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Mit diesem Band erscheint im Rahmen des Corpus Victorinum die deutsche Übersetzung eines der bedeutendsten theologischen Werke des 12. Jahrhunderts. Was das Wort »Heiltum« für »sacramentum« im Titel und im gesamten Text angeht, wurde es gewählt, weil heute das Wort »Sakrament« eingeschränkt auf die sieben Sakramente verstanden wird; diese enge Bedeutung hatte es zur Zeit Hugos von Sankt Viktor nicht. Das Wort »Heiltum« wurde in früherem Deutsch durchaus auch für die Eucharistie gebraucht, etwa für die Hostie in der Monstranz, aber eben auch in einem weiteren Sinn wie für die Lesung der…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesem Band erscheint im Rahmen des Corpus Victorinum die deutsche Übersetzung eines der bedeutendsten theologischen Werke des 12. Jahrhunderts. Was das Wort »Heiltum« für »sacramentum« im Titel und im gesamten Text angeht, wurde es gewählt, weil heute das Wort »Sakrament« eingeschränkt auf die sieben Sakramente verstanden wird; diese enge Bedeutung hatte es zur Zeit Hugos von Sankt Viktor nicht. Das Wort »Heiltum« wurde in früherem Deutsch durchaus auch für die Eucharistie gebraucht, etwa für die Hostie in der Monstranz, aber eben auch in einem weiteren Sinn wie für die Lesung der Heiligen Schrift. So verweist das heute kaum mehr gebräuchliche Wort »Heiltum« auf ein früheres Sprachverständnis. Diese Übersetzung wird von zwei Apparaten begleitet. Der Textapparat kennzeichnet alle Stellen, an denen der deutsche Text nicht die zugrundeliegende lateinische Ausgabe von R. Berndt (2008) wiedergibt, sondern dem Druck der Patrologia latina Jacques-Paul Mignes folgt oder konjiziert. Der Quellenapparat weist alle Stellen nach, an denen Hugo sich ausdrücklich auf eine Vorlage bezieht, wobei alle Zitate gemäß ihrem Wortlaut in diesem Werk übersetzt werden.
Autorenporträt
Peter Knauer SJ, geboren 1935, ist Professor für Fundamentaltheolgie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2010

Einfach die Wahrheit, doch dreifach der Schriftsinn
Peter Knauer hat eine exzellente Übersetzung der theologischen Summe des Hugo von Sankt Viktor vorgelegt

Die gegenwärtige Krise der Kirche macht es notwendig, neu nach dem christlichen Glauben zu fragen. Worin besteht sein Inhalt? Wie will er verstanden werden? Das Entscheidende sei die christliche Praxis, so heißt es. Sie fungiere als Testfall des Christentums. Doch stimmt das? Kann die Botschaft nicht auch Bestand haben, wenn der Botschafter ein Versager ist?

Der aus Sachsen stammende Hugo von Sankt Viktor (gestorben 1141) fragte nach den Zusammenhängen von Theorie und Praxis, von Profanität und Sakralität und von Heil und Heilsgeschichte. Neben Bernhard von Clairvaux und Petrus Abaelard gehört er zu den bedeutendsten Denkern des 12. Jahrhunderts. Schon als Kind hatte Hugo seine Heimat verlassen, wurde Schüler Wilhelms von Champeaux, des Archidiakons von Notre-Dame und Leiters der Kathedralschule von Paris, und trat als junger Mann in das gerade gegründete Augustiner-Chorherrenstift Sankt Viktor bei Paris ein.

In seinem Frühwerk, dem "Lehrbuch über das Studium des Lesens" (Didascalicon de studio legendi) von 1125, leitet Hugo zur Lektüre profaner und sakraler Schriften an. Zugleich entwirft er eine systematische Wissenschaftslehre, die zwischen den profanen wissenschaftlichen Disziplinen und den Bibelwissenschaften differenziert, sie aber auch aufeinander bezieht; und zwar im Blick auf den Menschen. Beide Studienzirkel sind geeint durch das gleiche Ziel: die Selbsterkenntnis und die Erziehung des Menschen zur Weisheit zu fördern.

In seinem letzten Lebensjahrzehnt entstand Hugos voluminöses Hauptwerk "Über die Heilsgeheimnisse des christlichen Glaubens" (De sacramentis christianae fidei). Es gehört zu den ersten theologischen Summen überhaupt und ist nun von Peter Knauer, Jesuit und emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule St. Georgen, erstmals und mustergültig ins Deutsche übersetzt worden. Knauer hat dabei unglaublich schnell und konzentriert gearbeitet: die fast siebenhundert Seiten umfassende Übersetzung folgt der neuen kritischen Edition, die Rainer Berndt, der Herausgeber vorliegender Reihe, im Jahr 2008 präsentierte. Nur in begründeten und im Apparat ausgewiesenen Ausnahmefällen wird von dieser Edition abgewichen und auf den Mignetext von 1854 zurückgegriffen. In einigen Fällen kommt es sogar zu Konjekturen gegenüber beiden Ausgaben, die allesamt plausibel begründet werden.

