Sensationslust folgt überall den gleichen Regeln: Schön ist interessanter als hässlich, reich spannender als arm, und nichts geht über einen ermordeten Star. Ein abgründiger Krimi über den Kontrast zwischen glamouröser Fernsehwelt und einem Brasilien, das im Chaos versinkt.
Tatort São Paulo: Bei einer Theatervorstellung erschießt sich der Serienstar Fábbio Cássio auf der Bühne. Schnell ist der Kriminaltechnikerin Azucena klar, dass dieser Selbstmord in Wahrheit ein geschickt inszenierter Mord ist. Zunächst fällt ihr Verdacht auf die Ehefrau des Toten, die zur Tatzeit Kandidatin einer Reality-Show ist und deren Beliebtheitswerte beim Publikum nach Fábbios Tod in die Höhe schnellen. Und während Azucena noch um das Sorgerecht für ihre Töchter kämpft, wird sie mit einem skrupellosen Mörder konfrontiert, der es am Schluss auf die Ermittlerin selbst abgesehen hat.
Tatort São Paulo: Bei einer Theatervorstellung erschießt sich der Serienstar Fábbio Cássio auf der Bühne. Schnell ist der Kriminaltechnikerin Azucena klar, dass dieser Selbstmord in Wahrheit ein geschickt inszenierter Mord ist. Zunächst fällt ihr Verdacht auf die Ehefrau des Toten, die zur Tatzeit Kandidatin einer Reality-Show ist und deren Beliebtheitswerte beim Publikum nach Fábbios Tod in die Höhe schnellen. Und während Azucena noch um das Sorgerecht für ihre Töchter kämpft, wird sie mit einem skrupellosen Mörder konfrontiert, der es am Schluss auf die Ermittlerin selbst abgesehen hat.
buecher-magazin.deEs ist kein schmeichelhaftes Bild von der Arbeit der brasilianischen Gesetzeshüter, das Patrícia Melo in ihrem neuesten Krimi zeichnet. Azucena, die Heldin des Romans, ist Leiterin der Spurensicherung bei der Kripo São Paulo. Sie scheint dort eine der wenigen Aufrechten zu sein, die, inmitten einer Atmosphäre von Korrumpierbarkeit und Desinteresse, an einer echten Besserung der Verhältnisse interessiert ist. Dass täglich mehrere Tote aus den Favelas gemeldet werden, dass zudem ein Serienmörder umgeht, der junge Frauen missbraucht und ermordet, sind nur Randthemen im Roman. Die ermordeten Armen werden hingenommen, während die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Ordnungskräften auf den einen spektakulären Todesfall gerichtet ist, der sich ereignet hat: Ein bekannter Telenovela-Schauspieler hat sich während einer Theatervorstellung erschossen. War es wirklich Selbstmord? Oder war der Revolver präpariert? Während Azucena mit dem Kommissar hadert, der beharrlich eine falsche Fährte verfolgt, hat sie auch noch einen Sorgerechtsstreit mit ihrem Exmann auszufechten, der sie mit ihrer eigenen Schwester betrogen hat. So mischt sich die Krimihandlung selbst mit einer gehörigen Portion Seifenopern-Drama. Oder vielleicht ist es eher umgekehrt: Diese Seifenoper ist zugleich auch ein Krimi.
© BÜCHERmagazin, Katharina Granzin (kgr)
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Dass Rezensentin Michaela Metz Patricia Melos ersten klassischen Detektivroman mit Spannung gelesen hat, kann man in ihrem Resümee nur erahnen. Erzählt wird eine Geschichte um den Selbstmord des Realityshow-Stars Fabbio Cassio, der sich auf der Bühne erschießt, und das alles im von Korruption, Verbrechen und Vergewaltigungen geprägten Sao Paulo, so Metz. Bald ermittelt die Kommissarin Azucena, selbst mit familiären Problemen belastet und einzige Frau in einem "morbiden Macho-Universum" gegen das TV-Sternchen Cayanne, die erst durch den Tod ihres Partners Fabbio zum Star wird, fährt die Kritikerin fort. Dass die Handlung an Louis Malles Film "Das Irrlicht" angelehnt ist, verrät die Rezensentin immerhin auch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2016Machismo und Korruption in São Paulo
Azucena Gobbi verdankt ihren ungewöhnlichen Namen der Liebe ihres Vaters zur italienischen Oper - Azucena heißt die Zigeunerin in Verdis "Il trovatore". Auch sie, die Chefin der Abteilung Spurensicherung in São Paulo, diesem urbanen Moloch Brasiliens, hat ein starkes Temperament: für die Gerechtigkeit, für die Durchsetzung ihres Ethos überhaupt, im Polizeidienst und in ihrem chaotischen Privatleben. Die vielfach ausgezeichnete Patrícia Melo, 1962 in São Paulo geboren, lässt in ihrem Roman "Trügerisches Licht" die Leser dieser Azucena gebannt folgen. Es geht um die Ermittlungen im Fall des Todes von Fábbio Cássio, einem angehimmelten Telenovela-Star, der sich als Theaterschauspieler versucht. Auf der Bühne, wo er sich am Ende eine Pistole an den Kopf zu setzen hatte, bricht er nach dem Schuss tot zusammen, sein Gehirn spritzt bis ins Parkett.
