»Tape Mark I« (1961) von Nanni Balestrini gilt als erstes Gedicht, das je auf einem Computer geschrieben wurde. Der Autor verfolgte jedoch einen radikaleren Plan: Er wollte am Rechner einen Liebesroman verfassen, in seine Bestandteile zerlegen und diese willkürlich kombinieren. 1966 erschien sein Tristano bei Feltrinelli - als »normales« Buch mit 10 Kapiteln zu jeweils 30 Abschnitten in einer festgelegten Reihenfolge. Vier Jahrzehnte später erlauben es die Fortschritte der digitalen Drucktechnik, das Buch so zu veröffentlichen, wie der Autor es ursprünglich geplante hatte: Per Computer werden aus den 30 Abschnitten der 10 Kapitel jeweils 20 ausgewählt und in eine neue, zufällige Reihenfolge gebracht. Somit ist jedes der 2.000 Exemplare dieser deutschen Originalausgabe ein Unikat. Alle Bände sind auf dem Umschlag fortlaufend nummeriert. Die ersten 5.999 Tristano-Romane sind in italienischer Sprache bei Derive Approdi (Rom) erschienen. Die deutsche Ausgabe beginnt mit der Nummer 6.000 und endet mit der Nummer 7.999. Im Anschluß sind englische und französische Ausgaben geplant.Mit einem Vorwort von Umberto Eco und einem Nachwort von Peter O. Chotjewitz.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Aureliana Sorrento findet, dass dieser neu aufgelegte - und in Anbetracht der heutzutage zur Verfügung stehenden digitalen Drucktechnik erstmals ganz im Sinne des Autoren Nanni Balestrini realisierte - Roman von 1966 ein spannendes Zeitdokument ist, der auch die revolutionären Umtriebe der Zeit seiner Entstehung reflektiert. Ob Sorrento darüber hinaus auch Vergnügen an der Lektüre hatte, bleibt jedoch etwas offen. Aufgrund seiner wechselnden Struktur - bei jedem Druck werden die einzelnen Abschnitte der Kapitel neu angeordnet, jedes Buch wird so zum Unikat - kann man als Leser in den Augen der Rezensentin weder einem "Plot noch einer Figurenentwicklung" folgen, sondern nur einzelnen "Augenblicken mehr oder weniger intensiver Wahrnehmung". Nach Meinung der Rezensentin ragen besonders jene Sätze aus dem Text heraus, die einem "inneren Monolog zu entstammen scheinen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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