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A startling work of realism and invention that examines the passage of time and how we mark it. One mans personal lens refracts entire worlds, and back again as Tunde reflects on the places and times of his life, from his West African upbringing to his current work as a teacher of photography on a renowned New England campus.

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Produktbeschreibung
A startling work of realism and invention that examines the passage of time and how we mark it. One mans personal lens refracts entire worlds, and back again as Tunde reflects on the places and times of his life, from his West African upbringing to his current work as a teacher of photography on a renowned New England campus.
Autorenporträt
Teju Cole is the author of Every Day Is for the Thief, Open City, and Known and Strange Things. His honours include the PEN/Hemingway Award, the Internationaler Literaturpreis, the New York City Book Award, and the Windham Campbell Prize for Fiction. His photography has been widely exhibited, and he is the Photography Critic of The New York Times Magazine .
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2024

Alle eure Kämpfe
Wie man über den Zeitgeist schreibt, ohne sich von Schlagwörtern lähmen zu lassen: Teju Cole denkt über Kolonialismus und Raubkunst nach.
Vor dreizehn Jahren überraschte der Roman eines unbekannten Newcomers die Buchwelt, schaffte es auf Anhieb in der migrantischen Literatur auf einen kanonischen Rang und brachte Kritik und Leserschaft überall ins Grübeln. Was genau wurde uns da erzählt, und auf welche Weise? Wie genau sollten wir den Roman „Open City“ von Teju Cole, einem amerikanischen Kunsthistoriker und Autor nigerianischer Herkunft, verstehen?
Autofiktion nach Art von W. G. Sebald, so viel schien klar. Wie bei Sebald geht es um Gedächtnis, Geschichte und Gewalt. Auch Teju Coles Protagonist ist ein umfassend gebildeter, einsamer Ich-Erzähler, der sinnierend durch die Welt flaniert, diesfalls durch New York, und auf seinen ruhelosen Wanderungen über Kunst, Musik, Geschichte, Herkunft und seine eigenen Vorbehalte und ambivalenten Gefühle reflektiert. Er liest die Stadt wie „ein Palimpsest, beschrieben, ausradiert und erneut beschrieben“. Der Roman überblendet Erinnerungen an die Kindheit des Helden in der nigerianischen Millionenstadt Lagos mit Streifzügen durch das von Nine Eleven versehrte New York, gezeichnet von der riesigen World-Trade-Center-Wunde, wobei die Topografie der Stadt weniger horizontal als vielmehr vertikal durchmessen wird. Überall in den historischen Schichtungen und archäologischen Zeithorizonten bis hinab zu den Pfaden der Ureinwohner sind Spuren von Barbarei begraben, etwa ein vergessener Sklavenfriedhof, der unter Drogeriemärkten und Bürogebäuden verschwunden ist. „Open City“ holt diese verschütteten Erinnerungen herauf und erkundet das Unbewusste New Yorks, spiegelt es im migrantischen Bewusstsein des Flaneurs und liefert so etwas wie eine Psychoanalyse der Stadt.
In den Jahren seither hat sich Teju Cole vor allem als Essayist, Kritiker, Fotograf und Lehrer – er ist seit 2018 Professor für Kreatives Schreiben in Harvard – etabliert und einen internationalen Namen gemacht. Er sammelte Preise und Auszeichnungen, streifte als Fotograf durch die Welt, veröffentlichte nachholend seinen nigerianischen Debütroman „Jeder Tag gehört dem Dieb“ von 2007, außerdem den Band „Blinder Fleck“ in Bild und Text, sowie die Essaybände „Vertraute Dinge, fremde Dinge“ und „Black Paper“, die seinen imponierenden Ideen- und Assoziationsreichtum und seine stupende Bildung dokumentieren. Was seine Texte besonders auszeichnet, ist sein Talent für Verknüpfungen: Er kann überraschende Bezüge zwischen Werken aus ganz unverwandten Kunst-Sphären erkennen und aufrufen.
Was hat nach all dem Teju Coles neuer Roman „Tremor“ zu bieten?
Jedenfalls keinen herkömmlichen Plot, keine konventionell erzählte, psychologische Geschichte. Der Roman unterwirft sich nicht dem Stildiktat des populären Realismus, der laut dem Literaturtheoretiker Moritz Baßler als „International Style“ das gegenwärtige Erzählen beherrscht. Statt sich dem weltweit gängigsten Format des Roman-Genres anzupassen, hat der Autor den Ehrgeiz, zu beweisen, dass man avantgardistisch und trotzdem lesbar schreiben kann. Die Romanfiguren in „Tremor“ sind nur umrisshaft und in Stichworten skizziert, ihnen wird das nur absolut notwendige Minimum an Kontur zugebilligt. Teju Cole interessiert sich für sie gerade insoweit, als sie das Leben des Helden punktuell berühren – als Kollegen, Freunde, Studierende, Dinnergäste, Gesprächs- und Liebespartner. Mit Ausnahme eines Kapitels logiert der Roman einzig im intellektuellen Großraum des Bewusstseins seiner Hauptfigur, macht erst in der dritten, dann in der ersten Person deren Denk- und Gefühlsbewegungen anschaulich und nachvollziehbar. Der Roman spielt im Herbst 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, ehe der Lockdown alle Bewegungs- und Begegnungsfreiheiten blockierte.
