt, finden sich im amerikanischen trauma discourse zwei konkurrierende Theorien des Traumas, die mimetische und die anti-mimetische: Während nach der mimetischen Theorie die traumatische Erfahrung dem Subjekt grundsätzlich zugänglich sei und also ins Gedächtnis integriert, und schließlich erzählt werden könne, verneine die anti-mimetische Theorie, dass die traumatische Erfahrung jemals ins Gedächtnis eingebunden und so kontrolliert werden könne. Müller sieht darin allerdings keinen Widerspruch, in Wahrheit handle es sich um zwei Dimensionen des Traumas. Für Baers "Traumadeutung" spricht nach Einschätzung Müllers, dass er anfangs zwar die mimetische Traumatheorie vertritt, sich aber im Verlauf seiner Arbeit davon entfernt. Baers Gedankengang stellt Müller "verkürzt" folgendermaßen dar: das Trauma verschlage seinen Opfern die Sprache. "Insofern Lyrik ihre Wahrheit eher 'ausagiert', als sie zu formulieren" (Baer), dabei aber das Bewusstsein nicht ausschließe, ermögliche sie, der traumatischen Erfahrung Ausdruck zu verleihen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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