Die Fülle der Berichte und Zahlen, die in diesem Jahrbuch wieder vorgelegt werden, dazu die Beiträge in den fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen und die lebhaften Verhandlungen auf nationalen und internationalen Tagungen lassen die Frage aufkommen, ob dies alles in einem rechten Verhältnis steht zu der Ge fährdung der Volksgesundheit durch die Tuberkulose. In Wirklichkeit ist es wohl so, daß, wie immer im Ablauf eines sozialpathologischen Geschehens, so auch bei der Tuberkulose das Problem diffiziler, die Gefahr von Teil- und Scheinlösungen deutlicher wird. Das wird für den aufmerksamen Leser aus den Berichten der Arbeitsausschüsse und aus den Angaben des Jahrbuches deutlich. In der Öffentlichkeit, die sich in erfreulich zunehmendem Maße für gesundheits politische Zusammenhänge interessiert, ist die Frage aufgeworfen worden, ob und wieweit es in der Gegenwart noch angezeigt sei, in der Tuberkulosebekämpfung "normative" Bestimmungen anzuwenden. In den kulturhygienisch hochentwickelten Ländern geht das Bestreben zweifel los dahin, die sanitätspolizeilichen Vorschriften mehr und mehr durch gesundheits fürsorgerische Maßnahmen zu ersetzen. Für die Überwindung der übertragbaren Krankheiten ist das nur in dem Maße möglich und zu verantworten, als dadurch die bisherigen Erfolge - auch unter Berücksichtigung der Weltseuchenlag- nicht gefährdet werden. Solange in den europäischen Ländern, auch in Deutschland, der weit überwie gende Teil der Bevölkerung im Entwicklungsalter noch mit Tuberkuloseerregern nachweislich "verkehrsüblich" angesteckt wird, sollte man die Notwendigkeit und die Wirksamkeit normativer Bestimmungen und der sich daraus ergebenden staatsbürgerlichen Pflichten nicht allzu gering einschätzen.