Die erste weltliterarische Gesamtschau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs!
Über alle Fronten hinweg versammelt dieses Buch 70 Glanzstücke moderner Erzählkunst aus 16 Sprachen, viele davon in Erst- oder Neuübersetzung.
Mit 70 Novellen, Short Storys und Prosaskizzen, entstanden in der Mehrzahl bereits während der Kriegsjahre, von Ernest Hemingway, Stefan Zweig, Tania Blixen, Marcel Proust, Ford Madox Ford, Robert Musil, Virginia Woolf, Guillaume Apollinaire, Alfred Döblin, Joseph Conrad, Jaroslav Hasek, Isaak Babel, Bertolt Brecht, Ivo Andric, William Faulkner, Irène Némirovsky, Gabriele d'Annunzio, Louis-Ferdinand Céline, Franz Kafka, Katherine Mansfield u.v.a.
Das universelle Panorama der Jahre 1914-1918 beleuchtet menschliche Abgründe, zeigt die Realität des Kriegs und überrascht mit unvermuteten Hoffnungs- und Glücksmomenten: Über den Feldern nimmt neben dem Frontgeschehen ganz bewusst die Nebenkriegsschauplätze ins Visier: Etappe und Hinterland,scheinbar aus der Zeit gefallene "zivile" Refugien, dazu die inneren Fluchten, Ideen- und Seelenräume sowie, nicht minder umkämpft als die Gefechtszonen der Außenwelt, die "Territorien des Gewissens" (Pasternak).
Über alle Fronten hinweg versammelt dieses Buch 70 Glanzstücke moderner Erzählkunst aus 16 Sprachen, viele davon in Erst- oder Neuübersetzung.
Mit 70 Novellen, Short Storys und Prosaskizzen, entstanden in der Mehrzahl bereits während der Kriegsjahre, von Ernest Hemingway, Stefan Zweig, Tania Blixen, Marcel Proust, Ford Madox Ford, Robert Musil, Virginia Woolf, Guillaume Apollinaire, Alfred Döblin, Joseph Conrad, Jaroslav Hasek, Isaak Babel, Bertolt Brecht, Ivo Andric, William Faulkner, Irène Némirovsky, Gabriele d'Annunzio, Louis-Ferdinand Céline, Franz Kafka, Katherine Mansfield u.v.a.
Das universelle Panorama der Jahre 1914-1918 beleuchtet menschliche Abgründe, zeigt die Realität des Kriegs und überrascht mit unvermuteten Hoffnungs- und Glücksmomenten: Über den Feldern nimmt neben dem Frontgeschehen ganz bewusst die Nebenkriegsschauplätze ins Visier: Etappe und Hinterland,scheinbar aus der Zeit gefallene "zivile" Refugien, dazu die inneren Fluchten, Ideen- und Seelenräume sowie, nicht minder umkämpft als die Gefechtszonen der Außenwelt, die "Territorien des Gewissens" (Pasternak).
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2014Erzählt uns von den Verheerungen
Als die Schriftsteller mobilisiert wurden: Der Erste Weltkrieg in Kurzgeschichten aus aller Welt
"Große Erzählungen der Weltliteratur" verheißt der Untertitel dieser stattlichen Textsammlung, die Manesse pünktlich zum hundertsten Jahrestag des Weltkriegsausbruchs herausbringt. "Groß" sind nicht wenige der hier in buntester internationaler Runde versammelten Autoren, aber der Reiz ihrer Geschichten und der aus der Feder von weniger prominenten Kollegen liegt vor allem darin, dass sie hierzulande nahezu unbekannt sind. Viele Zeugnisse aus den kriegführenden Nachbarländern wurden zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. Der Herausgeber Horst Lauinger hat den Band um eine Kriegschronik der Autoren bereichert.
Das Besondere: Diese Auswahl nimmt nicht so sehr die Schützengräben und Materialschlachten ins Visier als vielmehr die "Nebenkriegsschauplätze" und "Seelenräume". Das beginnt mit drei unterschiedlichen Erzählungen aus der Perspektive kriegspielender Kinder, zwei davon komisch, die dritte tragisch, und sie endet bei Anbruch des Zweiten Weltkriegs mit der Erinnerung einer gealterten Frau an ihren ersten Mann und sein unheimliches Fremdwerden durch die Einwirkung des damaligen Krieges. Die Autorin, Irène Némirovsky, Exilrussin und Jüdin, wurde bald darauf von Paris nach Auschwitz deportiert.