Der Held Tunde ist wie sein Autor siebzehnjährig aus Nigeria in die USA emigriert und nun in den mittleren Jahren angelangt, ein erfolgreicher Akademiker, gesettelt und zugleich unruhig. In seinen späten Vierzigern wägt er das Erreichte gegen die sich verknappende noch bevorstehende Lebenszeit, deren Ende bereits absehbar wird. Der Tod ist als Denkfigur stets präsent, ein existenzieller Cantus firmus unter allem Lebenslärm.
Tunde ist Professor für Fotografie und Kunstwissenschaft in Harvard, und was immer ihm zufällig im Alltag begegnet, was er hört oder liest oder googelt, triggert bei ihm sofort moralische Überlegungen – über Kolonialismus und Raubkunst und ganz prinzipiell die Frage, ob die Arbeit des Künstlers, namentlich des Fotografen, nicht ein unbefugtes Eindringen in das Leben anderer Menschen darstellt. Anstoß nimmt er vor allem an der ausbeuterischen Zurschaustellung afrikanischer Körper in den Bildern weißer Fotografen. „Wie lebt man, ohne andere zu besitzen? Wie lebt man, ohne das Leben der anderen zu kannibalisieren, ohne sie zu Maskottchen, Faszinosa, bloßen Begrifflichkeiten in der Logik einer dominanten Kultur zu reduzieren?“ Tunde selbst hat „eine Abneigung gegen den Raub von Gesichtern entwickelt“. Seine Fotos sind stille Porträts von unbelebten Szenarien, ganz so, wie Teju Coles eigener Fotoband „Blinder Fleck“ fast menschenleer ist.
Egal, ob Tunde mit seiner Frau Sadako in Antiquitätenläden nach afrikanischen Artefakten stöbert oder durch ein Kunstmuseum streift, immer wendet sich sein waches migrantisches Bewusstsein sofort den verdrängten Herkunftsgeschichten der Kunstwerke zu, die stets Geschichten von Plünderungen und gewaltsamer Aneignung durch weiße Kolonialherren sind.
Ein Kapitel hat die Form eines Vortrags, den Tunde im Boston Museum of Fine Arts hält. An drei Beispielen macht er seinen Zuhörern klar, wie sehr Museen vor allem Speicher imperialen Raubguts mit fragwürdiger Provenienz sind. So ist ein achtzehntägiges Massaker britischer Soldaten an der Bevölkerung von Benin dem Großraub der berühmten Bronzen vorangegangen. Tunde fragt: „Was heißt es, sich für die Kunst zu interessieren, aber nicht für die Menschen, die diese Kunst erschaffen haben?“ Und wohin Tunde in seiner Wohngegend in Neuengland auch tritt, überall stößt er auf Spuren kolonialer Kämpfe weißer Siedler gegen die Ureinwohner. Fast obsessiv wird ihm alles zum Auslöser antikolonialer Überlegungen, die aus dem Roman eine mäandernde Abfolge von lauter widerspenstigen kleinen Essays machen. Dass Teju Cole damit stärker im Trend des postkolonialen Zeitgeists liegt, als ihm lieb sein mag, könnte man seinem Roman vorhalten.
Zum Glück baut der Autor Gegengeschichten und Gegenmotive ein, womit er die Erzählwelten seines Romans entscheidend bereichert und erweitert. Auf einer Reise nach Bamako hört Tunde Live-Auftritte berühmter malischer Musiker, und dieses Erlebnis eigenständiger westafrikanischer Musik euphorisiert ihn. Er fühlt sich glücklich, „geheilt durch diese Reise.“ Und im sechsten Kapitel wechselt Teju Cole radikal Perspektive und Tonart und lässt nach dem Muster von Italo Calvinos „Unsichtbaren Städten“ in 24 Kurzmonologen Stimmen aus Lagos zu Wort kommen, ob reale oder fiktive bleibt offen. Einwohner aller Altersstufen und sozialen Schichten geben Einblicke in ihr aktuelles Leben – ganz ohne Kontext, Deutung oder Bewertung durch den Autor. Es wirkt, als würde in diesen dynamischen, bunten Vignetten die sich rasant wandelnde Millionenstadt Lagos selbst ihre Stimme erheben.
Bleibt der Romantitel. Im Buch selbst taucht das Wort „Tremor“ nirgends auf. Und doch vibriert der ganze Roman von einem untergründigen Erbeben, das nicht nur den nervösen Tunde vor seiner eigenen Verwundbarkeit erzittern lässt. An große Erdbeben in Japan, Iran und Haiti wird erinnert, durch Augenzeugen oder Filme wie Abbas Kiarostamis „Quer durch den Olivenhain“. Vielleicht ist es das Bild dieses unheimlichen Dauer-Tremolos, in dem Teju Coles Roman unsere gefährdete Nach-Moderne am überzeugendsten erfasst.
SIGRID LÖFFLER
Dem Diktat des
gängigen Stils
unterwirft er sich nicht
Der ganze Roman vibriert
förmlich von einem
untergründigen Erbeben
Der Schriftsteller, Fotograf und Kunsthistoriker Teju Cole: Kurz nach seiner Geburt 1975 in den USA kehrte seine Familie nach Nigeria zurück. Später wurde er dann wieder Amerikaner.
Foto: Regina Schmeken
Teju Cole:
Tremor.
Roman. Aus dem Englischen von Anna Jäger.
Claassen, Berlin 2024.
288 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2024

