Der Bestsellerautor entschlüsselt die Geheimnisse des Erfolgs
Warum sind manche Menschen erfolgreich und andere nicht? Malcolm Gladwell, Bestsellerautor und Star des amerikanischen Buchmarkts, hat die wahren Ursachen des Erfolgs untersucht und darüber ein lehrreiches, faszinierendes Buch geschrieben. Es steckt voller Geschichten und Beispiele, die zeigen, dass auch außergewöhnlicher Erfolg selten etwas mit individuellen Eigenschaften zu tun hat, sondern mit Gegebenheiten, die es dem einen leicht und dem anderen unmöglich machen, erfolgreich zu sein. Die Frage ist nicht, wie jemand ist, sondern woher er kommt - welche Bedingungen haben diesen Menschen hervorgebracht? Auf seiner anregenden intellektuellen Erkundung der Welt der Überflieger erklärt Gladwell unter anderem das Geheimnis der Software-Milliardäre, wie man ein herausragender Fußballer wird, warum Asiaten so gut in Mathe sind und was die Beatles zur größten Band aller Zeiten machte.
Warum sind manche Menschen erfolgreich und andere nicht? Malcolm Gladwell, Bestsellerautor und Star des amerikanischen Buchmarkts, hat die wahren Ursachen des Erfolgs untersucht und darüber ein lehrreiches, faszinierendes Buch geschrieben. Es steckt voller Geschichten und Beispiele, die zeigen, dass auch außergewöhnlicher Erfolg selten etwas mit individuellen Eigenschaften zu tun hat, sondern mit Gegebenheiten, die es dem einen leicht und dem anderen unmöglich machen, erfolgreich zu sein. Die Frage ist nicht, wie jemand ist, sondern woher er kommt - welche Bedingungen haben diesen Menschen hervorgebracht? Auf seiner anregenden intellektuellen Erkundung der Welt der Überflieger erklärt Gladwell unter anderem das Geheimnis der Software-Milliardäre, wie man ein herausragender Fußballer wird, warum Asiaten so gut in Mathe sind und was die Beatles zur größten Band aller Zeiten machte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2009Die Reisfelder der Bronx
Wie wird man ein „Überflieger”? Malcolm Gladwell zu Besuch in Berlin
Es waren zahlreiche Journalisten an diesem Donnerstagabend in der American Academy, denn wenn auch Journalisten und insbesondere Feuilletonisten Vorträgen von der Sorte „Der Weg zum Erfolg” in der Regel skeptisch gegenüberstehen, so lockt sie der Anblick eines Erfolgsjournalisten durchaus. Für einen amerikanischen Ausnahmejournalisten vom Schlage Malcolm Gladwells fährt man durchaus mal heraus an den Berliner Wannsee. Hier stellte der Autor des Magazins The New Yorker seinen neuen Bestseller vor, der in den USA in den vier Wochen seit Erscheinen bereits eine Million Mal verkauft wurde (Malcolm Gladwell: Überflieger Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2009. 272 Seiten, 19,90 Euro).
Gladwell selbst ist das beste Beispiel für sein Thema. 1963 als Kind eines Engländers und einer Jamaicanerin geboren und in Kanada aufgewachsen, kam er früh zur Washington Post, lernte dort, wie er sagt, zehn Jahre lang das Handwerk, und schrieb, als er schon beim New Yorker war, seine ersten beiden Bücher, „Blink!” und „Der Tipping Point”. Nicht außergewöhnliches Talent allerdings habe ihn auf den Olymp des englischsprachigen Journalismus und an die Spitze der Bestsellerlisten gebracht, so Gladwell: entscheidend für seine Karriere seien Glück und Fleiß gewesen.
