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Die Habilitation des jungen Carl Stumpf Über die Grundsätze der Mathematik, 1870 bei Hermann Lotze in Göttingen verfasst, wurde zu Lebzeiten Stumpfs nicht veröffentlicht. In seiner "Selbstdarstellung" (1924) gab Stumpf als Grund für die Nichtveröffentlichung an, dass ihm die nichteuklidische Geometrie über den Kopf gewachsen sei. Die nichteuklidische Geometrie wird aber nur am Rande erwähnt; die Bedeutung der Arbeit liegt nicht in rein mathematischen, sondern in philosophischen Grundlagenfragen axiomatischer Erkenntnis. Stumpf nimmt den um die Mitte des 19. Jahrhunderts sich anbahnenden…mehr

Produktbeschreibung
Die Habilitation des jungen Carl Stumpf Über die Grundsätze der Mathematik, 1870 bei Hermann Lotze in Göttingen verfasst, wurde zu Lebzeiten Stumpfs nicht veröffentlicht. In seiner "Selbstdarstellung" (1924) gab Stumpf als Grund für die Nichtveröffentlichung an, dass ihm die nichteuklidische Geometrie über den Kopf gewachsen sei. Die nichteuklidische Geometrie wird aber nur am Rande erwähnt; die Bedeutung der Arbeit liegt nicht in rein mathematischen, sondern in philosophischen Grundlagenfragen axiomatischer Erkenntnis.
Stumpf nimmt den um die Mitte des 19. Jahrhunderts sich anbahnenden Umbruch und Paradigmenwechsel in der mathematischen Wissenschaft zum Anlass, um eine wesentlich allgemeinere Frage zu erörtern, nämlich: "Gibt es Erkenntnisse von wissenschaftlicher Bedeutung, die sich in keiner Weise, weder unmittelbar noch mittelbar, auf die Erfahrung gründen; und wenn es solche gibt, welches ist ihre Quelle?" Stumpf wird die Frage nach der Quelle erfahrungsfreien Wissens bejahen und sich kritisch mit alternativen Erklärungsansätzen - der Philosophie der Mathematik im Rahmen des Transzendentalen Idealismus (Immanuel Kant) und des Empirismus (John Stuart Mill) - auseinandersetzen. In diesem Kontext nimmt er Positionen vorweg, die sich viele Jahre später bei Gottlob Frege und Edmund Husserl wiederfinden lassen. Gewissermaßen als "Experimentum crucis" wird in allen Fällen der Begriff der Zahl in Anspruch genommen.
Von Psychologie ist in der Habilitation noch nicht die Rede; aber sie scheint unmittelbar Anlass für Stumpf gewesen zu sein, sich in einem nächsten Schritt der akribischen Analyse der menschlichen (Raum-) Wahrnehmung und der psychologischen Vorstellungstätigkeit als Erfahrungsbasis jeglicher Erkenntnis anzunehmen.
Autorenporträt
Der Philosoph und Psychologe Carl Stumpf (1848-1936) hat den Begriff Sachverhalt in die Philosophie eingeführt und sich damit in diesem Fach einen Namen gemacht. Denn er gilt außerdem als Begründer der vergleichenden Musikwissenschaft.Stumpf war ein Schüler von Franz Brentano und Rudolf Hermann Lotze, unter dem er 1868 seine Dissertation in Göttingen verfasste. Nach seiner Habilitation 1870 wurde er nacheinander Professor an der Universität von Würzburg, Prag, Halle, München und Berlin. Als Lehrer hatte er einen wichtigen Einfluss auf Edmund Husserl, welcher als Begründer der modernen Phänomenologie gilt.Stumpfs Schüler Max Wertheimer, Kurt Koffka und Wolfgang Köhler gründeten die Berliner Schule der Gestalttheorie.