Voll lakonischem Humor und bitterer Wahrheit handeln diese Vorlesungen und Berichte, Erzählungen und Dialoge von möglichen und unmöglichen tierlichen Begebenheiten - etwa von einem Tiger im Keller eines Kiewer Cafés, vom Absturz eines Hasen im Kaukasus oder vom Zusammenleben unzähliger Hunde und Katzen in einer winzigen Wohnung -, sodass die Grenzen zwischen Mensch und Tier zunehmends verwischen. Es sind die kleinen Begebenheiten, die stillen Anekdoten und die kurzen Sätze, mit denen Yevgenia Belorusets' Prosa das Wesen des Menschen offenbart. In ihrer ethnografisch präzisen und…mehr
Voll lakonischem Humor und bitterer Wahrheit handeln diese Vorlesungen und Berichte, Erzählungen und Dialoge von möglichen und unmöglichen tierlichen Begebenheiten - etwa von einem Tiger im Keller eines Kiewer Cafés, vom Absturz eines Hasen im Kaukasus oder vom Zusammenleben unzähliger Hunde und Katzen in einer winzigen Wohnung -, sodass die Grenzen zwischen Mensch und Tier zunehmends verwischen. Es sind die kleinen Begebenheiten, die stillen Anekdoten und die kurzen Sätze, mit denen Yevgenia Belorusets' Prosa das Wesen des Menschen offenbart. In ihrer ethnografisch präzisen und nüchtern-poetischen Sprache entsteht in dieser fiktiven Vorlesungsreihe ein Raum für marginalisierte Erfahrungen in der heutigen Ukraine, die mindestens seit 2014 auch von Gewalt geprägt sind und deren literarischer Verarbeitung eine zutiefst menschliche Haltung zugrunde liegt. Denn wenn es stimmt, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, dann erscheint es nur logisch, dass wir Menschen das, was wir sein wollen, wonach wir suchen und streben, was wir einander antun und miteinander durchstehen, durch unsere Beziehungen zu Tieren erzählen. In der strengen Form der wissenschaftlichen Abhandlung, die überhöht, ironisiert und mit jedem Text weiter unterlaufen wird, fügen sich die Stimmen unterschiedlicher Erzählerinnen und Erzähler zu einem Chor, bei dem nicht immer eindeutig auszumachen ist, wer hier spricht - und zu wem.
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Autorenporträt
Yevgenia Belorusets, 1980 geboren, ist Fotografin, Künstlerin und Schriftstellerin. Sie lebt abwechselnd in Kiew und Berlin und beschäftigt sich mit den Schnittstellen von Kunst, Medien und Gesellschaft. Belorusets engagiert sich in einer Reihe kultureller und politischer Initiativen. 2022 wurde sie mit dem Horst Bingel-Preis für Literatur ausgezeichnet, 2023 erhielt sie den Preis Frauen Europas. Claudia Dathe, 1971 geboren, studierte Übersetzungswissenschaft (Russisch, Polnisch) und Betriebswirtschaftslehre in Leipzig, Pjatigorsk (Russland) und Krakau. Nach längeren Auslandstätigkeiten in Kasachstan und der Ukraine arbeitete sie von 2009 bis 2016 als Koordinatorin für Projekte zum literarischen Übersetzen am Slavischen Seminar der Universität Tübingen und ist seit März 2016 in der Bürgerstiftung Jena als Leiterin der Kulturberatungsstelle tätig. Regelmäßig führt sie europäische Kultur- und Zivilgesellschaftsprojekte durch, leitet Übersetzerwerkstätten und übersetzt Literatur aus dem Russischen und Ukrainischen, u. a. von Andrej Kurkow, Serhij Zhadan, Ostap Slyvynskyj und Yevgenia Belorusets. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet unter anderem mit dem Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen 2022.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Ziemlich unergründlich, aber auf enigmatische Weise interessant schreibt Yevgenia Belorusets über Tiere vor dem Hintergrund des seit 2014 schwelenden Krieges in der Ostukraine, so Rezensentin Sieglinde Geisel. Tiere sind in den Textminiaturen "Gegenstand des Nachdenkens", aber auch Akteure, so gibt es beispielsweise ein Huhn, das die Seele eines Toten zurück in seine Heimat bringt, erfahren wir. Der Bezug zum Krieg etwa kommt zum Vorschein, wenn Belorusets darüber nachdenkt, wie Menschen dabei zu Tieren werden, wenn es ums Töten geht. Die Verbindung zwischen den einzelnen Texten sieht Geisel vor allem in den Fotografien sieht, die die Autorin geschossen und angefügt hat.