Für seine These, dass nicht Veranlagung, sondern Zufall und Arbeitsdisziplin entscheidend sind auf dem Weg zum Erfolg, brachte Gladwell einige Beispiele: So las er die Geburtsdaten des Kaders der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft vor, wobei sofort klar wurde, dass eine Mehrzahl der Spieler in den ersten drei Monaten des Jahres Geburtstag feiert. Ähnlich sehe es bei den nationalen Fußballmannschaften aus. Den Grund für diese erstaunliche Ungleichverteilung sieht er darin, dass die Verbände den Stichtag für die Bildung ihrer Ligen auf den 1. Januar legten.
Im Alter von neun Jahren aber, so Gladwell, macht es einen Unterschied, ob man im Januar oder im November geboren sei: Elf Monate Altersunterschied spielten in dieser Phase eine enorme Rolle. Dass dann eher die schon weiterentwickelten Januarkinder gefördert würden und die Novemberkinder frustriert aufgäben, verstehe sich von selbst. Wie der Zufall der Geburt, so prägten weitere Zufälle unser Fortkommen auf der Erfolgsleiter. Gladwell aber ist fest davon überzeugt, dass sich manche dieser Nachteile zumindest eindämmen lassen.
Schüler, lernt von Asien!
Die zweite Bedingung, wenn nicht ein „Überflieger” zu werden, dann doch zumindest einen guten Job zu finden, lasse sich nämlich viel einfacher steuern. Fleißig üben könne schließlich jeder. Man brauche die Schulkinder nur daran zu gewöhnen, von früh bis spät zu lernen, und schon sähen die Ergebnisse bei Mathematik-Olympiaden erheblich besser aus. Allerdings sei diese Einstellung der Arbeit gegenüber in Asien, der Region, die bei Mathe-Tests immer am besten abschneide, weitaus verbreiteter; dort sei man schließlich seit Jahrhunderten an harte Arbeit gewöhnt. Denn die Reiswirtschaft erfordere einen viel höheren Aufwand als die europäische Form der Landwirtschaft. Ackere ein japanischer Bauer 3000 Stunden im Jahr, so verbringe sein langnasiger Kollege alljährlich nur derer 1000 auf dem Feld.
Wenn hier einmal mehr die Statistik als letztes Argument herangezogen wird, so weist Gladwell diesmal immerhin auch auf einen kulturellen Unterschied hin. Und er berichtet davon, wie dieses asiatische, auf langes, konzentriertes Lernen ausgerichtete Schulkonzept inzwischen auch in den USA, vor allem in schwarzen Problembezirken Anwendung findet. Die Ergebnisse sind, was wenig überrascht, sehr deutlich: Das Niveau steigt, die Erfolgsaussichten der bis dato benachteiligten Ghettokinder werden besser.
Problematisch ist dabei nicht so sehr die Frage nach den Mitteln, um solche Projekte großflächig zu finanzieren. In Südkorea etwa sind die Bildungsausgaben nicht höhe als anderswo. Problematisch scheint eher, und dieser Aspekt bewegt Gladwell erstaunlicherweise wenig, dass durch derartige, strukturelle Veränderungen auch ein kultureller Wandel befördert werden könnte. Zwar steht nicht zu befürchten, dass in der Bronx demnächst Reis angebaut werden wird. Doch ist selbst für wirtschaftlichen Erfolg Kreativität und selbständiges Denken nötig, geschweige denn für ein glückliches, sich nicht allein über Arbeit definierendes Leben.
Kreativität ebenso wie ein Wissen um die eigenen Bedürfnisse allerdings entwickelt sich nicht beim stundenlangen Zahlen-Exerzitium. Beides bedarf der Muße, des bloßen Nichtstuns. Drillt man seine Kinder, hat man am Ende vielleicht lauter effektive, nutzbringende Softwareprogrammierer. Unwahrscheinlich aber, dass einer von ihnen so etwas wie den New Yorker erfindet, ein Magazin, in dem der faule Bauer an einem lauen Sonntagnachmittag herumblättern kann, um allerlei hochinteressante, wenn auch für den Ackerbau recht unerhebliche Artikel zu lesen. Unwahrscheinlich allerdings, dass es dann überhaupt noch laue Sonntagnachmittage gibt.