Dieser Tod führt Azucena in mehr als einer Hinsicht in trügerisches Licht, jenseits des Scheinwerferlichts, das Fábbio Cássios öffentliche Existenz ausleuchtete. Ins Zwielicht gerät auch seine geltungssüchtige Lebensgefährtin Cayanne, die gerade in einer Reality Show mitwirkt, als er zu Tode kommt, und seine allgegenwärtige Mutter, die sich zuvor in seinem Ruhm sonnte. Aber auch über Azucena steht kein guter Stern. Neben der eigentlich bemitleidenswerten Existenz Cássios geht es für sie um den Sumpf von Verbrechen, Korruption in den Reihen der Polizei und Politik von São Paulo, es geht um Misstrauen und Verdächtigungen, die daraus resultieren, bis hinein in persönliche Vertrauensverhältnisse. Nach solchen Informationen giert die Presse, sensationslüstern einerseits, andererseits bedrohlich für die Interessen derer, die ihre Macht bedroht sehen.
Azucena ist keine makellose Heldin. Sie hält sich ihre Intuition zugute, doch die trügt sie ein ums andere Mal. Sie ist von Natur aus unterkühlt, von der Liebe zu ihrem Vater vielleicht abgesehen. Obendrein ist sie voller Angriffslust, weil ihr Ehemann sie mit ihrer jüngeren Schwester betrogen hat - was sie in einen Scheidungskampf ums Sorgerecht für ihre zwei Töchter zwingt. Die Autorin lässt Azucenas Probleme nicht neben dem Berufsalltag herlaufen; sie stellt klar, wie die Sphären von Privatem und Öffentlichem ineinandergreifen. Ähnlich den Hierarchien des Apparats, dem selbstbestimmt handelnde Frauen unwillkommen sind, steht auch Azucenas Trennung von ihrem Mann im Zeichen des gut eingespielten Machismo. Am Ende findet Azucena den Mörder Fábbio Cássios. Sie bezahlt einen bitter hohen Preis, am eigenen Leib, für einen vermeidbaren Fehler, hätte sie auf sich selbst Rücksicht genommen. Ein packender Thriller über Niedertracht und Courage.
rmg
Patrícia Melo: "Trügerisches Licht". Kriminalroman.
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Barbara Mesquita. Tropen Verlag, Stuttgart 2016. 320 S., br., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Azucena Gobbi verdankt ihren ungewöhnlichen Namen der Liebe ihres Vaters zur italienischen Oper - Azucena heißt die Zigeunerin in Verdis "Il trovatore". Auch sie, die Chefin der Abteilung Spurensicherung in São Paulo, diesem urbanen Moloch Brasiliens, hat ein starkes Temperament: für die Gerechtigkeit, für die Durchsetzung ihres Ethos überhaupt, im Polizeidienst und in ihrem chaotischen Privatleben. Die vielfach ausgezeichnete Patrícia Melo, 1962 in São Paulo geboren, lässt in ihrem Roman "Trügerisches Licht" die Leser dieser Azucena gebannt folgen. Es geht um die Ermittlungen im Fall des Todes von Fábbio Cássio, einem angehimmelten Telenovela-Star, der sich als Theaterschauspieler versucht. Auf der Bühne, wo er sich am Ende eine Pistole an den Kopf zu setzen hatte, bricht er nach dem Schuss tot zusammen, sein Gehirn spritzt bis ins Parkett.
