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Sie heißen Robert, Jürgen oder Sylvia. Sind Klempner und Kellnerinnen, Professorensöhne und Barcelona-Urlauber, gewöhnliche Seitenspringer, harmlose Trinker. Bis sich in ihrem Leben jener Spalt auftut, wo Begierde und Gewalt hervortreten, und sie ganz plötzlich Teil der spektakulären Vorfälle sind, die in seriösen Zeitungen unter "Vermischtes" stehen. Jochen Rausch fokussiert in Trieb den Punkt, wo die kleinen Macken und größeren Leidenschaften zum tödlichen Exzess führen. Wo die extremen Handlungen möglich und folgerichtig erscheinen. Und oft genug die Grenzen zwischen Opfern und Verbrechern…mehr

Produktbeschreibung
Sie heißen Robert, Jürgen oder Sylvia. Sind Klempner und Kellnerinnen, Professorensöhne und Barcelona-Urlauber, gewöhnliche Seitenspringer, harmlose Trinker. Bis sich in ihrem Leben jener Spalt auftut, wo Begierde und Gewalt hervortreten, und sie ganz plötzlich Teil der spektakulären Vorfälle sind, die in seriösen Zeitungen unter "Vermischtes" stehen. Jochen Rausch fokussiert in Trieb den Punkt, wo die kleinen Macken und größeren Leidenschaften zum tödlichen Exzess führen. Wo die extremen Handlungen möglich und folgerichtig erscheinen. Und oft genug die Grenzen zwischen Opfern und Verbrechern verschwimmen. Rausch changiert zwischen den unterschiedlichen Perspektiven wie auch zwischen Nähe und Distanz. Er zoomt sich an seine Figuren heran und verstört uns zugleich mit der Radikalität ihres Tuns. So sind 13 Storys entstanden, die mit ihrer Wahrhaftigkeit aufwühlen und mit ihrer Direktheit faszinieren. Und das in einer Sprache, die nichts braucht als Präzision und die Plausibilität des Geschehens.
Autorenporträt
Jochen Rausch ist Journalist, Autor und Musiker. Seit 2000 ist er Programmchef von Radio 1LIVE, Köln. Zuletzt brachte Rausch mit seinem Musikprojekt Lebendigital die musikalische Bearbeitung von Gedichten des Popliteraten Jörg Fauser (Fausertracks, 2006) sowie gemeinsam mit Udo Lindenberg das Spoken Song-Projekt Lindenberg tracks (2008) heraus. Als Journalist arbeitete Jochen Rausch viele Jahre für Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen. Ein Schwerpunkt war die Gerichtsreportage. Rausch berichtete aus zahl reichen Mordprozessen, darunter auch Verfahren gegen Serienmörder und SS-Täter. Jochen Rausch lebt in Wuppertal und findet es auch ganz gut da.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2011

