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Produktdetails
  • Verlag: Wasmuth Berlin
  • Numer. u. sign. Ausg.
  • Deutsch
  • Abmessung: 385mm
  • Gewicht: 1714g
  • ISBN-13: 9783803006622
  • ISBN-10: 3803006627
  • Artikelnr.: 20795502
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Wilfried Dechau, geb. 1944 in Lübeck, arbeitete nach abgeschlossenem Architekturstudium einige Jahre als Assistent an der TU Braunschweig. Seit 1980 gehört er der db-Redaktion an, die er seit 1987 als Chefredakteur leitet. Seit 1995 Lehrauftrag an der FH Biberach.

Ursula Baus studierte zunächst Kunstgeschichte, klassische Archäologie und Philosophie an der Universität Saarbrücken, wechselte jedoch zum Architekturstudium an die Universität Stuttgart und die Ecole des Beaux-Arts in Paris. Sie war Architekturredakteurin bei der db deutsche bauzeitung und arbeitet seit 2004 als freie Kritikerin und Buchautorin. Sie ist Mitbegründerin der Partnerschaftsgesellschaft frei04-publizistik, Stuttgart, und hat Lehraufträge an der Universität Stuttgart.

Dr. Rolf Sachsse - Professor für Fotografie - studierte nach seiner Fotografenlehre Zeitungswissenschaften, Kommunikationsforschung, Germanistik und Kunstgeschichte in München und Bonn. Danach Arbeit als Fotograf und Bildjournalist. Seit 1993 Professor für elektronische Bildmedien am Fachbereich Design der Fachhochschule Niederrhein in Krfefeld.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2007

Eingekeilt und aufgehängt: Dieser Steg ist kein Wackelkandidat
Filigraner Leichtbau aus Holz und Stahl quert den Traversinertobl in der Schweiz / Seine Steifigkeit verdankt er dem Statikkonzept eines vorgespannten Seilfachwerks / Von Georg Küffner

Wer mit dem Auto südwärts über Chur zum San-Bernardino-Pass fährt, der bekommt von einer der spektakulärsten Engstellen der Alpen nichts mit: der Via-Mala-Schlucht. Denn fast über die gesamte Länge dieses geschichtsträchtigen Abschnitts fließt heute der Verkehr durch Tunnel. Von diesem Komfort konnten Einheimische und Durchreisende über Jahrhunderte nur träumen. "Las velas malas" nannten sie die ständig anders verlaufenden gefahrvollen Pfade durch die Schlucht. Fest steht, dass es schon zur Römerzeit hier einen begehbaren, möglicherweise sogar befahrbaren Saumpfad gab. Über die Jahrhunderte hinweg hat man den Weg immer weiter gesichert. Es wurden Brücken über den hier noch recht schmalen Rhein gebaut und Galerien in die Felswände gehauen. Stets ging man dabei an die Grenzen des jeweils technisch Machbaren.

Nicht viel anders ist heute die Situation für Wanderer, wenn sie die Via-Mala-Schlucht auf der 1996 eröffneten Via Traversina zu Fuß meistern. Kommen sie von Süden, stoßen sie zunächst auf die bemerkenswerte Pùnt da Suransuns. Als Spannbandbrücke konstruiert, schwingt sich der Hängesteg wie ein umgekehrter, flacher Steinbogen über den Rhein. Zugbänder aus Stahl hängen zwischen den beiden in Ankern gesicherten Widerlagern. Auf ihnen liegen Steinplatten, die an Geländerstäben aus Edelstahl befestigt sind. Dünne Aluminiumbänder stecken zwischen den Platten und verkeilen sie "kraftschlüssig". Seine Steifigkeit erhielt der dünne, auf Druck vorgespannte Steinbelag durch das Anspannen der Zugbänder.

Bleibt der Wanderer auf dem Weg, kommt er bald an die Stelle, wo dieser nach Osten in den Traversinertobel abzweigt. Nach rund 100 Metern taucht in dem engen Seitental eine weitere Brücke auf, die sofort fasziniert und von der den Daheimgebliebenen mit Sicherheit berichtet wird: der Traversinersteg. Eigentlich ist er gar keine richtige Brücke. Die Bezeichnung Brücken-Treppe wäre richtiger. Denn um auf die andere Seite zu kommen, muss der Wanderer 176 Stufen erklimmen. Nur so ließ sich der Höhenunterschied von 22 Metern an dieser Stelle zwischen den an die beiden Talflanken heranführenden Wanderwegen überwinden. Eine schiefe Ebene wäre zu gefährlich gewesen.