Literarische Trauerarbeit

Roman oder Manifest? Auf jeden Fall Furcht und Zittern: Teju Coles "Tremor" bescheinigt der westlichen Kultur auslöschende Arroganz.

Von Jan Wiele

Das Spätwerk Alfred Döblins wurde einmal als "literarische Trauerarbeit" bezeichnet. Bei dem 1975 in Michigan geborenen Teju Cole würde der Begriff schon zum Frühwerk passen, insbesondere zu seinem neuen Roman "Tremor". Angesichts des Titels stellt man sich einen vor Wut, Trauer und Erschöpfung zitternden Körper vor - so wie den des Erzählers Tunde vielleicht, den wir einmal in einer Rückblende sehen. Er hat da auf einer Urlaubsreise beim Anfassen eines Lichtschalters einen Stromschlag erhalten, aber nicht nur dieser lässt ihn sich, am Boden liegend, weinend schütteln, sondern auch die Verzweiflung über eine gerade zerbrechende Beziehung. Tunde ist damals mit einem Mann namens Sandro zusammen. In der Gegenwart der Erzählung lebt er mit seiner japanischstämmigen Ehefrau Sadako auf dem Campus der Universität Harvard, wo er Fotografie lehrt. Aber auch mit Sadako gibt es Krisen; eine tiefe wurde bereits durch Therapie überwunden, gerade ist sie für ein paar Tage weggefahren, um allein zu sein.

Auch mit Sadako verbindet Tunde die Erinnerung an ein Beben, wenn auch an eines, das nur sie allein erlebt hat, nämlich das verheerende Erdbeben von Kobe 1995. Sie hat es überlebt, und zehn Jahre später war sie mit Tunde zusammen in Japan am Ort des Geschehens: "Er hielt sie in seinen Armen. Es macht uns Angst, wenn geliebten Menschen beinahe etwas Schreckliches widerfahren ist, selbst wenn das Ereignis in einer Zeit lag, bevor wir überhaupt von ihrer Existenz wussten."

