Man sieht erst, was einem fehlt, wenn es verschwindet - Plädoyer für eine gefährdete Tugend
»Wir haben uns schon an zu vieles gewöhnt, an einen rauen, unverschämten Umgangston, Shitstorms, Beleidigungen, Lügen, an eine Maßlosigkeit im Urteil über andere. Die grundlegenden Regeln menschlichen Anstands stehen in Frage. Aber was ist das eigentlich genau: Anstand?« In seinem neuesten Bestseller erkundet Axel Hacke einen schillernden, für manche vielleicht altmodischen, und doch verblüffend aktuellen Begriff. In lockerem Plauderton und mit anregenden Bezügen auf Philosophie und Literatur führt er aus, was im Zusammenleben der Menschen heute zunehmend fehlt. Ein hochaktuelles Buch über die alte, immer wieder neu zu stellende Frage: Wie lebt man richtig, mit sich selbst und mit anderen?
»Wir haben uns schon an zu vieles gewöhnt, an einen rauen, unverschämten Umgangston, Shitstorms, Beleidigungen, Lügen, an eine Maßlosigkeit im Urteil über andere. Die grundlegenden Regeln menschlichen Anstands stehen in Frage. Aber was ist das eigentlich genau: Anstand?« In seinem neuesten Bestseller erkundet Axel Hacke einen schillernden, für manche vielleicht altmodischen, und doch verblüffend aktuellen Begriff. In lockerem Plauderton und mit anregenden Bezügen auf Philosophie und Literatur führt er aus, was im Zusammenleben der Menschen heute zunehmend fehlt. Ein hochaktuelles Buch über die alte, immer wieder neu zu stellende Frage: Wie lebt man richtig, mit sich selbst und mit anderen?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2018Wider die Verrohung
Warum leben wir nicht so, wie wir leben könnten? Axel Hacke räsoniert über den Anstand in schwierigen Zeiten.
Von Christian Riethmüller
Neulich war der Schriftsteller Axel Hacke bei einem Radiosender zu Gast, um über sein jüngstes Buch zu sprechen. Er hatte noch gar nicht richtig zu erzählen begonnen, als beim Sender eine Mail des Inhalts eintraf, "der niveaulose Penner" solle "sein Maul halten". Das Buch trägt übrigens den Titel "Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen" (Verlag Antje Kunstmann).
Hacke berichtet im Gespräch mit dieser Zeitung fast beiläufig von der Begebenheit. "Das ist ja noch harmlos", sagt er und verweist auf Kolumnistenkollegen wie Harald Martenstein und politische Kommentatoren in Zeitungen und Magazinen, die sich regelmäßig heftigen Anfeindungen ausgesetzt sähen. "Dabei lesen die Leute die Texte oft gar nicht, sondern ballern gleich los. In denen schwelt eine Aggression, die muss raus", sagt der 62 Jahre alte Autor über den rauhen, oft unverschämten Ton, der sich nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch im Alltag immer mehr Bahn zu brechen scheint.
Als Hacke vor etwa anderthalb Jahren in einer seiner Kolumnen von dieser zunehmenden Verrohung schrieb, war das Echo in seiner Leserschaft gewaltig, was schließlich auch die Idee zum Buch über den Anstand gebar. "Zwei Tage nach der Vereidigung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump am 20. Januar 2017 saß ich mit meiner Verlegerin zusammen und sagte, man müsste mal über Anstand schreiben", erinnert sich Hacke, der auch seine Entrüstung über Trump, einen Mann, der jedes menschlichen Anstands verlustig gegangen sei, einen Anstoß für das Buch nennt: "Und wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, stößt man auf viele weitere Punkte", sagt der Schriftsteller, der mit seiner Verlegerin einen Zeitplan für das Projekt vereinbarte. Das Buch sollte vor der Bundestagswahl im September 2017 erscheinen.
