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"Auf welche Weise artikulieren Menschen in konfliktträchtigen Situationen - in einem alltäglichen Streit oder einer Tarifauseinandersetzung - Widerspruch und wie rechtfertigen sie ihr Handeln, um dann möglicherweise mit ihrem Gegenüber Einvernehmen oder zumindest einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen? Dieser Frage gilt das Interesse Luc Boltanskis und Laurent Thevenots. Die Autoren entwickeln eine ebenso anregende wie ambitionierte"pragmatische Soziologie", die nicht nur eine neue Sichtweise auf soziale Interaktion eröffnet, sondern als wegweisendes soziologisches Paradigma in Frankreich…mehr

Produktbeschreibung
"Auf welche Weise artikulieren Menschen in konfliktträchtigen Situationen - in einem alltäglichen Streit oder einer Tarifauseinandersetzung - Widerspruch und wie rechtfertigen sie ihr Handeln, um dann möglicherweise mit ihrem Gegenüber Einvernehmen oder zumindest einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen? Dieser Frage gilt das Interesse Luc Boltanskis und Laurent Thevenots. Die Autoren entwickeln eine ebenso anregende wie ambitionierte"pragmatische Soziologie", die nicht nur eine neue Sichtweise auf soziale Interaktion eröffnet, sondern als wegweisendes soziologisches Paradigma in Frankreich intensiv debattiert wird.
Anders als die traditionelle Soziologie, die das Handeln von Individuen, Gruppen und Klassen auf objektive und den Akteuren verborgene Kräfte zurückführte, nehmen Boltanski und Thevenot die Fähigkeit des Menschen ernst, solche Situationen und deren Anforderungen zu meistern, indem sie auf verschiedene Rechtfertigungsprinzipien zurückgreifen, die ihren Ursprung in der Objektwelt sowie in unterschiedlichen Vorstellungen vom Gemeinwohl haben.
Dabei identifizieren die Autoren sechs für unsere heutige Gesellschaft konstitutive Rechtfertigungsordnungen, die ideengeschichtlich in zentralen Werken der politischen Philosophie Gestalt angenommen haben: die der Inspiration bei Augustinus, der häuslichen Sphäre bei Bossuet, des Ruhmes und der öffentlichen Meinung bei Hobbes, des Marktes bei Smith, des Staatsbürgers bei Rousseau und der Industrie bei Saint-Simon. Wie Boltanski und Thevenot unter anderem am Beispiel einer systematischen Analyse von Management-Strategien zeigen, können all diese Rechtfertigungsordnungen in spezifischen gesellschaftlichen Bereichen gleichzeitig präsent sein und den Akteuren als Ausgangs- und Bezugspunkt in ihrem Bemühen um Verständigung und Anerkennung dienen. Mit ihnen lassen sich auch viele Konflikte erklären, die dann entstehen, wenn die Beteiligten - bewusst oder unbewusst - auf unterschiedliche Ordnungen rekurrieren.
AlsSynthese sozialphilosophischer, soziologischer, organisationstheoretischer und ökonomischer Ansätze bietet das Buch eine innovative Perspektive auf Grundfragen der Sozialwissenschaften, die theoretisch reizvoll und zugleich von weit reichender politischer Relevanz sind.
Autorenporträt
Luc Boltanski wurde 1940 als Kind eines jüdischen Arztes und einer katholischen Mutter in Paris geboren. Zunächst Schüler von Pierre Bourdieu, etablierte er dann eine eigene Soziologie der Kritik. 1984 gründete er die Groupe de Sociologie Politique et Morale an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris. Kürzlich wurden seine Adorno-Vorlesungen aus dem Jahre 2008 veröffentlicht
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Robin Celikates begrüßt die mit großer Verspätung erschienene Übersetzung der wichtigen Abhandlung über die soziologische Urteilskraft, die der Bourdieu-Schüler Luc Boltanski zusammen mit seinem Kollegen Laurent Thevenot bereits 1991 in Frankreich publizierte. Boltanskis Überlegungen haben die französische Soziologie "geradezu revolutioniert", betont der Rezensent, da sie von Bourdieus Ansatz abrücken, nach dem alles Handeln die herrschenden sozialen Machtverhältnisse reproduziere. Boltanski nimmt dagegen Akteure beim Wort und untersucht, wie sie ihr Handeln in welcher Situation begründen beziehungsweise rechtfertigen, erklärt Celikates. Dabei erkennen Boltanski und sein Coautor eine regelrechte "Grammatik der Rechtfertigung", die auf die Klassiker der politischen Philosophie zurückgehe, etwa wenn es um das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit gehe. Soweit folgt der Rezensent den Autoren gern. Was er jedoch nicht akzeptieren will, ist, dass sich "Rechtfertigung" tatsächlich immer von den anderen Handlungsmodi wie Liebe, Gewalt und Routine unterscheiden lasse. Dies findet Celikates nicht überzeugend, und er plädiert dafür, "die Soziologie der Kritik doch wieder ein Stück kritische Soziologie" werden zu lassen.

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