Produktdetails
- Verlag: München : Vahlen
- ISBN-13: 9783800606290
- Artikelnr.: 24694730
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2013Entdeckung des Marketings
Der "Wöhe" hat nun die 25. Auflage erreicht
Nicht wenige halten das Buch für altmodisch. In einer Zeit, in der Arbeitspapiere, E-Paper, Diskussionen in elektronischen Foren und Powerpoint-Präsentationen den Wissenschaftsbetrieb beherrschen, muss ein Buch, das vor mehr als 50 Jahren erstmals erschien, antiquiert vorkommen. Und dennoch spricht die Nachfrage eine andere Sprache: Etwa alle zwei Jahre erscheint der "Wöhe" in einer überarbeiteten Neuauflage. Die Gesamtauflage liegt bei knapp 1,5 Millionen Exemplaren. In diesen Tagen geht die 25. Auflage zu ihren Kunden.
Diese Kunden sind vor allem Studenten der Betriebswirtschaftslehre, aber auch Praktiker. Der "Wöhe" ist die erfolgreichste deutschsprachige Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Trotz großer Konkurrenz - im vergangenen Jahr erschienen die "Grundzüge der BWL" von Schierenbeck/Wöhle in 18. Auflage, die "Allgemeine BWL" von Thommen/Achleitner in siebter und die "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" von Vahs/Schäfer-Kunz immerhin in sechster Auflage - kann der "Wöhe" weiterhin einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent unter den etwa sechs erfolgreichsten Einführungen in die Betriebswirtschaftslehre für sich beanspruchen. Der "Wöhe" ist längst eine Institution, die ihren Namensgeber schon lange überlebt hat. Seit vielen Jahren führt Ulrich Döring von der Universität Lüneburg das Werk seines 2007 verstorbenen Saarbrückener Lehrers Günter Wöhe fort. Der Aufwand ist groß. Der Herausgeber gönnt sich nach einer Neuauflage drei Monate, dann beginnt das Sammeln, Sichten und Einfügen für die nächste Auflage.
Für die 25. Auflage hat Döring das Kapitel Absatz gänzlich neu geschrieben. Der auch im deutschen Sprachraum aus der Mode gekommene Begriff wurde getilgt. Auch im "Wöhe" ist jetzt das Marketing angekommen. Entsprechend wurde das gesamte Kapital von den neoklassischen Preis-Absatz-Funktionen entrümpelt. Der früher produktorientierte Ansatz ist einem marktorientierten Ansatz gewichen. "Die Preistheorie ist didaktisch wertvoll, aber praktisch untauglich, denn in der Wirtschaftspraxis hat ein Anbieter bestenfalls eine schemenhafte Vorstellung vom Verlauf ,seiner' Preis-Absatz-Funktion", begründet Döring die Neuausrichtung.
Solche durchaus auch wertenden Hinweise finden sich trotz aller inhaltlichen Kürze, Strenge und Sachlichkeit immer wieder im Buch. Sie geben dem angehenden Betriebswirt eine nützliche Orientierung. "Unternehmen sind gut beraten, dem Preiswettbewerb auszuweichen und stattdessen auf dem Feld des Produktwettbewerbs um die Gunst der Nachfrager zu kämpfen" ist ein ebenso nützlicher Hinweis wie jener, dass es auf die langfristige Gewinnerzielung ankommt. Auch die Grenzen der Bilanzanalyse werden erfreulich klar aufgezeigt. Es spricht für den Realitätsbezug des Autors, hier darauf zu verweisen, dass der Jahresabschluss lediglich "eine Reihe von Indizien liefert, die eine Grobklassifizierung der Unternehmen" in gute und schlechte erlauben. Den Jahresüberschuss als Ergebnisgröße schlicht als "unbrauchbar" zu klassifizieren, muss man nicht teilen, zumal es offenbar auch für Döring wenig Alternativen gibt. Denn auch den Cash flow, der in der Praxis oft als die bessere und wichtigere Kennzahl herangezogen wird, hält Döring "als Ergebnismaßstab für problematisch bis unbrauchbar". Auch hier ist aber die Orientierung hilfreich und der Hinweis, dass einzelne Kennzahlen nie isoliert betrachtet werden sollten, wenn man sich ein Bild vom Unternehmen machen will.