TOBIAS LEHMKUHL
Als Überflieger unterwegs: Der amerikanische Journalist und Erfolgsautor Malcolm Gladwell Foto: Corbis
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Wie wird man ein „Überflieger”? Malcolm Gladwell zu Besuch in Berlin
Es waren zahlreiche Journalisten an diesem Donnerstagabend in der American Academy, denn wenn auch Journalisten und insbesondere Feuilletonisten Vorträgen von der Sorte „Der Weg zum Erfolg” in der Regel skeptisch gegenüberstehen, so lockt sie der Anblick eines Erfolgsjournalisten durchaus. Für einen amerikanischen Ausnahmejournalisten vom Schlage Malcolm Gladwells fährt man durchaus mal heraus an den Berliner Wannsee. Hier stellte der Autor des Magazins The New Yorker seinen neuen Bestseller vor, der in den USA in den vier Wochen seit Erscheinen bereits eine Million Mal verkauft wurde (Malcolm Gladwell: Überflieger Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2009. 272 Seiten, 19,90 Euro).
Gladwell selbst ist das beste Beispiel für sein Thema. 1963 als Kind eines Engländers und einer Jamaicanerin geboren und in Kanada aufgewachsen, kam er früh zur Washington Post, lernte dort, wie er sagt, zehn Jahre lang das Handwerk, und schrieb, als er schon beim New Yorker war, seine ersten beiden Bücher, „Blink!” und „Der Tipping Point”. Nicht außergewöhnliches Talent allerdings habe ihn auf den Olymp des englischsprachigen Journalismus und an die Spitze der Bestsellerlisten gebracht, so Gladwell: entscheidend für seine Karriere seien Glück und Fleiß gewesen.
Für seine These, dass nicht Veranlagung, sondern Zufall und Arbeitsdisziplin entscheidend sind auf dem Weg zum Erfolg, brachte Gladwell einige Beispiele: So las er die Geburtsdaten des Kaders der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft vor, wobei sofort klar wurde, dass eine Mehrzahl der Spieler in den ersten drei Monaten des Jahres Geburtstag feiert. Ähnlich sehe es bei den nationalen Fußballmannschaften aus. Den Grund für diese erstaunliche Ungleichverteilung sieht er darin, dass die Verbände den Stichtag für die Bildung ihrer Ligen auf den 1. Januar legten.
Im Alter von neun Jahren aber, so Gladwell, macht es einen Unterschied, ob man im Januar oder im November geboren sei: Elf Monate Altersunterschied spielten in dieser Phase eine enorme Rolle. Dass dann eher die schon weiterentwickelten Januarkinder gefördert würden und die Novemberkinder frustriert aufgäben, verstehe sich von selbst. Wie der Zufall der Geburt, so prägten weitere Zufälle unser Fortkommen auf der Erfolgsleiter. Gladwell aber ist fest davon überzeugt, dass sich manche dieser Nachteile zumindest eindämmen lassen.
Schüler, lernt von Asien!
Die zweite Bedingung, wenn nicht ein „Überflieger” zu werden, dann doch zumindest einen guten Job zu finden, lasse sich nämlich viel einfacher steuern. Fleißig üben könne schließlich jeder. Man brauche die Schulkinder nur daran zu gewöhnen, von früh bis spät zu lernen, und schon sähen die Ergebnisse bei Mathematik-Olympiaden erheblich besser aus. Allerdings sei diese Einstellung der Arbeit gegenüber in Asien, der Region, die bei Mathe-Tests immer am besten abschneide, weitaus verbreiteter; dort sei man schließlich seit Jahrhunderten an harte Arbeit gewöhnt. Denn die Reiswirtschaft erfordere einen viel höheren Aufwand als die europäische Form der Landwirtschaft. Ackere ein japanischer Bauer 3000 Stunden im Jahr, so verbringe sein langnasiger Kollege alljährlich nur derer 1000 auf dem Feld.
