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Ein junger Kriegsfotograf kehrt aus den Bergen Kurdistans als ein anderer Mensch nach New York zurück. In seinen Erinnerungen klafft eine Lücke. Seine spanische Freundin Elena versucht, ihn ins Leben zurückzuholen und ihre Liebe zu retten. Scott Andersons bewegender Roman über die Folgen des Krieges läßt den Leser nicht so schnell wieder los.

Produktbeschreibung
Ein junger Kriegsfotograf kehrt aus den Bergen Kurdistans als ein anderer Mensch nach New York zurück. In seinen Erinnerungen klafft eine Lücke. Seine spanische Freundin Elena versucht, ihn ins Leben zurückzuholen und ihre Liebe zu retten. Scott Andersons bewegender Roman über die Folgen des Krieges läßt den Leser nicht so schnell wieder los.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.1999

Andalusien, mon amour
Im Dreischritt: Scott Anderson läutert einen Kriegsfotografen

Zwanzig Jahre ist es her, daß Susan Sontag die Fotografie im allgemeinen und den Fotojournalismus im besonderen der Doppelmoral bezichtigte. Welches Grauen die Kamera auch zeige, die Fotografie rüttele unser Gewissen nicht nur wach, sondern töte es ab, so lautete ihr Vorwurf. Von der Aktualität dieser Kritik ist Scott Andersons Roman "Triage" beeinflußt. Anderson ist Kriegsberichterstatter und kennt den von Sontag beschriebenen Voyeurismus des Reporters, der sich um der Nachricht willen auch in unmittelbar ansichtiges Leid nicht einmischt, aus eigener Erfahrung. Die Unerträglichkeit dieser déformation professionelle stellt die Motivation für diesen Debütroman dar. Bekenntnisliteratur hat Anderson dennoch nicht verfaßt. Sein Roman ist ein Beleg für die Fruchtbarkeit der traditionellen Liaison zwischen Literatur und Journalismus in Amerika. Spannend bis zur letzten Seite, handelt die penibel konstruierte Geschichte vom wiedererwachenden moralischen Gewissen eines Kriegsfotografen.

Jahrelange Routine hat den einunddreißigjährigen Mark Walsh ein Opfer berufsbedingter Selbsttäuschung werden lassen. Daß kein Mensch pausenlos Kriegsgreueln nachstellen kann, ohne seelische Verletzungen davonzutragen, will der erfolgreiche Draufgänger nicht mehr wahrhaben. Erst ein dramatisches Ereignis macht ihm die verdrängten, unbewußt dennoch bedrängenden Schreckensbilder wieder zugänglich. Während eines Einsatzes in Kurdistan gerät er in einen Hinterhalt, wird verletzt, im Krankenlager von Rebellen gepflegt und schließlich als geheilt entlassen. Zurück in New York, werden seine Beine täglich schwerer, bis er sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen kann. Physiologische Ursachen für eine Lähmung liegen nicht vor.

Währenddessen bleibt Marks Kollege und bester Freund Colin, der ihn bei dem Feuerangriff begleitete, auf rätselhafte Weise verschwunden. An die Vorgänge im Kriegsgebiet hat der depressiv schweigende Mark keine Erinnerung mehr. Rettung verspricht Jaoquín, der fast achtzigjährige Großvater seiner spanischen Frau Elena, der mit der Behauptung, er könne Mark kurieren, von Granada nach New York eilt. Am Ende stellt der Alte den Jungen tatsächlich auf die Beine.

Der Leser ahnt schnell, daß Colin bei dem Feuergefecht in Kurdistan ums Leben kam und Marks Lähmung auf einem verdrängten Schuldgefühl beruht, das mit dem Tod des Freundes zusammenhängt. Die Rekonstruktion der schuldauslösenden traumatischen Ereignisse bestimmt das Hauptgeschehen des Romans. Doch steht weniger der Klient als der zwielichtige Therapeut im Mittelpunkt der kathartischen Ereignisse. Seine Vertrautheit mit dem Unheil ist das Motiv, das Joaquín dazu bewegt, dem von Gewissensqualen erschütterten Mark als Heilsbringer beizustehen: zum Fachmann für das Böse im Menschen empfiehlt ihn, daß er selbst nicht frei von moralischer Schuld ist. Während des spanischen Bürgerkriegs hat der redselige Mann im Auftrag der Falangisten in einer speziell eingerichteten Klinik von ihren Greueltaten traumatisierte Offiziere psychologisch betreut. Für seine im Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen tätige Enkelin war diese - von ihr als Parteinahme für das Franco-Regime gedeutete - "Läuterung von Kriegsverbrechern" lange Jahre der Grund, sich von Joaquín fernzuhalten.

Dessen alte Wirkungsstätte in Andalusien wird für das Trio zum Ort des Erwachens. Dort verwischen sich die Grenzen zwischen Schuld und Unschuld, Gut und Böse, und nicht nur Mark, sondern auch Elena und Joaquín widerfährt ein dramatischer Bewußtwerdungsprozeß. Das Verhältnis von Enkelin und Großvater läutert sich, und Joaquín bekennt in dem Maße, in dem Marks Erinnerungen wiederkehren, seine wahrhaft atemberaubende Vergangenheit.

Am Ende dieser Seelenreise bricht die kollektive Versöhnung freilich allzu plötzlich herein. Joaquíns kulturphilosophische Suada über die Bestie im Zivilisationsmenschen hätte weniger penetrant ausfallen dürfen. Immerhin hat Anderson mit diesem diabolischen "Fachmann für die Seele" eine für die Gewaltsamkeit dieses Jahrhunderts typische Figur gezeichnet. Sowohl die Verwirrung der moralischen Gefühle als auch deren Katharsis verläuft in kluger Komposition nach Maßgabe der Ziffer Drei. Entsprechend dem - im kurdischen Krankenlager praktizierten - Modell der Triage, das Verletzte in drei Gruppen einteilt, den hoffnungslos erscheinenden Fällen jedoch keine Hilfe zukommen läßt, häuft sich Schuld an. Im selben Dreischritt, in dem die vollständige Erinnerung an die Umstände von Colins Tod zurückkehrt, wird sie auch abgetragen.

Ganz sättigend ist Andersons solides, gut übersetztes Handwerksstück über die Sehnsucht nach Schuldfreiheit nicht. Daß Marks Profession zuletzt kaum handlungsbestimmend ist, wirkt sich als bedauerlicher Substanzverlust aus. Zu der folgerichtigen Kritik am Medium kommt es ebensowenig wie zu dem ernsthaften Versuch, Marks Passion für die Kriegsfotografie an dem antizivilisatorischen Potential zu messen, von dem sein Therapeut so gerne spricht. Soviel Selbstkritik wollte Anderson dem eigenen Berufsstand offenbar nicht zumuten. Seinem intelligenten Psychodrama tut das zwar keinen Abbruch. Der von manchen amerikanischen Rezensenten strapazierte Vergleich ist dennoch überflüssig: Nicht jeder Kriegsberichterstatter, der Spanien zitiert, ist ein zweiter Hemingway.

THOMAS MEDICUS

Scott Anderson: "Triage". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Chris Hirte. Alexander Fest Verlag, Berlin 1999. 298 S., geb., 39,80 DM.

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