Das Lehrbuch schützt zudem davor, die Einzeldisziplinen der Betriebswirtschaftslehre zu überschätzen. Angesichts der stark zunehmenden Spezialisierung und Zersplitterung des Fachs ist es eine ganz wichtige Aufgabe, immer wieder die Einzelteile zusammenzufügen. Die Betriebswirtschaftslehre soll dazu befähigen, Unternehmen zu führen. Je weiter oben jemand in der Führung tätig ist, um so wichtiger ist die Gesamtsicht auf das Unternehmen und die Einsicht, dass ein Unternehmen in erster Linie dazu da ist, Produkte und Dienstleistungen am Markt anzubieten, die auf eine Nachfrage stoßen. Alles andere - das Marketing, die Personalpolitik, das Rechnungswesen, die Rechtsformwahl - ist diesem Ziel untergeordnet. Insofern wünschte man sich allerdings, dass der Produktpolitik etwas mehr Raum gegeben würde. Gerade in Zeiten technischen Umbruchs, vor allem der zunehmenden Digitalisierung, ist es in fast allen Branchen notwendig, über neue Produkte nachzudenken. Jüngste Beispiele wie Nokia zeigen, wie schnell heute noch erfolgreiche Produkte morgen schon tot sein können.
Vergessen hat auch der neueste "Wöhe" die Elektronik und das Internet nicht. Es ist unter den Absatzkanälen ebenso aufgeführt wie im separaten Kapitel Informationswirtschaft. Der geringe Stellenwert mag manchen Leser überraschen, zeigt aber deutlich, dass es außer dem Internet immer noch mehr gibt. Döring ist dem Wunsch der Leser nach einer kompakteren Darstellung entgegengekommen, indem die Neuauflage mit 960 Textseiten die 24. Auflage um 60 Seiten unterbietet. Dass dennoch Platz blieb, immer wieder kleine Praxisbeispiele einzufügen, macht das Buch anschaulicher und lebendiger. Es ist dem Autor zugutezuhalten, dass die Beispiele sehr aktuell und erfreulich kurz gehalten sind, also nicht in epische Fallbeispiele ausarten, und gerade deswegen das zuvor theoretisch Gesagte sehr gut und einleuchtend illustrieren.
An der einen oder anderen Stelle wünschte man sich einen Satz mehr (Kybernetischer Ansatz der BWL, Franchising oder Werbeträgergruppen) oder gar die Aufnahme in das Buch (Nachhaltigkeitsberichterstattung, integrierte Berichterstattung, Steuervermeidung auch durch grenzüberschreitende Gewinnverlagerung). Bei einem Buch, das die gesamte Bandbreite der Betriebswirtschaftslehre abdeckt, ist eine solche Diskussion über einzelne Stichwörter aber müßig.
Insgesamt liefert das Buch auch nach 50 Jahren - die erste Auflage kam 1960 auf den Markt - noch einen hervorragenden Überblick über das Fach. Seiner Aufgabe als Orientierungshilfe und Überblick wird es voll gerecht und ist zudem mit 32,90 Euro recht preiswert. Es bleibt zu wünschen, dass der inzwischen 68 Jahre alte Döring nach der von ihm noch maßgeblich zu bearbeitenden nächsten Auflage einen jungen Nachfolger findet, der das Buch mit ebensoviel Einsatz weiterführt.
Das wird nicht leicht, denn das Anreizsystem in der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre honoriert heute nur Veröffentlichungen in Journalen, nicht aber die mühsame Herausgabe eines Lehrbuchs. Die seit vielen Jahren gleichbleibend stabil hohe Nachfrage nach dem "Wöhe" zeigt aber, dass es hier eine Nachfrage gibt. Und eine bestehende Nachfrage sollte doch für marktorientierte Betriebswirte der edelste aller Antriebe sein.