Wenn hier einmal mehr die Statistik als letztes Argument herangezogen wird, so weist Gladwell diesmal immerhin auch auf einen kulturellen Unterschied hin. Und er berichtet davon, wie dieses asiatische, auf langes, konzentriertes Lernen ausgerichtete Schulkonzept inzwischen auch in den USA, vor allem in schwarzen Problembezirken Anwendung findet. Die Ergebnisse sind, was wenig überrascht, sehr deutlich: Das Niveau steigt, die Erfolgsaussichten der bis dato benachteiligten Ghettokinder werden besser.
Problematisch ist dabei nicht so sehr die Frage nach den Mitteln, um solche Projekte großflächig zu finanzieren. In Südkorea etwa sind die Bildungsausgaben nicht höhe als anderswo. Problematisch scheint eher, und dieser Aspekt bewegt Gladwell erstaunlicherweise wenig, dass durch derartige, strukturelle Veränderungen auch ein kultureller Wandel befördert werden könnte. Zwar steht nicht zu befürchten, dass in der Bronx demnächst Reis angebaut werden wird. Doch ist selbst für wirtschaftlichen Erfolg Kreativität und selbständiges Denken nötig, geschweige denn für ein glückliches, sich nicht allein über Arbeit definierendes Leben.
Kreativität ebenso wie ein Wissen um die eigenen Bedürfnisse allerdings entwickelt sich nicht beim stundenlangen Zahlen-Exerzitium. Beides bedarf der Muße, des bloßen Nichtstuns. Drillt man seine Kinder, hat man am Ende vielleicht lauter effektive, nutzbringende Softwareprogrammierer. Unwahrscheinlich aber, dass einer von ihnen so etwas wie den New Yorker erfindet, ein Magazin, in dem der faule Bauer an einem lauen Sonntagnachmittag herumblättern kann, um allerlei hochinteressante, wenn auch für den Ackerbau recht unerhebliche Artikel zu lesen. Unwahrscheinlich allerdings, dass es dann überhaupt noch laue Sonntagnachmittage gibt.
TOBIAS LEHMKUHL
Als Überflieger unterwegs: Der amerikanische Journalist und Erfolgsautor Malcolm Gladwell Foto: Corbis
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2009Du bist gar nichts
Malcolm Gladwell schreibt über Erfolgsgeheimnisse
Immer mal wieder denkt man: Jetzt habe ich ihn. Jetzt hat er sich selbst widersprochen. Aber dann entwischt Malcolm Gladwell wieder, hinter seinen Vorhang aus faszinierenden Anekdoten, scharfsinnigen Beobachtungen und spritzigen Ideen. Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht, nicht weniger will der Kanadier und oft "Pop-Soziologe" genannte Autor in seinem Buch "Überflieger" erklären. Erfolg hat wenig mit Talent und Intelligenz zu tun, behauptet er. Du bist, was dein Umfeld und der Zufall aus dir machen.
Für diese Theorie meuchelt Gladwell manchen Mythos: die Beatles? Keine genialen Musiker, sie übten einfach mehr als andere Bands. Bill Gates? Kein Computer-Genie, er schlüpfte nur 1975 durch ein kleines Zeitfenster, das älteren und jüngeren Konkurrenten verschlossen war. Der New Yorker Spitzen-Anwalt Joe Flom? Kein juristisches Naturtalent, er nutzte wie viele jüdische Zeitgenossen eine Marktlücke: die Beratung für feindliche Übernahmen, für die sich die meisten Kollegen zu fein waren.