Die Ingenieure des Churer Büros Conzett, Bronzini und Gartmann (von ihnen stammt auch die Pùnt da Suransuns), mussten also diese beiden "Fixpunkte" miteinander verbinden. Dafür wählten sie eine Art Hängebrücke. Genaugenommen handelt es sich dabei um eine vorgespannte Seilfachwerkbrücke: Links und rechts des Stegs gibt es zwei vertikale, parallel verlaufende Seilfachwerke, die aus dem Tragseil, dem Brückenträger und den dazwischen gespannten, schräg verlaufenden "Hängern" bestehen.

Die heutige Brücke hatte einen Vorläufer. Der Traversinersteg I querte das Tal rund 70 Meter weiter östlich. Seine Spannweite war mit 47 Meter rund zehn Meter geringer als die von Steg Nummer zwei. Doch das war nicht der einzige Unterschied. Beim ersten Traversinersteg handelte es sich um eine filigrane Holzfachwerkstruktur, die aus einer Unterspannung zusätzliche Stabilität gewann. Der erste Traversinersteg wurde auch anders als sein Nachfolger montiert. Die von einem Steinschlag im März 1999 in die Tiefe gerissene Brücke wurde nicht weit vom späteren Standort nahezu komplett zusammengebaut und dann mit einem Hubschrauber eingeflogen. Und so liefen Bau und Montage des Traversinerstegs II ab: Als Erstes mussten - für eine Brücke unüblich - drei Widerlager auf unterschiedlichen Ebenen betoniert werden. Während die beiden "Hochlager" die gesamten Seilkräfte aus der Brücke aufnehmen müssen, wird das dritte, tief liegende Lager nur auf Druck belastet. Im nächsten Schritt wurden die beiden 95 Meter langen Tragseile mit einem Durchmesser von 36 Millimetern "eingehoben" und so an den Widerlagern befestigt, dass sie später mit Hilfe von Hydraulikpressen angespannt werden konnten. Anschließend war halsbrecherische Feinarbeit angesagt: Die Klemmen für die Diagonalseile (Hänger) mussten gesetzt werden. Nur bei korrekter Plazierung leiten sie in das Seilfachwerk die vorausberechneten Kräfte ein.

Deutlich mehr Gewicht musste beim Einbau des Laufstegs von der eigens für die Montage errichteten Seilbahn gemeistert werden. Um die Last klein zu halten, hat man ihn in handlichere 13-Meter-Stücke zerlegt. Jedes Element bestand aus einem Stahlrahmen, auf den man einen Teil der zehn hölzernen Längsträger bereits aufgesetzt hatte. Glied für Glied wurde angehängt. Anschließend schraubte man die noch fehlenden Längshölzer auf und verband sie miteinander. Der Brückenträger gewann immer weiter an Steifigkeit. Zu diesem Zeitpunkt lieferte die Brücke ein noch wenig harmonisches Bild. Die Tragseile folgten einer "wirren" Linie, die erst zu ihrer idealen Bogenform fand, als sie angespannt wurden.

Der Traversinersteg II ist keine wacklige Brücke. Er wippt nicht und schwingt nicht. Dafür ist das vorgespannte Seilfachwerk verantwortlich, es ist auf die maximale Last ausgelegt, mit der die Brücke rechnen muss. Das ist nicht die übermütig hüpfende Gruppe von Wanderern, sondern im Winter die einen Meter mächtige Schneeauflage. Sie würde den Steg mit rund 42 Tonnen belasten. Erst wenn diese Gewichtskraft (deutlich) überschritten würde, finge die Struktur an, weich zu werden. Doch damit ist nicht zu rechnen. Unter anderem deshalb, weil im Zuge der Klimaerwärmung ausgiebige Schneefälle wohl seltener werden.

Wilfried Dechau hat die Bauarbeiten am Traversinersteg II vom Aushub für die Fundamente über das Spannen der Seile bis zu den letzten Handgriffen der Zimmerleute mit seiner Kamera festgehalten. Die dabei entstandene faszinierende Bilderfolge ist in dem Buch "Traversinersteg. Fotografisches Tagebuch" zusammengestellt. Das hochwertig gedruckte und gebundene Buch (im Leinenschuber) ist im Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen, erschienen und kostet 78 Euro.

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