Auf seine wöchentlich im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" erscheinenden Kolumnen und damit schon vorhandenes Material konnte Hacke in diesem Fall kaum zugreifen. Stattdessen entwickelte er einen beispielhaften Dialog mit einem Freund, um sich dem Thema zu nähern. Mit zahlreichen Bezügen auf literarische und philosophische Texte von Autoren wie Erich Kästner, Albert Camus, Hans Fallada, David Foster Wallace, Immanuel Kant und Marc Aurel sowie mit Beobachtungen des politischen und privaten Geschehens entfaltet er eine nachdenkliche Betrachtung des Ideals und der Realität menschlichen Miteinanders, die allzu oft nur wenig miteinander zu tun haben. Die Antwort auf die schon von Anton Tschechow gestellte Frage, warum wir nicht so leben, wie wir leben könnten, empfiehlt Hacke daher nicht bei den anderen, sondern bei sich selbst zu suchen.
Den vereinbarten Abgabetermin einzuhalten fiel ihm nicht schwer. Auch wenn er sich sonst für seine Bücher "keine Deadline setzt", konnte er sich auf die einst als Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung" in München antrainierten Schnelligkeitsreflexe verlassen. Reporterblut hat der mit etlichen bedeutenden Journalistenpreisen ausgezeichnete Autor gleichwohl nicht mehr geleckt. "Es gab zwar immer mal wieder Anfragen, ob ich nicht mal wieder eine Reportage schreiben wolle, doch ist mir das Bücherschreiben einfach lieber. Da kann ich die Formen selbst bestimmen und kann die Elemente mixen", sagt er. Es reize ihn auch nicht mehr, etwa zu einer Fußball-Weltmeisterschaft zu reisen und davon zu berichten. Da schreibe er lieber ein Buch wie das im Jahr 2014 veröffentlichte "Fußballgefühle".
Über einen neuen Band hat er sich ebenfalls schon Gedanken gemacht, erzählt Hacke, verrät aber nur: "Es wird keine weitere Kolumnensammlung. Das mag ich eigentlich nicht mehr machen." Die Texte wird der fleißige und disziplinierte Schreiber in seinem Büro oder aber in Hotelzimmern verfassen. Etwa 80 bis 90 Lesetermine hat er im Jahr, was einige Zeit in Hotels mit sich bringt: "Da nutze ich die Morgenstunden zum Schreiben." Oder zum Auswählen möglicher Textpassagen für den abendlichen Auftritt. Hacke entscheidet erst während der Lesungen, aus welchen seiner Veröffentlichungen er vortragen wird. So gibt es nicht nur Handreichungen zum Nachdenken über den Anstand in schwierigen Zeiten, sondern etwa auch ein willkommenes Wiederhören mit dem legendären Kühlschrank Bosch, dem kleinen König Dezember oder dem weißen Neger Wumbaba und dem Handbuch des Verhörens. Und damit anständiges Gelächter.
Axel Hacke liest am Montag, 9. April, von 20 Uhr an im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm, Waldschmidtstraße 4.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum leben wir nicht so, wie wir leben könnten? Axel Hacke räsoniert über den Anstand in schwierigen Zeiten.
Von Christian Riethmüller
Neulich war der Schriftsteller Axel Hacke bei einem Radiosender zu Gast, um über sein jüngstes Buch zu sprechen. Er hatte noch gar nicht richtig zu erzählen begonnen, als beim Sender eine Mail des Inhalts eintraf, "der niveaulose Penner" solle "sein Maul halten". Das Buch trägt übrigens den Titel "Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen" (Verlag Antje Kunstmann).
Hacke berichtet im Gespräch mit dieser Zeitung fast beiläufig von der Begebenheit. "Das ist ja noch harmlos", sagt er und verweist auf Kolumnistenkollegen wie Harald Martenstein und politische Kommentatoren in Zeitungen und Magazinen, die sich regelmäßig heftigen Anfeindungen ausgesetzt sähen. "Dabei lesen die Leute die Texte oft gar nicht, sondern ballern gleich los. In denen schwelt eine Aggression, die muss raus", sagt der 62 Jahre alte Autor über den rauhen, oft unverschämten Ton, der sich nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch im Alltag immer mehr Bahn zu brechen scheint.