Das Ergebnis ist eine Theorie des sozialen Determinismus: Wie mutig, kreativ oder intelligent ein Mensch ist, spielt bei Gladwell keine große Rolle. "Die Gesellschaft ist alles, du bist nichts", ruft er allen Wunderkindern zu. Das heißt nicht, dass der Autor keine Empathie für seine Protagonisten zeigt: Wahre Krimis macht er aus ihren Lebensgeschichten. Er lässt sie schwitzen und ackern, begleitet sie in muffige Computersäle, in abgelegene Bergdörfer und in die Nähfabriken von Manhattans Lower Eastside. Er erklärt, warum Enkel jüdischer Lebensmittelhändler aus Polen überdurchschnittlich oft Anwälte wurden, die irischer Einwanderer aber nicht. Und er bringt Fluggäste auf die Idee, sich die Nationalität ihrer Piloten anzusehen: Je nach Herkunft und Muttersprache könnte es sein, dass sie eher eine Bruchlandung riskieren, als den Tower um Hilfe zu bitten.
Gladwells Geschichten sind Kino im Kopf, und sie machen nachdenklich. Aber man sollte nicht zu viel nachdenken. Denn das Erfolgsgeheimnis dieses Buches liegt in der Verpackung: Gladwell schenkt dem Leser goldene Nichtschen in silbernen Döschen. Dass es für jedes seiner Beispiele ein Gegenbeispiel gibt - Leute, die denselben Erfolg mit weniger Arbeit, einer späteren Geburt und ärmeren Eltern erzielt haben -, wischt er weg: Es gibt eben viele Erfolgsfaktoren, und sie wirken bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Also zählt am Ende vielleicht doch, was der Einzelne mit Grips und Willenskraft aus seinen Chancen macht?
Oft genug sind Gladwells Theorien auch einfach banal. Ohne Fleiß kein Preis, erklärt er uns, und beruflicher Erfolg werde stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Eine Soziologin aus Maryland habe in "einer faszinierenden Untersuchung" herausgefunden, dass wohlhabende Eltern ihre Kinder besser fördern als arme. Nun ja.
Darf man Gladwell glauben, dass dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten nicht so verbreitet ist wie hierzulande, wo Begriffe wie "Migrationshintergrund" schon lange die kulturelle Komponente von Karrieren erfassen? Der unbedingte Wille zum Erfolg macht eben nicht aus jedem Tellerwäscher einen Millionär, auch dieser Erkenntnis verdanken die Deutschen ein gewaltiges soziales Umverteilungssystem und Ideen wie Bafög. Und dass der Stichtag für die Einschulung eines Kindes ihm später berufliche Vor- oder Nachteile bringen kann, das wurde sicher schon vor Malcolm Gladwell an den Abendbrottischen in Ulm oder Uelzen diskutiert.
Aber mit weniger Esprit. Man merkt Gladwell an, dass er Journalist und Autor ist: Er denkt in Überschriften und Spannungsbögen und unterfüttert seine Beispiele - so selektiv sie sein mögen - stets mit der passenden Studie aus Oxford, aus dem American Journal of Human Biology, oder auch aus Wikipedia. Die unbekümmerte Art, mit der er wissenschaftliche Forschung massentauglich verbrät und als eigene Idee verkauft, darauf reagieren amerikanische Rezensenten mit wachsender Genervtheit.
Der Medienliebling Gladwell, vor allem für sein erstes Buch "Tipping Point" über Trendforschung noch gefeiert, hat an Glanz verloren. Aber warum? Seine Methode ist dieselbe, die Sprache taufrisch, und Gladwell listet brav alle Quellen auf. Seine Leistung besteht darin, all die Studien nicht nur gefunden, gelesen, verstanden und übersetzt zu haben, sondern sie auch mit Leben gefüllt zu haben.
MELANIE AMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Malcolm Gladwell schreibt über Erfolgsgeheimnisse
Immer mal wieder denkt man: Jetzt habe ich ihn. Jetzt hat er sich selbst widersprochen. Aber dann entwischt Malcolm Gladwell wieder, hinter seinen Vorhang aus faszinierenden Anekdoten, scharfsinnigen Beobachtungen und spritzigen Ideen. Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht, nicht weniger will der Kanadier und oft "Pop-Soziologe" genannte Autor in seinem Buch "Überflieger" erklären. Erfolg hat wenig mit Talent und Intelligenz zu tun, behauptet er. Du bist, was dein Umfeld und der Zufall aus dir machen.
