Zwar ist die Rede vom 'Nullpunkt der Literatur' nach 1945 mittlerweile als Mythos erkannt, der aus dem Bedürfnis nach einem moralischen Neuanfang resultierte. Aber implizit scheint die Forschung weiterhin an diesem Mythos festzuhalten, indem sie die Romane z.B. von Böll, Koeppen oder Andersch als ebenso kritische wie ästhetisch avancierte, den Anschluss an die literarische Moderne bewerkstelligende Auseinandersetzungen mit Krieg und Faschismus liest - und bestätigt damit das Selbstverständnis der Schriftsteller. Diese Übereinstimmung zwischen dem Selbstbild der Autoren und ihren Interpreten nimmt sich die vorliegende Studie zum Ausgangspunkt. Erläutert wird zum einen der Zusammenhang zwischen den Textstrukturen und den Strukturen der literarischen Öffentlichkeit, und zum anderen, dass bisherige Interpretationen zu einem wesentlichen Teil revidiert werden müssen: Denn es erweist sich, dass die Romane zwar moderne Oberflächen präsentieren, unter dieser Oberfläche allerdings vormoderne Personen- und Geschichtskonzepte entwerfen.