Mit seiner Verbindung von Poesie und Wissenschaft, Reiseroman und ethnologischer Reflexion nimmt dieses Buch eine einzigartige Stellung im Werk von Claude Lévi-Srauss und in der ethnologischen Literatur insgesamt ein. »Traurige Tropen« meint das Aussterben der »primitiven« Kulturen in ihrer Konfrontation mit dem zivilisatorischen sogenannten »Fortschritt«, mit seiner imperialistischen Zerstörungswut und seinen Krankheiten - in diesem Falle das Aussterben der Indianervölker im Mato Grosso (Brasilien). Seine Reflexionen sind nichts weniger als eine Theorie des Verhältnisses von subjektiver Erfahrung und der Möglichkeit objektiver Wissenschaft, von ethnographischer Erfahrung und ethnologischer Modellstruktur sowie von Betrachtung der fremden und politischer Veränderung der eigenen Gesellschaft - eine Grundlegung der strukturalistischen Sozialanthropologie. Eingebettet sind diese theoretischen Überlegungen nicht nur in einen Vergleich zwischen der Kultur der Urbewohner Brasiliensund der Kultur ihrer Kolonialherren, sondern auch in einen universalen Kulturvergleich zwischen Buddhismus, Islam und Christentum.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2008Kunstvolle Tropen
"Er seufzte tief. Nun war alles erreicht. In dem Moment, als er auf das Boot stieg, dessen warmer Geruch nach Farbe, Linoleum und Essen ihm den Magen umgedreht hatte, hatte er - einmal mehr - einen Augenblick lang daran gedacht, nach Vayras zurückzukehren." So beginnen die "Traurigen Tropen" nicht. Aber hätten sie so begonnen, wären sie tatsächlich der "vage an Conrad erinnernde Roman" geworden, der Claude Lévi-Strauss einmal vor Augen stand, hätten sie vielleicht wirklich den Prix Goncourt bekommen, dessen Jury 1955 wissen ließ, wie gern sie dieses Buch unter die Kandidaten gereiht hätte, wäre es denn ein Roman. Aber ein Roman ist es gerade nicht, wenn es sich auch sonst kaum an Gattungsgrenzen hält und den Reisesbericht in einem großen Wurf mit soziologischen Analysen, grundsätzlichen Überlegungen zu menschlichen Gesellschaften und der paradoxen Rolle des Ethnologen verknüpft. In der zum herannahenden hundertsten Geburtstag des Ethnologen erschienenen Auswahlausgabe aus seinem Werk in der Bibliothèque de la Pléiade (F.A.Z. vom 4. Juni 2008) kann man seit kurzem einige faszinierende Blicke in die Entstehungsgeschichte - darunter der Romanbeginn - des Buches tun. Der Suhrkamp Verlag hat sich zu einer anderen Hommage entschlossen. Er legt eine gebundene Ausgabe in stattlichem Format vor, zu der Mimmo Paladino vierzig Gouachen beigesteuert hat. Der tiefsitzenden französischen Neigung zu illustrierten Ausgaben ist diesmal also der deutsche Verlag gefolgt. Samt limitierter Vorzugsausgabe mit Lithographie, für die man natürlich ein wenig mehr hinlegen muss. (Claude Lévi-Strauss: "Traurige Tropen". Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit vierzig Gouachen von Mimmo Paladino. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 541 S., Abb., geb., 38,- [Euro]) hmay
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Er seufzte tief. Nun war alles erreicht. In dem Moment, als er auf das Boot stieg, dessen warmer Geruch nach Farbe, Linoleum und Essen ihm den Magen umgedreht hatte, hatte er - einmal mehr - einen Augenblick lang daran gedacht, nach Vayras zurückzukehren." So beginnen die "Traurigen Tropen" nicht. Aber hätten sie so begonnen, wären sie tatsächlich der "vage an Conrad erinnernde Roman" geworden, der Claude Lévi-Strauss einmal vor Augen stand, hätten sie vielleicht wirklich den Prix Goncourt bekommen, dessen Jury 1955 wissen ließ, wie gern sie dieses Buch unter die Kandidaten gereiht hätte, wäre es denn ein Roman. Aber ein Roman ist es gerade nicht, wenn es sich auch sonst kaum an Gattungsgrenzen hält und den Reisesbericht in einem großen Wurf mit soziologischen Analysen, grundsätzlichen Überlegungen zu menschlichen Gesellschaften und der paradoxen Rolle des Ethnologen verknüpft. In der zum herannahenden hundertsten Geburtstag des Ethnologen erschienenen Auswahlausgabe aus seinem Werk in der Bibliothèque de la Pléiade (F.A.Z. vom 4. Juni 2008) kann man seit kurzem einige faszinierende Blicke in die Entstehungsgeschichte - darunter der Romanbeginn - des Buches tun. Der Suhrkamp Verlag hat sich zu einer anderen Hommage entschlossen. Er legt eine gebundene Ausgabe in stattlichem Format vor, zu der Mimmo Paladino vierzig Gouachen beigesteuert hat. Der tiefsitzenden französischen Neigung zu illustrierten Ausgaben ist diesmal also der deutsche Verlag gefolgt. Samt limitierter Vorzugsausgabe mit Lithographie, für die man natürlich ein wenig mehr hinlegen muss. (Claude Lévi-Strauss: "Traurige Tropen". Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit vierzig Gouachen von Mimmo Paladino. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 541 S., Abb., geb., 38,- [Euro]) hmay
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»Es ist das schönste und traurigste Buch, das uns die Ethnologie geschenkt hat.« Bartholomäus Grill DIE ZEIT