Natürlich kann man hier und da an der Übersetzung Kritik üben: Warum etwa wird "sacramentum" mit dem altertümlichen "Heiltum" verdeutscht? Das Wort einfach mit "Sakrament" zu übersetzen, geht allerdings auch nicht; denn das gegenwärtig unter "Sakrament" Verstandene ist eingeschränkt auf die sieben Sakramente. Sie aber hat Hugo nicht im Sinn. Das Wort "Sakrament" hat hier die Bedeutung von "Mysterium", von "Geheimnis". Es ist, weil Hugo theologisch an der Heilsgeschichte orientiert ist, am besten mit "Heilsgeheimnis" zu übersetzen.

Ein anderes Beispiel fragwürdiger Übersetzung bietet die im Mittelalter beachtete "Definition" von Glaube, die der Hebräerbrief bietet: "Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht" (Hebr 11,1). Nach Hugo von Sankt Viktor lautet diese Bestimmung des Glaubens in der Übersetzung von Peter Knauer: "Der Glaube ist Substanz von zu erhoffenden Dingen, Beweisgrund von nicht erscheinenden Dingen." Hugo von Sankt Viktor zitiert die lateinische Vulgata. Knauers Übertragung ist getreu dem Lateinischen nachgebildet. Doch geht die Wörtlichkeit hier - und an manch anderer Stelle - nicht doch etwas zu weit?

Andererseits: Gerade diese punktgenaue Übersetzung macht deutlich, worauf es Hugo von Sankt Viktor ankommt: Theologie bei aller wohlgeordneten Argumentationsstruktur nicht als bloßes Gedankenkonstrukt, sondern orientiert an der keineswegs logisch ableitbaren Faktizität der Heilsgeschichte zu betreiben. Erst dadurch gewinnt auch seine Wissenschaftslehre und sein Verständnis profaner Bildung theologisches Profil: dass er sie einzubetten sucht in eine beeindruckende Gesamtschau der Heilsgeschichte, wie sie im vorliegenden Spätwerk entfaltet wird.

Dennoch wirkt manches an diesem Buch fremdartig: So die Einteilung der Welt- und Heilsgeschichte in sechs Phasen: Schöpfung, Fall, Zeit der Natur, Zeit des Gesetzes, Zeit der Gnade und Endzeit. So die Hermeneutik des dreifachen Schriftsinns mit ihrer starken Akzentuierung der Allegorese und Tropologie. Beeindruckend aber ist der Mut, mit dem die gesamte Wirklichkeit in den Blick genommen und theologisch relevant wird. Keine wissenschaftliche Disziplin ist überflüssig, alle zusammen und jede einzelne kommen zum Zug.

Wenn alles, was ist, von Gott kommt, und Gott in allem mächtig, nichts aber mit ihm identisch ist, dann gilt es, alles zu beachten, zu erforschen und auf ihn hin auszulegen, auch und gerade Geschichte; denn hier handelt Gott zu unserem Heil. Geschichte wird Heilsgeschichte. Ihr Ablauf kann nicht deduziert oder gar berechnet werden, sondern muss mit offenem Blick wahrgenommen, im Glauben interpretiert und mitgestaltet werden.

Überhaupt wird Wissenschaft von diesem Autor christologisch begründet, denn Christus selbst ist die Wahrheit und damit der Erkenntnisgrund von allem. Auf ihn, das Wort Gottes, bezieht sich der Glaube. Der aber bringe den Verstand zur Vernunft und versteht sich selbst als die Freiheit zum rechten Handeln. Ein Baum wird nicht durch seine Früchte gut. Sondern umgekehrt: Nur ein guter Baum bringt gute Früchte. Das kann wohl auch heute noch zu denken geben.

MANFRED GERWING

Hugo von Sankt Viktor: "Über die Heiltümer des christlichen Glaubens". Corpus Victorinum: Schriften, Bd.1. Übersetzung von Peter Knauer SJ. Einleitung, Apparate, Bibliographie und Register von Rainer Berndt SJ. Aschendorff Verlag, Münster 2010. 697 S., br., 73,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nichts sei passender als in der derzeitigen kirchlichen Krise über den christlichen Glauben nachzudenken, meint der katholische Theologe Manfred Gerwing und schlägt zu diesem Zweck das nun erstmals in deutscher Übersetzung erschienene Werk von Hugo von Sankt Viktor auf. Die in den letzten Lebensjahren des 1141 gestorbenen, aus Sachsen stammenden Verfassers entstandene  Schrift gilt als dessen Opus Magnum und als eine der ersten theologischen "Summen" überhaupt, erklärt der Rezensent. Er lobt die hervorragende, sich überwiegend auf die kritische lateinische Edition von 2008 stützende Übersetzung von Peter Knauer, nur um sich dann gleich beim Titel unzufrieden zu zeigen. Hier sollte es besser "Heilsgeheimnisse" statt "Heiltümer" heißen, murrt Gerwing, der noch weitere Stellen nennt, wo die Übersetzung seiner Meinung nach zu wörtlich am Original klebt oder zu archaisch überträgt. Insgesamt rühmt er das vorliegende Werk aber für seine rasche und dabei "konzentrierte" Übersetzung, in der Hugo von Sankt Viktor "Geschichte als Heilsgeschichte" auslegt, in der alles "theologisch relevant" ist.

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