Tote ohne Requiem
Geheimes Deutschland: „Trieb“-Storys von Jochen Rausch
In den Nachrichten hört man nichts von solchen Taten: Dass ein Paar einen Bauern in seinem Stall zerlegt, ganz akkurat alle Glieder abtrennt und sie dann wie ein Kunstwerk drapiert zwischen den Schweinen zurücklässt – sein Gemächt auf einem Teller mit Goldrand, seine Augen auf eine Mistgabel gesteckt. „Saw Germania“, gibt es das? Jochen Rausch jedenfalls erzählt davon. Der Programmchef von „Radio 1Live“ beim WDR arbeitete lange als Gerichtsreporter und hat nun 13 Erzählungen versammelt, die ein Thema umkreisen, das einst – in der Zeit von George Grosz, Gottfried Benn und Fritz Lang – mal sehr deutsch war, seit einigen Jahrzehnten aber mehr vom Hollywood-Horror ausgemalt wird: das ewig präsente Lauern enthemmter Aggression unter der dünnen Haut der Wohlanständigkeit.
„Trieb“ nennt Rausch seine Geschichtensammlung – auch so eine schwelende Vokabel, die seit der Erfindung der Psychoanalyse an Neutralität gewonnen hat, aber ihr Unbehagen im Sprachgebrauch doch nie verliert. Und diese Ambivalenz ist es, der Jochen Rausch in seinen Erzählungen von Affektmorden nachspürt. Systematische Analytiker – etwa Therapeuten und Kriminalbeamte – sowie geschockte Mitmenschen leihen dem Autor ihre unterschiedlichen Ansichten, um die Motive von Menschen zu erfassen, die, obwohl aus Leidenschaft, scheinbar kaltblütig morden.
Eine Frau, die nach einer Kurzaffäre auf einer griechischen Insel den flüchtigen Liebhaber erst belästigt, dann terrorisiert, ihm hinterherzieht und schließlich seine Kinder in der Sandkiste umbringt; ein stumpfer Tresenalkoholiker, der seine nette Nachbarin erschlägt, weil sie ihm ausgerechnet dann kein Geld mehr leihen will, als in seiner Kneipe zwei Frauen mit ihm schäkern; oder der merkwürdige Heidelberger Student, der sich in eine geistig zurückgebliebene Kellnerin in Tirol verliebt, doch sie langsam mit Thallium vergiftet, als sie einen Bauern nimmt; dies sind die Charaktere, mit denen Jochen Rausch in seinen 13 Geschichten das Misstrauen gegen eine Wahrnehmung schürt, die unsere Zivilisation für gefestigt und psychologisch stabil hält.
Obwohl in diesem Buch brave Unternehmer vorkommen, die als Cowboy verkleidet Pferde penetrieren, Geldadel, der Prostituierte auspeitscht und angekettet an der Heizung vergisst, und Ärzte, die ihre Familie anzünden, sind diese erfundenen Reportagen weder reißerisch noch anklagend. Rausch sucht Mitgefühl durch Sachlichkeit. Ihn interessieren die Masken, hinter denen die Menschen ihr Leid verbergen, und die große Diskrepanz zwischen dem Tages- und dem Hassgesicht. Er beschreibt die Gefühle der Täter in der gleichen Kühle wie die Fassungslosigkeit der Zeugen und manchmal auch die arglosen Empfindungen der Opfer, eine Temperatur, die gelegentlich an Bret Easton Ellis’ Romane über amerikanische SocietyZombies erinnert.
So wie Rausch aus den widersprüchlichen Einschätzungen eine letztlich nüchterne Bestandsaufnahme des Ungeheuerlichen montiert, spielt die Schuldfrage allerdings nie eine Rolle. Es gibt „das Böse“ in dieser Autopsie menschlicher Tragik an keiner Stelle. Mit Krimi hat dieses Kabinett der Getriebenen deshalb so wenig zu tun wie mit moralischer Verurteilung. Was Jochen Rausch hier kunstvoll auseinandernimmt, ist die unhaltbare Vorstellung, es gäbe eine Normalität – vor allem in Paarbeziehungen.
Das wirklich Besondere an diesem schmalen Zyklus der Skepsis sind allerdings weniger die überraschenden Täterprofile als die Form der Annäherung. Wie ein literarischer Gestaltwandler wechselt Rausch die Häute und Ich-Perspektiven der deutschen Soziokultur mit einer Leichtigkeit, die von einer sehr genauen Menschenkenntnis zeugt.
Der ehemalige Hartz-IV-Empfänger, der seiner Frau angewidert von entregelten Sektempfängen an der Hamburger Elbchaussee erzählt, für die er jetzt arbeiten muss, wird ebenso mit wenigen Strichen plastisch wie die unglückliche Gefängnistherapeutin, die einer Kindsmörderin einen Kuli in den Bauch rammt, oder der blendend aussehende Autotester. Schnörkellos und dabei vielstimmig komponiert Rausch mit seinen Figuren ein fast soziologisches Porträt der deutschen Gesellschaft, das trotz der vielen Toten kein Requiem wird.
Denn die Morde aus Leidenschaft, Hass, Rache oder Überheblichkeit schaffen nur einen Fluchtpunkt, auf den hin diverse menschliche Sehnsüchte in ihrem Recht und ihren Grenzen beschrieben werden. Sehnsüchte nach Glück, nach Freiheit, nach anständigem Benehmen, aber auch nach Entgrenzung und Lustbefriedigung. In der großen Themenbreite seiner Geschichten, die letztlich alle aus Randfiguren komponiert sind, gelingt es Rausch außerordentlich pointiert, vom geheimen inneren Leben der Deutschen zu erzählen. Und dort gilt die Selbstkontrolle offensichtlich so wenig, dass man den Alltag schon fast als Exil der Vernunft begreifen muss. Vorsicht also bei souveränem Verhalten! Es ist vielleicht nur ein Teller mit Goldrand. TILL BRIEGLEB
JOCHEN RAUSCH: Trieb. 13 Storys. Berlin Verlag, Berlin 2011. 210 Seiten, 18,90 Euro.
Society-Zombies gibt es nicht
nur bei Bret Easton Ellis,
sondern auch an der Elbchaussee
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach dieser Lektüre hält Till Briegleb die Augen offen: Das geheime Leben der Deutschen lauert überall, und es ist fürchterlich. Was der ehemalige Gerichtsreporter Jochen Rausch ihm in dreizehn (!) Erzählungen anhand von Inspektoren-, Therapeuten- und Zeugenaussagen mitteilt, hat mit Wohlanständigkeit nichts zu tun. Penetrierte Pferde, ausgepeitschte Prostituierte und hingemeuchelte Ehepartner - von Rausch alles hübsch nüchtern präsentiert, und, wie Briegleb irgendwie erleichtert feststellt, ohne die lästige Frage nach der Schuld. So weit, so normal. Wirklich erstaunlich aber erscheint dem Rezensenten die Menschenkenntnis, mit der der Autor hier die unterschiedlichsten Soziotypen durchspielt, vom Hartz-IV-ler bis zum Unternehmer. Fast schon ein gesamtgesellschaftliches Porträt, freut sich Briegleb.

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