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»Krausser kann's!« Frankfurter Rundschau
Über das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Menschen zur Paarungszeit - Helmut Krausser jongliert in seinem neuen Roman mit den Mitteln einer raffinierten Soap und schafft Literatur mit Sogwirkung: Ein Großstadtkaleidoskop voller Witz und Überraschungen rückt unterschiedlichste Paare ins Licht. Da sind der Archäologe Fred Reitlinger und seine Frau Nora, ihr Liebhaber Arnie und dessen Gattin. Dann seine Doktoranden Leopold und Gerry im Streit um eine Uni-Stelle. Und Reitlingers Kinder: Alisha, 19, hat sich in ihre Kommilitonin Caro verguckt, die…mehr

Produktbeschreibung
»Krausser kann's!« Frankfurter Rundschau

Über das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Menschen zur Paarungszeit - Helmut Krausser jongliert in seinem neuen Roman mit den Mitteln einer raffinierten Soap und schafft Literatur mit Sogwirkung: Ein Großstadtkaleidoskop voller Witz und Überraschungen rückt unterschiedlichste Paare ins Licht. Da sind der Archäologe Fred Reitlinger und seine Frau Nora, ihr Liebhaber Arnie und dessen Gattin. Dann seine Doktoranden Leopold und Gerry im Streit um eine Uni-Stelle. Und Reitlingers Kinder: Alisha, 19, hat sich in ihre Kommilitonin Caro verguckt, die heimlich als Escort-Girl anschafft. Ihr Bruder Ansger dagegen ist nach einer Insolvenz verschwunden - ein Verbrechen? Caro wird ihren Liebhaber Petar nicht los, dessen Vater den Reitlingers eine Yacht verkauft, als Stützpunkt für Noras Schäferstündchen. Jeder ist mit jedem in Beziehung, Trennungen stehen bevor. Und auch Verbrennungen, nicht nur, weil mitten auf dem Wannsee ein Feuer ausbricht.

»Krausser ist ein leidenschaftlicher Erzähler, ein Künstler der Verführung.« Süddeutsche Zeitung

»Falls Woody Allen kein Drehbuch mehr einfällt - diesen Roman könnte er 1:1 übernehmen und wir würden den besten Woody-Allen-Film aller Zeiten zu sehen bekommen. Bis zu dessen Premiere sind wir froh, einen derart blitzgescheiten und witzigen Roman in Händen zu halten.« shz.online

Autorenporträt
Krausser, Helmut§Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und komponiert Musik. Von ihm erschienen u.a. »Fette Welt« (1992), »Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter« (1993), »Thanatos« (1996), »Der große Bagarozy« (1997), »UC (Ultrachronos« (2003), »Eros« (2006), »Die kleinen Gärten des Maestro Puccini« (2008), »Einsamkeit und Sex und Mitleid« (2009), »Die letzten schönen Tage« (2011), »Nicht ganz schlechte Menschen« (2012), »Gebrauchsanweisung für den FC Bayern München« (2015), »Alles ist gut« (2015), »Geschehnisse während der Weltmeisterschaft« (2018) und zuletzt »Trennungen. Verbrennungen« (2019) und »Für die Ewigkeit. Die Flucht von Cis und Jorge Jega« (2020) sowie der Lyrikband »Glutnester« (02/2021). Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt und seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2019

Lustschreie aus dem Keller
Dekadente Bürgerlichkeit im Fitnessraum der Gegenwart: Helmut Kraussers satirischer Liebesroman "Trennungen. Verbrennungen"

Nora und Frederick Reitlinger sind ein Ehepaar aus besseren Verhältnissen. Ihn darf man sich als eine Art Jan Assmann der Berliner Archäologie vorstellen, sie als attraktive Hausfrau, wohnhaft in schöner Lage am Wannsee. Sie besitzen eine kleine Yacht, die in heimischen Gewässern ankert. Außerdem betreiben sie einen Salon und haben zwei erwachsene Kinder. Sie sind die platonischsten Freunde der Welt. Denn Fred hatte eine Prostata-Operation und kann Noras sexuelle Unternehmungslust nicht mehr parieren. Weswegen Nora sich mit dem Einverständnis ihres Mannes mit Arnie, einem verheirateten Hotelier, im Fitnessraum vergnügt. Die Ehe ist davon aber in keiner Weise tangiert. Hier weiß jeder, wo er hingehört, und geht dorthin auch wieder zurück. Wenn Fred und Nora beratschlagen, was man der Tochter antwortet, die Lustschreie aus dem Keller gehört haben will, endet das richtig romantisch: "Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch. Oh ja, fürwahr!"

Sohn Ansger ist ein Kokser, der Papis Geld unwiederbringlich in einen Firmentreibsand gesetzt hat. Tochter Alisha ist eine vorwitzige Studentin, die sich den Schädel rasiert, aber wohl nicht die Beine. Krausser lässt sie als furiose Verächterin von Kapitalismus, Patriarchat und Penetration auftreten. Sie ist ein interessant rebellischer Romancharakter, doch der Autor lässt sie auf genüssliche Weise an ihren eigenen Ansprüchen scheitern.

