Ausgehend von der These, dass sich empathische Prozesse auf abwesende Figuren richten können und folglich über das immaterielle filmische Lichtbild als Repräsentation hinausreichen müssen, entwickelt Patrick Kruse ein Modell der Empathie, das Erkenntnisse aus den Bereichen der kognitiven Rezeptionstheorie, der Neurophysiologie und Neurophilosophie zusammenführt. Dieses Repräsentations-Komponenten-Modell liefert nicht nur eine neue Definition empathischer Prozesse, sondern klärt zudem über die Rolle der Vorstellungskraft des Zuschauers bei der Rezeption von Filmen auf. Doch vor allem bietet es überzeugende Ansätze zur Erklärung, wie sich empathische Prozesse strukturieren und worauf sie sich in der Rezeption von Filmen eigentlich genau beziehen - ein Thema, über das im aktuellen medienwissenschaftlichen Diskurs Dissens herrscht. Dieses Modell soll nicht nur dazu dienen, sich einem aktuellen pragmatischen Empathiebegriff anzunähern, der dem komplexen Phänomen des filmischen Bildes gerecht wird, sondern auch dazu, sich einem Phänomen zu widmen, das als Präsenz des Absenten umschrieben werden kann: Dem Anwesend-Machen abwesender Figuren im Film innerhalb der Vorstellung des Rezipienten als Ort der Bilder. Damit betont dieses Phänomen vor allem die imaginativen und simulativen Prozesse des Rezipienten und stellt vor allem eines klar: Der Blick des Zuschauers endet nicht im projizierten Lichtbild, vielmehr erweitert dieses sich in seinen Vorstellungsraum hinein. In der Rezeption geht der Zuschauer folglich über das Filmbild hinaus.