Abgesehen von dieser Rahmung, ist bei der Textfolge kein Ordnungsprinzip auszumachen. Die längeren Erzählungen wechseln ab mit skizzenhaften Momentaufnahmen, darunter bitter satirische Stücke von Karl Kraus, Jaroslav Hasek und Klabund. Einmal stehen mit August Stramms Staccato aus Schlachtfeldprosa und Gertrude Steins penibel banaler Hauptsatz-Reihung zwei experimentelle Texte nebeneinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die versierteren Erzähler zeigen ihr narratives Können gerade im moralisch Zwielichtigen des Konflikts. Bei Joseph Conrad schickt ein englischer Kommandant einen norwegischen Frachter, dessen Neutralität er misstraut, durch falsche Ortsangabe im Nebel auf ein Riff, Somerset Maugham, selbst Agent des Secret Service in alliierten Diensten, lässt einen voreiligen Kollegen bei einem patriotischen Auftragsmord den Falschen umbringen, und D. H. Lawrence macht einen trivialen belgisch-englischen Liebesverrat zum verhaltenen Drama. Ilja Ehrenburg erzählt von zwei Gegnern, die in Ypern erst die Friedenspfeife rauchen, um einander danach zu erwürgen, und für Musil ist die abgründigste Erfahrung die Ekstase im Angesicht des Todes, ein Schlüsselerlebnis des Autors an der Dolomitenfront, erspürt im Singen eines mörderischen Fliegerpfeils, des "scharfschnäbeligen Vogels Tod, so zauberisch bunt und schwarz", der den Erzähler um ein Haar tötet: "Gottes Nähe in der Nähe meines Körpers".
Die chauvinistische Tonlage ist nur mit einer, freilich erschreckend meisterhaften Erzählung vertreten, mit Kiplings "Mary Postgate". Darin hält eine liebenswerte alte Jungfer einen abgestürzten deutschen Bomberpiloten mit vorgehaltener Pistole so lange in Schach, bis er verröchelt. Die Ehrenrettung dieser Geschichte durch aufgeklärte Kritiker, die hier eine subtile psychologische Fallstudie zu sehen meinen, erweist sich als naiv oder schönfärberisch - schließlich heißt der Refrain der abschließenden und meist (so auch hier) fortgelassenen Ballade: "When England began to hate". Später, als sein eigener Sohn unter den Vermissten war, schrieb Kipling in anderer Tonart "The Gardner", die Suche einer Frau nach dem Geliebten auf dem flandrischen Gräberfeld - und den Grabspruch für die Millionen von Toten "If any question why we died, / Tell them, because our fathers lied." Er meinte damit auch sich selbst.
Hier ist an jenen 2. September 1914 zu erinnern, als im Namen der Regierung Asquith der tüchtige Beamte Charles Masterman (nomen est omen) alles, was im literarischen England Rang und Namen hatte, auf die patriotische Pflicht der Stunde einschwor, um im Hinblick auf die öffentliche Meinung in Europa und vor allem Amerika auch die Literatur in den Dienst der Propaganda zu nehmen. Der sozialistische H. G. Wells und der reaktionäre Kipling arbeiteten, wie viele andere, Seite an Seite bei diesem streng geheimen Unternehmen mit, und Arthur Conan Doyle holte eigens seinen Sherlock Holmes aus dem verdienten Ruhestand, um einen deutschen Meisterspion zu entlarven.
Später nannte Conan Doyle nach einer sorgfältig präparierten Besichtigungstour die Schützengräben "the most wonderful spot in the world". Trotzdem hätte man seine Geschichte (vielleicht um den Preis einiger Streichungen von Marginalem) gern in dieser originellen Sammlung dabeigehabt, denn sie ist gut erzählt.
WERNER VON KOPPENFELS
"Über den Feldern".
Der Erste Weltkrieg in
großen Erzählungen der Weltliteratur.
Hrsg. von Horst Lauinger. Manesse Verlag, Zürich 2014. 784 S., geb., 29,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als die Schriftsteller mobilisiert wurden: Der Erste Weltkrieg in Kurzgeschichten aus aller Welt
"Große Erzählungen der Weltliteratur" verheißt der Untertitel dieser stattlichen Textsammlung, die Manesse pünktlich zum hundertsten Jahrestag des Weltkriegsausbruchs herausbringt. "Groß" sind nicht wenige der hier in buntester internationaler Runde versammelten Autoren, aber der Reiz ihrer Geschichten und der aus der Feder von weniger prominenten Kollegen liegt vor allem darin, dass sie hierzulande nahezu unbekannt sind. Viele Zeugnisse aus den kriegführenden Nachbarländern wurden zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. Der Herausgeber Horst Lauinger hat den Band um eine Kriegschronik der Autoren bereichert.
Das Besondere: Diese Auswahl nimmt nicht so sehr die Schützengräben und Materialschlachten ins Visier als vielmehr die "Nebenkriegsschauplätze" und "Seelenräume". Das beginnt mit drei unterschiedlichen Erzählungen aus der Perspektive kriegspielender Kinder, zwei davon komisch, die dritte tragisch, und sie endet bei Anbruch des Zweiten Weltkriegs mit der Erinnerung einer gealterten Frau an ihren ersten Mann und sein unheimliches Fremdwerden durch die Einwirkung des damaligen Krieges. Die Autorin, Irène Némirovsky, Exilrussin und Jüdin, wurde bald darauf von Paris nach Auschwitz deportiert.