Das könnte ein Schlüsselsatz des Romans sein. In seiner fast grenzenlosen Empathiefähigkeit scheinen Tunde, einem Künstler und Wissenschaftler, nicht nur seine Zeitgenossen zu "geliebten Menschen" zu werden, sondern auch viele historische Gestalten, besonders solche, die unter dem Kolonialismus oder anderer Gewalt gelitten haben, seien es Indigene Nordamerikas im achtzehnten Jahrhundert oder Opfer von Serienmördern im zwanzigsten. Bisweilen wirkt es gar, als müsse dieser Tunde das Leid der ganzen Welt tragen. Und reflektieren - denn seine Erzählung fällt in die Gattung des Reflexionsromans, wie sie sich von der Romantik über den Expressionismus bis zur Postmoderne fortentwickelt und auch schon in Teju Coles bisherigem Hauptwerk "Open City" (2012) gezeigt hat. Auch hier changiert der Text zwischen Tagebuch, Vorlesung und vor allem: eingehender Exegese von Bildern. Der studierte Kunstgeschichtler Cole, selbst Fotograf und Dozent für kreatives Schreiben in Harvard, spielt in der Figur seines Erzählers auch abermals seine Gelehrsamkeit aus, ob nun in der Analyse von FBI-Videos des Mörders Samuel Little oder von Gemälden Caravaggios und Turners. Er kritisiert die tatsächlichen oder mentalen Bilder, die Menschen sich von anderen Menschen machen, und stellt die Frage, was sie überhaupt dazu berechtigt.

Damit nicht genug, ruft der Gelehrte auch Leben und Werk bedeutender Musiker von John Coltrane bis zu Ali Farka Touré auf. Die musikalischen Betrachtungen sind verflochten mit Reiseerlebnissen. Im Mittelteil führt das Buch nach Mali und Nigeria (wo Teju Cole selbst Kindheit und Jugend verbracht hat), wechselt dann auch noch perspektivisch in die Erzählungen anderer Figuren und hebt zu einer Fundamentalkritik von "Reiseliteratur" an.

Was hat das alles miteinander zu tun? Wenn etwas, dann eben nur in der Trauerhaltung des Erzählers angesichts der westlichen Kultur - dieser Oberbegriff ist keine Abstraktion des Rezensenten, sondern so basal steht es wörtlich im Buch, wenn etwa von der "auslöschenden Arroganz der westlichen Kultur" die Rede ist. An Stellen wie dieser steuert der Roman in Richtung eines postkolonialistischen Manifests.

Dabei gibt sich dessen Erzähler immer wieder als ernsthaft Suchender und durch Schmerz Lernender auf dem Weg, ein "guter Mensch" zu werden - auch diese Formulierung steht mehrfach wörtlich im Text, ja, es heißt sogar, Sadako liebe Tunde eben für seinen "Wunsch, ein guter Mensch zu sein".

In der Kunst, in der Wissenschaft und im Privaten treibt Tunde die Frage um: "Wie lebt man, ohne das Leben der anderen zu kannibalisieren, ohne sie zu Maskottchen, Faszinosa, bloßen Begrifflichkeiten in der Logik einer dominanten Kultur zu reduzieren?"

Die Antwort darauf finden die Erzählungen in der besagten Empathie, die, das wird als Ideal ganz deutlich, zwischen behutsam Liebenden, aber auch zwischen dem Dozenten und seinen Studenten und Kollegen zum Ausdruck kommen soll: "Amina, die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die im Herbst als Gasthörerin meinen Kurs besucht hatte, ist zu einer Freundin geworden. Jedes Mal, wenn ich sie auf dem Campus treffe, sagt sie zwei Dinge zu mir. Sie fragt mich, wie es meinem Herzen geht, wobei sie stets ihre Hand auf ihr Herz legt. Und sie sagt, dass sie weiß, dass ich an sie denke." Mit "sie" sind Opfer der Sklaverei gemeint.

Teju Cole hat also mit dem vorliegenden Buch auch noch einen Campusroman geschrieben - einen, der sich von den humorvollen, ironischen oder gar boshaften Exemplaren der Gattung maximal unterscheidet. "Tremor" ist ein Campusroman der aufrichtigen Herzen, der in seiner ungeschützten Emotionalität an eine untergegangene westliche Kultur erinnert: die der Hippies.

Teju Cole: "Tremor".

Roman.

Aus dem Englischen von Anna Jäger. Claassen Verlag, Berlin 2024.

288 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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