Für diese Theorie meuchelt Gladwell manchen Mythos: die Beatles? Keine genialen Musiker, sie übten einfach mehr als andere Bands. Bill Gates? Kein Computer-Genie, er schlüpfte nur 1975 durch ein kleines Zeitfenster, das älteren und jüngeren Konkurrenten verschlossen war. Der New Yorker Spitzen-Anwalt Joe Flom? Kein juristisches Naturtalent, er nutzte wie viele jüdische Zeitgenossen eine Marktlücke: die Beratung für feindliche Übernahmen, für die sich die meisten Kollegen zu fein waren.
Das Ergebnis ist eine Theorie des sozialen Determinismus: Wie mutig, kreativ oder intelligent ein Mensch ist, spielt bei Gladwell keine große Rolle. "Die Gesellschaft ist alles, du bist nichts", ruft er allen Wunderkindern zu. Das heißt nicht, dass der Autor keine Empathie für seine Protagonisten zeigt: Wahre Krimis macht er aus ihren Lebensgeschichten. Er lässt sie schwitzen und ackern, begleitet sie in muffige Computersäle, in abgelegene Bergdörfer und in die Nähfabriken von Manhattans Lower Eastside. Er erklärt, warum Enkel jüdischer Lebensmittelhändler aus Polen überdurchschnittlich oft Anwälte wurden, die irischer Einwanderer aber nicht. Und er bringt Fluggäste auf die Idee, sich die Nationalität ihrer Piloten anzusehen: Je nach Herkunft und Muttersprache könnte es sein, dass sie eher eine Bruchlandung riskieren, als den Tower um Hilfe zu bitten.
Gladwells Geschichten sind Kino im Kopf, und sie machen nachdenklich. Aber man sollte nicht zu viel nachdenken. Denn das Erfolgsgeheimnis dieses Buches liegt in der Verpackung: Gladwell schenkt dem Leser goldene Nichtschen in silbernen Döschen. Dass es für jedes seiner Beispiele ein Gegenbeispiel gibt - Leute, die denselben Erfolg mit weniger Arbeit, einer späteren Geburt und ärmeren Eltern erzielt haben -, wischt er weg: Es gibt eben viele Erfolgsfaktoren, und sie wirken bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Also zählt am Ende vielleicht doch, was der Einzelne mit Grips und Willenskraft aus seinen Chancen macht?
Oft genug sind Gladwells Theorien auch einfach banal. Ohne Fleiß kein Preis, erklärt er uns, und beruflicher Erfolg werde stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Eine Soziologin aus Maryland habe in "einer faszinierenden Untersuchung" herausgefunden, dass wohlhabende Eltern ihre Kinder besser fördern als arme. Nun ja.
Darf man Gladwell glauben, dass dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten nicht so verbreitet ist wie hierzulande, wo Begriffe wie "Migrationshintergrund" schon lange die kulturelle Komponente von Karrieren erfassen? Der unbedingte Wille zum Erfolg macht eben nicht aus jedem Tellerwäscher einen Millionär, auch dieser Erkenntnis verdanken die Deutschen ein gewaltiges soziales Umverteilungssystem und Ideen wie Bafög. Und dass der Stichtag für die Einschulung eines Kindes ihm später berufliche Vor- oder Nachteile bringen kann, das wurde sicher schon vor Malcolm Gladwell an den Abendbrottischen in Ulm oder Uelzen diskutiert.
Aber mit weniger Esprit. Man merkt Gladwell an, dass er Journalist und Autor ist: Er denkt in Überschriften und Spannungsbögen und unterfüttert seine Beispiele - so selektiv sie sein mögen - stets mit der passenden Studie aus Oxford, aus dem American Journal of Human Biology, oder auch aus Wikipedia. Die unbekümmerte Art, mit der er wissenschaftliche Forschung massentauglich verbrät und als eigene Idee verkauft, darauf reagieren amerikanische Rezensenten mit wachsender Genervtheit.
