Was wir als "klassische Moderne" bezeichnen, ist meist nur die unzulässige Verkürzung des Neuen Bauens auf die ästhetische Erscheinung: kubisch, schmucklos, weiß. Kristiana Hartmanns "trotzdem modern" schildert dagegen die kultur- und sozialpolitische Verflechtung der Moderne in ihrer ganzen Vielschichtigkeit. Das bislang in der Rezeption vernachlässigte Streitgespräch innerhalb der Moderne - von der Autorin aus Fachzeitschriften und Kulturblättern ausgewählte und kommentierte Beiträge, die nicht zuletzt den aktuellen Versuch als mehr als fragwürdig erscheinen lassen, die Architekturgeschichte der Moderne aus der Perspektive der Konvention und im Interesse einer Rehabilitierung der entschiedensten Gegner des Neuen Bauens zu revidieren - wird in "trotzdem modern" erstmalig dokumentiert. Es macht anschaulich, daß Selbstzweifel, Selbstkritik und Kurskorrekturen einen wichtigen Stellenwert in der Auseinandersetzung besaßen. Die chronologisch gruppierten Dokumente 1919 - 1923, 1924 - 1928, 1929 - 1933 berichten über den Verlauf der Architekturdebatte ebenso wie darüber, was die Diskussionsteilnehmer trennte und was sie verband. Schließlich enthält die Anthologie übergeordnete Texte 1918 - 1934 zu den Themen Lehren aus der Geschichte, Blick über die Grenzen, Wohnung/ Wohnkultur, Typ/ Serie.Die Geschichte der modernen Architektur in Deutschland soll - dies ist die Intention des Buches - neu gelesen werden. Eine undoktrinäre Lesart der Moderne, die das Widersprüchliche zuläßt, soll Architekturgeschichtsschreibung und Architekturpraxis animieren, den Wert der Revidierbarkeit und des Differenzierens ernst zu nehmen. Im Mut zur Revidierbarkeit liegt die Chance zur Korrektur. Die differenzierte Rezeption der Moderne ist keine historische l'art pour l'art-Übung; sie kann die aktuelle Diskussion stimulieren und den Architekten ihre vielschichtigen Aufgaben vor Augen führen."trotzdem modern": Statt einer konzertierten Liquidierung aller utopischen Hoffnungen ein Plädoyer für eine