In 111 Geschichten reist Martin Amanshauser in 77 verschiedene Länder und bringt Erfahrungen mit, die nicht nur in praktischer Hinsicht nützlich sind. Sie eröffnen einen ganz neuen Blick auf die Welt. In Goa wird er Opfer eines professionellen Ohrensäuberers. In Kuba wird sein Leihwagen von Hugo Chávez zur Seite gedrängt. Man ernennt ihn zum Mitglied im Präsidentenklub Monacos. In Kirgistan will ihn eine Mutter mit ihrer Tochter verheiraten. In Benin behauptet er, Opfer von Voodoo geworden zu sein. Immer wieder hat Amanshauser verblüffende Begegnungen, und wie nebenbei erzählt er Geschichten aus fernen und nahen Ländern. Hier lässt sich einer nicht in die Schablonen des zeitgenössischen Tourismus pressen - und führt höchst vergnüglich eine moderne Art des individuellen Reisens vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2016Für die Tasche Viele Freunde des Reisens besitzen Weltkarten, auf denen sie eine Nadel an jedes gesehene Ziel stecken. Heimlich schwingt da der Sport mit, möglichst viele Stecknadeln zu verbrauchen, auf dass Gäste sich fragen: Wie hat er das geschafft? Kaum einer aber wird es schaffen, mit Martin Amanshauser mitzuhalten. Seine Karte hat schon 119 Einstiche, und das sind nur dieOrte, die er in seinem neuen Buch behandelt. Entsprechend hastig springt man hier aus Thailand nach Venedig, nach Marrakesch und immer weiter. Wer ein echter Jetset werden möchte, der (gedanklich) heute hier, morgen dort ist, der braucht dieses Buch. Amanshauser handelt Russland auf zwei Seiten ab, indem er eine hysterisch kreischende Fremdenführerin porträtiert. Zurückhaltend. Allerdings nicht ohne der Befürchtung Ausdruck zu geben, Leningrad, heute Petersburg, könne bald in Putingrad umbenannt werden. Dieser Autor ist ein Komiker und ein selbstbezogener Kauz, der sich aber über seinen Narzissmus Gedanken macht. Im strengen Oman flirtet er im Internetcafé mit Mädchen, die viel zu jung für ihn sind. In Argentinien bekämpft er, statt sich Buenos Aires anzusehen, einen tagelang andauernden Schluckauf. Kopfstand und Kiffen helfen nicht, also redet er mit einem Hipster, der ihn zum Lachen bringt (über korrupte Politiker, landestypischer Humor) und so das Problem löst. Auf den Kapverden will er seinem Leser das Nationalgericht Cachupa erklären, vergisst dies im Verlauf der kurzen Kolumne mehrmals, um von seinem Durchfall zu berichten und schließlich klagend zu beschreiben, wie das Meer ihm beim Baden seine Brille raubt, sie regelrecht verschlingt. Ganz offensichtlich ein Filou, der das Reisen nur als Vorwand für spitze Betrachtungen nimmt! Also - ziemlich großartig.
tlin
Martin Amanshauser: "Typisch Welt". Picus-Verlag, Wien 2016, 240 Seiten, 20 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Martin Amanshauser: "Typisch Welt". Picus-Verlag, Wien 2016, 240 Seiten, 20 Euro
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