Der Medienliebling Gladwell, vor allem für sein erstes Buch "Tipping Point" über Trendforschung noch gefeiert, hat an Glanz verloren. Aber warum? Seine Methode ist dieselbe, die Sprache taufrisch, und Gladwell listet brav alle Quellen auf. Seine Leistung besteht darin, all die Studien nicht nur gefunden, gelesen, verstanden und übersetzt zu haben, sondern sie auch mit Leben gefüllt zu haben.
MELANIE AMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Chancenverwerter "Spannend wie ein kriminalistisches Puzzle ... ein Erklärbuch, das die Mechanik des Aufstiegs aus einer völlig neuen Perspektive beleuchtet." (Manager Magazin, 01.01.2009) Erfolg hat viel mit Gelegenheiten zu tun "Kultautor Gladwell zeigt, dass erfolgreiche Leute oft einfach zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort waren." (Tages-Anzeiger, 13.01.2009) Wer ein Überflieger wird - und wer nicht "Das Buch verankert eine gefühlte Wirklichkeit in Fakten ... Manche Erkenntnisse wirken tröstlich, andere inspirierend, denn Überflieger sind am Ende alles andere als Überflieger. Das macht sie ein wenig menschlicher und uns Normalsterbliche ein wenig machtvoller." (Süddeutsche Zeitung, 24.01.2009) Ein forscher Parasit "Understatement gehört zu Gladwells Markenzeichen, ebenso wie der Wuschelkopf und natürlich die Gabe, so lebendig, anschaulich und interessant zu schreiben, dass eine neue Form des Wissenschaftsjournalismus daraus wurde." (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 25.01.2009) Glückspilze "Ein unterhaltsam zu lesendes Buch mit verblüffenden Erkenntnissen." (Frankfurter Rundschau, 30.01.2009) Erfolg ist Glückssache "Der US-Bestseller ist großartige Grundlage für Streitgespräche." (KURIER, 05.02.2009) Überflieger "Ein unterhaltsames und spannendes Buch, das eine ganz neue Perspektive auf das Thema Erfolg eröffnet." (NZZ Online, 23.03.2009) Singen lernen im Striptease-Lokal "Die ausgesprochene Stärke des Autors ist sein glänzendes Storytelling." (Literaturen, 01.04.2009) Was heißt hier "leistungsgerecht"? "Nicht nur sollten wir skeptisch sein gegenüber der Geschichte vom Jahrhundertgenie. Wir sollten uns auch die Anreize und Institutionen genau anschauen, die im Namen der Leistungsgerechtigkeit agieren. Sie sind vielleicht gar nicht so fair."
Uwe Jean Heuser (Die Zeit, 16.04.2009) 1000 Stunden und ein wenig Glück "Die Begeisterung, mit der Gladwell die vertracktesten Zusammenhänge aufdeckt, ist ansteckend. Das Buch wird zum Krimi, und der Autor zum Detektiv, dessen Spürnase kein noch so winziges Beweisstück entgeht." (Die Welt, 25.04.2009) Überflieger "Fesselnde Lektüre, die ein Weltbild verändert." (Capital, 01.05.2009) Überflieger "Für Leser, die Aha-Effekte lieben." (Emotion, 01.11.2009)
Uwe Jean Heuser (Die Zeit, 16.04.2009) 1000 Stunden und ein wenig Glück "Die Begeisterung, mit der Gladwell die vertracktesten Zusammenhänge aufdeckt, ist ansteckend. Das Buch wird zum Krimi, und der Autor zum Detektiv, dessen Spürnase kein noch so winziges Beweisstück entgeht." (Die Welt, 25.04.2009) Überflieger "Fesselnde Lektüre, die ein Weltbild verändert." (Capital, 01.05.2009) Überflieger "Für Leser, die Aha-Effekte lieben." (Emotion, 01.11.2009)