Dieser Tod führt Azucena in mehr als einer Hinsicht in trügerisches Licht, jenseits des Scheinwerferlichts, das Fábbio Cássios öffentliche Existenz ausleuchtete. Ins Zwielicht gerät auch seine geltungssüchtige Lebensgefährtin Cayanne, die gerade in einer Reality Show mitwirkt, als er zu Tode kommt, und seine allgegenwärtige Mutter, die sich zuvor in seinem Ruhm sonnte. Aber auch über Azucena steht kein guter Stern. Neben der eigentlich bemitleidenswerten Existenz Cássios geht es für sie um den Sumpf von Verbrechen, Korruption in den Reihen der Polizei und Politik von São Paulo, es geht um Misstrauen und Verdächtigungen, die daraus resultieren, bis hinein in persönliche Vertrauensverhältnisse. Nach solchen Informationen giert die Presse, sensationslüstern einerseits, andererseits bedrohlich für die Interessen derer, die ihre Macht bedroht sehen.
Azucena ist keine makellose Heldin. Sie hält sich ihre Intuition zugute, doch die trügt sie ein ums andere Mal. Sie ist von Natur aus unterkühlt, von der Liebe zu ihrem Vater vielleicht abgesehen. Obendrein ist sie voller Angriffslust, weil ihr Ehemann sie mit ihrer jüngeren Schwester betrogen hat - was sie in einen Scheidungskampf ums Sorgerecht für ihre zwei Töchter zwingt. Die Autorin lässt Azucenas Probleme nicht neben dem Berufsalltag herlaufen; sie stellt klar, wie die Sphären von Privatem und Öffentlichem ineinandergreifen. Ähnlich den Hierarchien des Apparats, dem selbstbestimmt handelnde Frauen unwillkommen sind, steht auch Azucenas Trennung von ihrem Mann im Zeichen des gut eingespielten Machismo. Am Ende findet Azucena den Mörder Fábbio Cássios. Sie bezahlt einen bitter hohen Preis, am eigenen Leib, für einen vermeidbaren Fehler, hätte sie auf sich selbst Rücksicht genommen. Ein packender Thriller über Niedertracht und Courage.
rmg
Patrícia Melo: "Trügerisches Licht". Kriminalroman.
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Barbara Mesquita. Tropen Verlag, Stuttgart 2016. 320 S., br., 14,95 [Euro].
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»Ein packender Thriller über Niedertracht und Courage.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.12.2016 »Patrícia Melo hat einen dichten, emotionalen und vielschichtigen Krimi geschrieben, der die Leser fordert. Sie beschreibt das wirkliche Brasilien, das Reiseführer gerne verschweigen und das weit entfernt ist von dem, was die Olympiamacher in den nächsten zwei Wochen zeigen wollen.« Ulrike Bieritz, rbb Inforadio, 3.8. 2016 »Wie nebenbei erzählt sie in diesem Krimi, der dadurch von seiner Spannung nichts verliert, von Brasilien. Zum Beispiel von einer Polizei, in deren Reihen Mörder arbeiten und die den Ränken der Politik ausgeliefert ist. ..."Trügerisches Licht" ist also ein Roman über die Polizei, aber auch einer übers Showbusiness und die zwei Seiten des Ruhms. ...Patrícia Melo ist für ihre Schonungslosigkeit bekannt, auch stilistisch.« Dina Netz, Deutschlandradio Kultur, 10.8. 2016 »einfach ein prima Buch.« Petra Pluwatsch, Kölner Stadt-Anzeiger, 03.03.2017 »Melo ist eine Meisterin, und nur wenige jonglieren so gekonnt wie sie gleichzeitig eine Handvoll Fälle und das große Gewusel draußen vor der Tür, das verdammt nach Apokalypse aussieht und doch als Paradies verkauft wird.« Günther G. Feld, Heilbronner Stimme, 1.10.2016 »Das Kunstück an Melos Roman ist seine Vielschichtigkeit. So überzeugt die Story als unsentimentales Frauenporträt ebenso als Kritik am Polizeiapparat, der intern nur noch Zyniker hervorbringt. Sao Paulo schillert zwielichtig zwischen Melos knallharten Milieustudien und den Übertreibungen der Sensationspresse, während sich Brasiliens Politik hier nur zu durchschaubarer Elendskosmetik aufrafft.« Hartmut Wilmes, Kölnische Rundschau, 30.7. 2016 »Melos subtil konstruierter Thriller nähert sich fast leise einer grellen, schreienden Welt.« Gunter Blank, Sonntagzeitung, 14.8.2016 »Ein Lehrstück über die Diskrepanz zwischen telegenen Oberflächen und chaotischen Zuständen in Brasilien« Hendrik Werner, weser-kurier.de, 17.7.2016 »Figurenreich und unterhaltsam wie eine Telenovela zeichnet dieser Roman ein kritisches Bild Brasiliens.« Büchermagazin August/September 2016