Abgesehen von dieser Rahmung, ist bei der Textfolge kein Ordnungsprinzip auszumachen. Die längeren Erzählungen wechseln ab mit skizzenhaften Momentaufnahmen, darunter bitter satirische Stücke von Karl Kraus, Jaroslav Hasek und Klabund. Einmal stehen mit August Stramms Staccato aus Schlachtfeldprosa und Gertrude Steins penibel banaler Hauptsatz-Reihung zwei experimentelle Texte nebeneinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die versierteren Erzähler zeigen ihr narratives Können gerade im moralisch Zwielichtigen des Konflikts. Bei Joseph Conrad schickt ein englischer Kommandant einen norwegischen Frachter, dessen Neutralität er misstraut, durch falsche Ortsangabe im Nebel auf ein Riff, Somerset Maugham, selbst Agent des Secret Service in alliierten Diensten, lässt einen voreiligen Kollegen bei einem patriotischen Auftragsmord den Falschen umbringen, und D. H. Lawrence macht einen trivialen belgisch-englischen Liebesverrat zum verhaltenen Drama. Ilja Ehrenburg erzählt von zwei Gegnern, die in Ypern erst die Friedenspfeife rauchen, um einander danach zu erwürgen, und für Musil ist die abgründigste Erfahrung die Ekstase im Angesicht des Todes, ein Schlüsselerlebnis des Autors an der Dolomitenfront, erspürt im Singen eines mörderischen Fliegerpfeils, des "scharfschnäbeligen Vogels Tod, so zauberisch bunt und schwarz", der den Erzähler um ein Haar tötet: "Gottes Nähe in der Nähe meines Körpers".
Die chauvinistische Tonlage ist nur mit einer, freilich erschreckend meisterhaften Erzählung vertreten, mit Kiplings "Mary Postgate". Darin hält eine liebenswerte alte Jungfer einen abgestürzten deutschen Bomberpiloten mit vorgehaltener Pistole so lange in Schach, bis er verröchelt. Die Ehrenrettung dieser Geschichte durch aufgeklärte Kritiker, die hier eine subtile psychologische Fallstudie zu sehen meinen, erweist sich als naiv oder schönfärberisch - schließlich heißt der Refrain der abschließenden und meist (so auch hier) fortgelassenen Ballade: "When England began to hate". Später, als sein eigener Sohn unter den Vermissten war, schrieb Kipling in anderer Tonart "The Gardner", die Suche einer Frau nach dem Geliebten auf dem flandrischen Gräberfeld - und den Grabspruch für die Millionen von Toten "If any question why we died, / Tell them, because our fathers lied." Er meinte damit auch sich selbst.
Hier ist an jenen 2. September 1914 zu erinnern, als im Namen der Regierung Asquith der tüchtige Beamte Charles Masterman (nomen est omen) alles, was im literarischen England Rang und Namen hatte, auf die patriotische Pflicht der Stunde einschwor, um im Hinblick auf die öffentliche Meinung in Europa und vor allem Amerika auch die Literatur in den Dienst der Propaganda zu nehmen. Der sozialistische H. G. Wells und der reaktionäre Kipling arbeiteten, wie viele andere, Seite an Seite bei diesem streng geheimen Unternehmen mit, und Arthur Conan Doyle holte eigens seinen Sherlock Holmes aus dem verdienten Ruhestand, um einen deutschen Meisterspion zu entlarven.
Später nannte Conan Doyle nach einer sorgfältig präparierten Besichtigungstour die Schützengräben "the most wonderful spot in the world". Trotzdem hätte man seine Geschichte (vielleicht um den Preis einiger Streichungen von Marginalem) gern in dieser originellen Sammlung dabeigehabt, denn sie ist gut erzählt.
WERNER VON KOPPENFELS
"Über den Feldern".
Der Erste Weltkrieg in
großen Erzählungen der Weltliteratur.
Hrsg. von Horst Lauinger. Manesse Verlag, Zürich 2014. 784 S., geb., 29,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ulrich Baron lobt den vielfältigen Autorenfundus, den Horst Lauinger für seinen Sammelband "Über den Feldern" zusammengetragen hat, auch wenn er sich noch etwas mehr Mut beim Verlassen des hochliterarischen Kanons gewünscht hätte. Die versammelten Werke - von Heinrich Mann über Tolstoi, Céline, Faulkner, bis Stein und Woolf ist das meiste von Rang und Namen vertreten - sind allesamt im oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstanden und thematisieren ihn auf die eine oder andere Weise, erklärt der Rezensent, doch so international die Autoren sind, und von so unterschiedlichem Gemüt, so unterschiedlich nähern sie sich dem Thema. Keine der Erzählungen beschwört allerdings die "nackte Wirklichkeit des Maschinenkrieges" eines (nicht vertretenen) Ernst Jüngers, eine Facette, die zwar fehlt, was aber der "Inflationierung des Grauens" entgegenwirkt, so Baron.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die meisterhaften Erzählungen bekräftigen den Rang, den beste Literatur einnimmt: Verlässlicher Lotse durch Welt und Zeitläufte.« BuchMarkt