Nun müssen noch vorgestellt werden: Gerd Bronnen und Leopold Kniedorff, Fredericks Lieblingsdoktoranden, die jeweils mit ihren Freundinnen Sonja und Iris um die Wette schleimen. Schließlich gibt es noch Caro, Alishas ziemlich beste Freundin. Sie ist eine Kommilitonin im Fach Politologie und wohnt in einer Sozialbausiedlung in Potsdam-Schlaatz. Alisha klebt an ihrer unabhängigen Freundin. Caro finanziert ihr Studium selbst - wie sich bald herausstellt, mit Escort Service, was Alisha nicht weiß. Denn wenn sie es wüsste, müsste sie es ja gemäß ihrer Alice-Schwarzer-Doktrin verachten. Neben dem Lernen vergnügt Caro sich recht freizügig mit dem etwas einfältigen Gebrauchtwagenhändlersohn Petar. Alisha hingegen, lernt der Leser, hat noch nie einen Orgasmus erlebt, sondern nur vorgetäuscht, und zwar ausgerechnet beim Fummeln mit der besten Freundin. So recht will sie aber auch keine Lesbe sein. Der Leser sieht also ständig ein ungleiches Freundinnenpärchen vor sich: eine Femme fatale und ein Enfant terrible. Das ergibt trotzdem noch keine Amour fou. Die Freundschaft der beiden ist so wenig plausibel wie die Darstellung des Ehepaars Reitlinger. Der Mann gönnt seiner Liebsten den Liebhaber von ganzem Herzen. Er will auch immer wissen, wo der Ehebruch stattfindet - aus Sorge, versteht sich.

Helmut Krausser ist bekannt für seine satirischen Gesellschaftsromane. "Trennungen. Verbrennungen" erfüllt die Anforderungen dieser Gattung. Denn wie hier mit allen handwerklichen Tricks - Schlagabtausch, Cliffhanger, Situationskomik - eine Story entwickelt wird, hat Sogkraft. Zumal nach und nach das Leben dieser Problemdarsteller immer verwickelter wird. In einem von Caros Freiern erkennt Alisha einen Doktoranden ihres Vaters. Dieser Leo entpuppt sich als Psychopath. Zuletzt kommt auch Arnies biedere Ehefrau ihrem Mann auf die Schliche und ortet ihn via HandySpyware in einem Edeka beim Milchkaufen mit Nora Reitlinger. Erklären kann sie sich das nicht.

Da in diesem Roman zwar alle so tun, als seien Geheimnisse etwas für Spießer, überrascht es nicht, dass sie sich nach Strich und Faden belügen. Die liberale Bürgerlichkeit ist nicht weniger gruselig als der bürgerliche Konservatismus, den die Wannseebagage überwunden zu haben glaubt. Auch hier werden die Probleme unter den Teppich gekehrt nach alter Väter Sitte - etwa Ansgers im Buch steril protokollierter Selbstmord. Ein tragisches Ereignis, das Krausser nur insofern interessiert, als es ihm erzähltechnisch als Servierplatte dient. Denn was eignet sich besser für Skandale als eine Beerdigung? Hier können endlich alle Romanfiguren die Contenance verlieren.

Zu denken geben einem Kraussers Frauen. Denn keine einzige macht eine gute Figur in diesem Beziehungskarussell. Entweder sie sind frigide. Oder vulgär, so wie Caro. Jedenfalls bringt die Escort-Studentin die Trauergemeinde ins Schwitzen: "Die pure Möglichkeit, eine Prostituierte vor sich zu haben, folglich ihren Körper womöglich selbst einmal mieten zu können, wirkte auf einige Männer wie Adrenalin." Alisha wiederum, die übereifrige Kritikerin des Patriarchats, wird von Krausser zu einer völlig inkompetenten Figur degradiert: ein dickliches Mädchen mit Haaren unter den Achseln, das es nicht mal zum lesbischen Sex bringt und am Ende noch in ihrer Systemkritik kläglich versagt, da sie ihr Studium schmeißt und fortan vom Geld ihrer Eltern an einem Romanerstling arbeitet. Dann gibt es noch Jule, Ansgers Verlobte, die den Reitlingers das Geld aus der Tasche ziehen will. Und Nora Reitlinger, die sexuell (immerhin) selbstbestimmte Hausfrau.

Man kann diesen Roman durchaus amüsant finden. Aber auf wessen Kosten? Feministische Frauen jedenfalls scheinen Helmut Krausser große Angst zu machen. Über eine Ausstellung, die Leo mit Iris besucht, heißt es abfällig, sie habe bei ihrer Konzeption noch "Erotische Kunst" geheißen, sei aber später, "um Skandal und Kasse zu machen", in "Sexistische Kunst" umbenannt worden. Interessante These. Doch leider findet sie Krausser so interessant nun auch wieder nicht. Jedenfalls fängt er über das Ressentiment hinaus nichts damit an. Will der Autor mit diesem Buch nur dem lesenden Patriarchat das Geld aus der Tasche zeihen? Oder ist es ein Hilfeschrei?

KATHARINA TEUTSCH

Helmut Krausser:

"Trennungen. Verbrennungen" Roman.

Berlin Verlag, München/Berlin 2019. 254 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Den Herrlich-und Trostlosigkeiten des Liebeslebens spürt Krausser genau nach, augenzwinkernd, aber auch bissig und mit scharfem Blick für die Details. Im Grunde genommen gar nicht so lustig, hier aber gottlob immer wieder zum Totlachen." Shirin Sojitrawalla Wiener Zeitung 20190419