In der Tragödientheorie von der Antike bis zur Gegenwart fehlt bislang eine Auseinandersetzung mit der Kategorie der Scham - ihr kommt, im Unterschied zur extensiv behandelten Kategorie der Schuld, kaum Beachtung zu. Zwar gilt Schuld als der edlere, ethisch wertvollere und für »das Tragische« maßgebliche Affekt, doch ist es eigentlich die Scham, die in Kulturtheorien so eng mit dem für die Tragödie leitenden Konzept autonomer Subjektivität und deren existenzieller Beschädigung verbunden wird, denn Scham betrifft immer die ganze Person. Um 1800 entstand überdies mit der Philosophie des…mehr
In der Tragödientheorie von der Antike bis zur Gegenwart fehlt bislang eine Auseinandersetzung mit der Kategorie der Scham - ihr kommt, im Unterschied zur extensiv behandelten Kategorie der Schuld, kaum Beachtung zu. Zwar gilt Schuld als der edlere, ethisch wertvollere und für »das Tragische« maßgebliche Affekt, doch ist es eigentlich die Scham, die in Kulturtheorien so eng mit dem für die Tragödie leitenden Konzept autonomer Subjektivität und deren existenzieller Beschädigung verbunden wird, denn Scham betrifft immer die ganze Person. Um 1800 entstand überdies mit der Philosophie des Tragischen eine Auffassung der menschlichen Existenz, die die der Tragödie entnommene Schuldkonzeption anthropologisiert und universalisiert. Das Buch erörtert aktuelle kulturtheoretische Ansätze zu Scham und Schuld und nimmt sie zur Grundlage einer Neuinterpretation bedeutender Tragödien von Friedrich Schiller (»Die Jungfrau von Orleans«, »Die Braut von Messina«) und Heinrich von Kleist (»Die Familie Schroffenstein«, »Penthesilea«).Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Literatur-Kultur-Geschlecht, Kleine Reihe Band 030
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Autorenporträt
Claudia Benthien ist Professorin für Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Gender-Forschung im Rahmen kulturwissenschaftlicher Ansätze in der Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg.
Inhaltsangabe
I. Einleitung Theater und Tribunal
- Historische Affektkulturen in der Tragödie
- Scham und Schuld in der Tragödie um 1800
- Dialogizität und Agonalität in der'Deutschen Klassik'
- Repräsentation von Affekten
- Zu diesem Buch & Danksagung
II. Kulturtheorien von Scham und Schuld
2.1 'Schamkulturen' und 'Schuldkulturen' .
Aktuelle Konflikte in Affektkulturen
- Shame cultures und guilt cultures
- Kritik und Heuristik des kulturtheoretischen Modells
- Besonderheiten fiktionaler Affektkulturen
2.2 Differenzierungen von Scham und Schuld .
Entstehung und Relation der beiden Affekte
- Scham-'Selbst' versus Schuld-'Handlung'
- Emotionen des self-assessment
- Wahrnehmung, Raum und Zeit
- Scham-Schuld-Zyklen: Das Mythem von Kain und Abel
2.3 Theorien der Schuld Transformation von Scham in Schuld in der alttestamentlichen Genesis
- Paradigma Ödipus: Schuld in der antiken Tragödie
- 'Schuldlos schuldig': Philosophie des Tragischen um 1800
- "Schuldbewußtsein" und KulturÜber- Ich
- Die Instanz des Gewissens
2.4 Theorien der Scham Scham, Maske, Anti-Theatralität
- Tödliche Scham: Jean Racines Phädra
- Scham und Blick: Das visuelle Feld als Kampfzone
- Psychoanalyse des Schamaffekts
- Scham und Selbstreflexivität
- 'Schamhaftigkeit' um 1800
III. Tragödien um 1800
3.1 'Mittelalterliche' Affektkulturen I - Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Tragödientheoretische Ambivalenzen
- Das Charisma der Jungfrau: Selbstheroisierung als Hybris
- "Fremder Ketten Schmach": Beschädigte Kriegerehre und versehrte Genealogie
- Der Blick als delophiles und theatophiles Ereignis
- Der innere Gerichtshof des Gewissens
- Tribunal der zentripetalen Blicke
- Verhüllung in Fahnen: Allegorisierung der Unschuld
3.2 'Mittelalterliche' Affektkulturen II - Heinrich von Kleist: Die Familie Schroffenstein Schicksalsdrama, Zufallstragödie - oder Parodie?