Leo Trotzki gehörte zu den schillerndsten Gestalten der Geschichte. Noch heute hält sich hartnäckig die Mär, Trotzki sei ein imperialistischer Verräter der Oktoberrevolution gewesen. Die rasche Tilgung der Fotografien (u.a. mit Lenin) und seines Namens wirkt bis heute: Man hat ihn vergessen. 1879
wurde Trotzki als Leo Davidowitsch Bronstein geboren, wegen politischer Tätigkeit wird er verbannt,…mehrLeo Trotzki gehörte zu den schillerndsten Gestalten der Geschichte. Noch heute hält sich hartnäckig die Mär, Trotzki sei ein imperialistischer Verräter der Oktoberrevolution gewesen. Die rasche Tilgung der Fotografien (u.a. mit Lenin) und seines Namens wirkt bis heute: Man hat ihn vergessen. 1879 wurde Trotzki als Leo Davidowitsch Bronstein geboren, wegen politischer Tätigkeit wird er verbannt, nach 1917 mehrfacher Volkskommissar, 1925 erfolgt die Absetzung von allen Ämtern, 1928 beginnt seine erneute Verbannung. Nach einer erzwungenen wie leidvollen Odyssee durch viele Länder, wird er im Sommer 1940 in Mexiko von Stalins Schergen erschlagen. Trotz aller Widrigkeiten blieb er ein begnadeter Redner und exzellenter Schreiber sowie ein eloquenter Verfechter der permanenten Revolution.
Wolkogonow bemüht sich erst gar nicht in die übergroßen Fußabdrücke von Isaac Deutscher zu treten. Dessen Trotzki-Biografie gilt als Meisterwerk, das schwer einzuholen ist. Zu überholen ist es, um den alten Kalauer zu gebrauchen, erst recht nicht. Wolkogonow setzt beim Leser Wissen voraus, um daran mit unterkühltem Esprit anzuknüpfen. Enorm hilfreich ist der von ihm aufbereitete Anhang mit weiterführenden Lesetipps und einem ausführlichen Personenregister. Diese Bündelung von Namen und Lebensläufen führt dem interessierten Leser mit wenigen Zeilen die ganze Dramatik der damaligen Zeit vor Augen. Wolkogonow nutzt ausgiebig seinen Vorteil, indem er sich jener Quellen bedient, die I. Deutscher noch verschlossen waren. Es bleibt abzuwarten, was die Archive verraten, die in naher Zukunft von der Bürde der Geheimhaltung entbunden werden. Das macht Geschichte mitunter ja so spannend: je entfernter diverse Ereignisse im Zeitstrahl liegen, umso begehbarer werden die Landschaften, da die Instrumente zu deren Erkundung endlich griffbereit sind.
Wolkogonow geht auf sämtliche Geschehnisse ein, die Trotzki zeitlebens trieben, bis ihn das System, welches er maßgeblich aufgebaut hatte, als einen Getriebenen geißelte. Zum Kern der Person Trotzki stößt Wolkogonow eher sporadisch. Manchmal erliegt er dem Charme und der Schläue seines Protagonisten, dann wieder fühlt er sich von dessen schroffen Urteilen und brutalem Vorgehen abgestoßen. Wolkogonows bemüht sachlicher wie steifer Ton fällt besonders dann ins Gewicht, wenn er Textstellen aus dem reichen Fundus von Trotzki zitiert. In den angeführten Passagen sprühen die Funken, die bei Wolkogonow fehlen. Was wiederrum unlauter ist, dies als Kriterium anzuführen, da Trotzki, wie bereits erwähnt, ein wirklich begnadeter Schreiber war. Und wenn es um seine Person ging, entfachte er gern mal ein Feuerwerk.