Sterben ist die Fähigkeit, sich zu verwandeln zu lassen..."Wären demnach die großen Genien, die keine lebensfähigen Nachkommen haben und also zukunftslos sind, bloßer Stoff? Nein, sie sind ja gerade die großen Sterbenden, die durch ihre Taten und Werke das Zeitliche verewigen, mit der Zukunft verbinden. Zukunftslos nenne ich diejenigen, die sich nicht weiter entwickeln können und doch nicht sterben wollen, die bleiben wollen, wie sie sind. Für Juden war das Entscheidende, das was sie zu Juden machte, dass sie ihrem voraussterbenden Herrn nicht folgen wollten. Wer sterben kann, ist frei, steht nicht unter dem Gesetz. Sterben ist die Fähigkeit, sich zu verwandeln zu lassen, Nichtsterben können ist der Wille, sich zu erhalten. Der körperliche Tod allein beweist noch nicht die Fähigkeit, sich zu verwandeln zu lassen, denn die Verwandlung geschieht am Lebenden; aber freilich deutet die unüberwindliche Furcht vor dem Tode auf den Willen, sich um jeden Preis zu erhalten. Das Bestreben unserer Zeit, den Tod möglichst auszuschalten, jedenfalls totzuschweigen, zeigt wie jüdisch, wie erstarrt wir geworden sind. Der junge Mensch und der Christ ahnen im Tode das neue Leben (Ricarda Huch)."