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Lutz Seiler wurde mit seinen Lyrikbänden pech & blende (2000) und vierzig kilometer nacht (2003) bekannt. 2007 trat er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb erstmals mit einer Erzählung an die Öffentlichkeit - und wurde für Turksib einhellig zum Sieger gekürt.Ilma Rakusa beschreibt den Reiz des Textes: "Lutz Seilers Turksib schildert - mit einer ins Poetisch-Groteske gesteigerten Genauigkeit - eine winterliche Zugfahrt durch radioaktiv verseuchte kasachische Landschaften. Ein kleiner Geigerzähler signalisiert das Gefahrenpotential, während die Begegnung des deutschen Ich-Erzählers mit einem…mehr

Produktbeschreibung
Lutz Seiler wurde mit seinen Lyrikbänden pech & blende (2000) und vierzig kilometer nacht (2003) bekannt. 2007 trat er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb erstmals mit einer Erzählung an die Öffentlichkeit - und wurde für Turksib einhellig zum Sieger gekürt.Ilma Rakusa beschreibt den Reiz des Textes: "Lutz Seilers Turksib schildert - mit einer ins Poetisch-Groteske gesteigerten Genauigkeit - eine winterliche Zugfahrt durch radioaktiv verseuchte kasachische Landschaften. Ein kleiner Geigerzähler signalisiert das Gefahrenpotential, während die Begegnung des deutschen Ich-Erzählers mit einem Heizer, der Heine zitiert, russisch-deutsche Freundschafts- und Feindschaftsverhältnisse hochkochen läßt. Auf engstem Raum gelingt es Seiler, prekäre Gegenwart und Vergangenheit einzufangen und eine Bahnfahrt zum komplexen Gleichnis einer komplexen Wirklichkeit zu machen. Reiseprosa auf höchstem Niveau, voller Anspielungen und motivischer Bezüge, die Satz für Satz offenbart, was Sprache kann, wennsie ihre poetische Kraft entfaltet."Die in diesem Band ebenfalls enthaltene Erzählung Die Anrufung zielt auf den Ursprung dieser Sprache. Die Prüfungsfrage seines Professors nach dem Begriff "Schönheit" versetzt den Erzähler in eine akustische Sensation seiner frühen Kindheit: die Entdeckung der eigenen Stimme.
Autorenporträt
Lutz Seiler (geboren 1963) wuchs in Ostthüringen auf. Sein Heimatdorf Culmitzsch wurde 1968 für den Uranbergbau geschleift. In Gera schloss er eine Lehre als Baufacharbeiter ab und arbeitete als Zimmermann und Maurer. Während seiner Armeezeit begann er sich für Literatur zu interessieren und selbst zu schreiben. Bis Anfang 1990 studierte er Geschichte und Germanistik an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale). 1990 ging Seiler nach Berlin, wo er einige Jahre als Kellner arbeitete. Längere Auslandsaufenthalte in Rom, Los Angeles und Paris. Seit 1997 leitet er das literarische Programm im Peter-Huchel-Haus bei Potsdam. Seiler lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau in Wilhelmshorst und Stockholm.
Von 1993 bis 1998 war Seiler Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift moosbrand. Er schrieb zunächst vor allem Gedichte (fünf Gedichtsammlungen sind erschienen) und Essays, später auch Erzählungen und Romane. Für die Erzählung Turksib wurde Seiler 2007 mit d

em Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Für sein Romandebüt Kruso erhielt er 2014 den Deutschen Buchpreis. Der Roman wurde in 25 Sprachen übersetzt, mehrfach für das Theater adaptiert und von der UFA verfilmt. Sein zweiter Roman Stern 111 wurde 2020 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Im August 2021 erschien der Gedichtband schrift für blinde riesen. 2023 wird Lutz Seiler mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2008

Sibirien I

Der 1963 in Gera geborene Lutz Seiler hat mit eigenwilligen, mit thüringischem Zungenschlag vorgetragenen Gedichten Bewunderung erregt, in denen Herkommen und Erleben des Subjekts als Lautmaterial, als Ton und Stimme wahrnehmbar werden. In seiner poetologischen Erzählung "Die Anrufung" hat er die Entdeckung der eigenen Stimme, ihres Widerhalls in der Welt und ihres Echos im Selbst als Weg zur Poesie und urbildliche Erfahrung der Schönheit beschrieben. Auch sein Prosatext "Turksib", für den der Autor im vergangenen Sommer den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt, ist ein ambitioniertes akustisches Spektakel, grundiert vom feinen Knistern und Knattern eines Geigerzählers, in dem ja auch ein Erzähler steckt. Geschildert wird eine Fahrt mit der Turkestan-Sibirischen Eisenbahn, die zur mythopoetischen Folie der russischen Kunst und Literatur zählt. So wird der Zug zum beweglichen und bewegenden Ort deutsch-russischer Begegnung, um den die Anspielungen sprühen wie Funken aus dem Kessel. Auf dem Höhepunkt rezitiert der Heizer "mit einer mühselig aus der Tiefe schürfenden, die Vokale überdehnenden Stimme" ein Gedicht Heinrich Heines, um dem Ich-Erzähler wortwörtlich um den Hals zu fallen. Solche Momente slapstickhafter Komik retten den Text vor sprachspielerischer Überanstrengung. Das preisgekrönte Verdichtungswerk wird im großzügigen Satzspiegel schön dargeboten und hat einen stolzen Preis. (Lutz Seiler: "Turksib". Zwei Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 48 S., br., 12,80 [Euro].) fap

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Recht gewogen bespricht Rezensent Hubert Winkels das Buch des Ingeborg-Bachmann-Preisträgers von 2007, das, wie er schreibt, neben der titelgebenden Siegererzählung noch einen weiteren Text enthält, die kurze "poetologische" Erzählung "Die Anrufung" nämlich. Es handelt sich, wie wir lesen, bei der Titelerzählung um einen "interkulturellen Infarkt der komischen Art" zwischen einem Heizer und dem Erzähler. Das Setting sei eine Zugfahrt bei Nacht und vierzig Grad Außentemperatur durch Kasachstan, und Fremdheit, Hitze und Einbildungskraft sorgten hier für allerlei Sinnüberschuss. Lutz Seilers Erzähler führe seinerseits einen Geigerzähler mit, und wir werden höflich darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht so sehr um den Hinweis auf Urangewinnung als das versteckte Wort GeigERZÄHLER handelt. Allzu weit bringt dieser Hinweis den geneigten Rezensionsleser zwar nicht. Immerhin aber erfährt man, dass auf der Zugfahrt auch Heines Gedicht von der Loreley zur Sprache kommt, und zwar "semantisch schwergliedrig" vom russischen Heizer "erstottert". Es scheint, Seilers poetologische Ambitionen hätten dem Text den Garaus machen können, wenn ihn nicht der trockene Humor des Autors davor bewahrt hätte.

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