Als Hacke vor etwa anderthalb Jahren in einer seiner Kolumnen von dieser zunehmenden Verrohung schrieb, war das Echo in seiner Leserschaft gewaltig, was schließlich auch die Idee zum Buch über den Anstand gebar. "Zwei Tage nach der Vereidigung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump am 20. Januar 2017 saß ich mit meiner Verlegerin zusammen und sagte, man müsste mal über Anstand schreiben", erinnert sich Hacke, der auch seine Entrüstung über Trump, einen Mann, der jedes menschlichen Anstands verlustig gegangen sei, einen Anstoß für das Buch nennt: "Und wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, stößt man auf viele weitere Punkte", sagt der Schriftsteller, der mit seiner Verlegerin einen Zeitplan für das Projekt vereinbarte. Das Buch sollte vor der Bundestagswahl im September 2017 erscheinen.
Auf seine wöchentlich im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" erscheinenden Kolumnen und damit schon vorhandenes Material konnte Hacke in diesem Fall kaum zugreifen. Stattdessen entwickelte er einen beispielhaften Dialog mit einem Freund, um sich dem Thema zu nähern. Mit zahlreichen Bezügen auf literarische und philosophische Texte von Autoren wie Erich Kästner, Albert Camus, Hans Fallada, David Foster Wallace, Immanuel Kant und Marc Aurel sowie mit Beobachtungen des politischen und privaten Geschehens entfaltet er eine nachdenkliche Betrachtung des Ideals und der Realität menschlichen Miteinanders, die allzu oft nur wenig miteinander zu tun haben. Die Antwort auf die schon von Anton Tschechow gestellte Frage, warum wir nicht so leben, wie wir leben könnten, empfiehlt Hacke daher nicht bei den anderen, sondern bei sich selbst zu suchen.
Den vereinbarten Abgabetermin einzuhalten fiel ihm nicht schwer. Auch wenn er sich sonst für seine Bücher "keine Deadline setzt", konnte er sich auf die einst als Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung" in München antrainierten Schnelligkeitsreflexe verlassen. Reporterblut hat der mit etlichen bedeutenden Journalistenpreisen ausgezeichnete Autor gleichwohl nicht mehr geleckt. "Es gab zwar immer mal wieder Anfragen, ob ich nicht mal wieder eine Reportage schreiben wolle, doch ist mir das Bücherschreiben einfach lieber. Da kann ich die Formen selbst bestimmen und kann die Elemente mixen", sagt er. Es reize ihn auch nicht mehr, etwa zu einer Fußball-Weltmeisterschaft zu reisen und davon zu berichten. Da schreibe er lieber ein Buch wie das im Jahr 2014 veröffentlichte "Fußballgefühle".
Über einen neuen Band hat er sich ebenfalls schon Gedanken gemacht, erzählt Hacke, verrät aber nur: "Es wird keine weitere Kolumnensammlung. Das mag ich eigentlich nicht mehr machen." Die Texte wird der fleißige und disziplinierte Schreiber in seinem Büro oder aber in Hotelzimmern verfassen. Etwa 80 bis 90 Lesetermine hat er im Jahr, was einige Zeit in Hotels mit sich bringt: "Da nutze ich die Morgenstunden zum Schreiben." Oder zum Auswählen möglicher Textpassagen für den abendlichen Auftritt. Hacke entscheidet erst während der Lesungen, aus welchen seiner Veröffentlichungen er vortragen wird. So gibt es nicht nur Handreichungen zum Nachdenken über den Anstand in schwierigen Zeiten, sondern etwa auch ein willkommenes Wiederhören mit dem legendären Kühlschrank Bosch, dem kleinen König Dezember oder dem weißen Neger Wumbaba und dem Handbuch des Verhörens. Und damit anständiges Gelächter.
Axel Hacke liest am Montag, 9. April, von 20 Uhr an im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm, Waldschmidtstraße 4.
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