GEORG GIERSBERG.
Günter Wöhe / Ulrich Döring: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
Vahlen, München 2013, 1018 Seiten, 32,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der "Wöhe" hat nun die 25. Auflage erreicht
Nicht wenige halten das Buch für altmodisch. In einer Zeit, in der Arbeitspapiere, E-Paper, Diskussionen in elektronischen Foren und Powerpoint-Präsentationen den Wissenschaftsbetrieb beherrschen, muss ein Buch, das vor mehr als 50 Jahren erstmals erschien, antiquiert vorkommen. Und dennoch spricht die Nachfrage eine andere Sprache: Etwa alle zwei Jahre erscheint der "Wöhe" in einer überarbeiteten Neuauflage. Die Gesamtauflage liegt bei knapp 1,5 Millionen Exemplaren. In diesen Tagen geht die 25. Auflage zu ihren Kunden.
Diese Kunden sind vor allem Studenten der Betriebswirtschaftslehre, aber auch Praktiker. Der "Wöhe" ist die erfolgreichste deutschsprachige Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Trotz großer Konkurrenz - im vergangenen Jahr erschienen die "Grundzüge der BWL" von Schierenbeck/Wöhle in 18. Auflage, die "Allgemeine BWL" von Thommen/Achleitner in siebter und die "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" von Vahs/Schäfer-Kunz immerhin in sechster Auflage - kann der "Wöhe" weiterhin einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent unter den etwa sechs erfolgreichsten Einführungen in die Betriebswirtschaftslehre für sich beanspruchen. Der "Wöhe" ist längst eine Institution, die ihren Namensgeber schon lange überlebt hat. Seit vielen Jahren führt Ulrich Döring von der Universität Lüneburg das Werk seines 2007 verstorbenen Saarbrückener Lehrers Günter Wöhe fort. Der Aufwand ist groß. Der Herausgeber gönnt sich nach einer Neuauflage drei Monate, dann beginnt das Sammeln, Sichten und Einfügen für die nächste Auflage.
Für die 25. Auflage hat Döring das Kapitel Absatz gänzlich neu geschrieben. Der auch im deutschen Sprachraum aus der Mode gekommene Begriff wurde getilgt. Auch im "Wöhe" ist jetzt das Marketing angekommen. Entsprechend wurde das gesamte Kapital von den neoklassischen Preis-Absatz-Funktionen entrümpelt. Der früher produktorientierte Ansatz ist einem marktorientierten Ansatz gewichen. "Die Preistheorie ist didaktisch wertvoll, aber praktisch untauglich, denn in der Wirtschaftspraxis hat ein Anbieter bestenfalls eine schemenhafte Vorstellung vom Verlauf ,seiner' Preis-Absatz-Funktion", begründet Döring die Neuausrichtung.
Solche durchaus auch wertenden Hinweise finden sich trotz aller inhaltlichen Kürze, Strenge und Sachlichkeit immer wieder im Buch. Sie geben dem angehenden Betriebswirt eine nützliche Orientierung. "Unternehmen sind gut beraten, dem Preiswettbewerb auszuweichen und stattdessen auf dem Feld des Produktwettbewerbs um die Gunst der Nachfrager zu kämpfen" ist ein ebenso nützlicher Hinweis wie jener, dass es auf die langfristige Gewinnerzielung ankommt. Auch die Grenzen der Bilanzanalyse werden erfreulich klar aufgezeigt. Es spricht für den Realitätsbezug des Autors, hier darauf zu verweisen, dass der Jahresabschluss lediglich "eine Reihe von Indizien liefert, die eine Grobklassifizierung der Unternehmen" in gute und schlechte erlauben. Den Jahresüberschuss als Ergebnisgröße schlicht als "unbrauchbar" zu klassifizieren, muss man nicht teilen, zumal es offenbar auch für Döring wenig Alternativen gibt. Denn auch den Cash flow, der in der Praxis oft als die bessere und wichtigere Kennzahl herangezogen wird, hält Döring "als Ergebnismaßstab für problematisch bis unbrauchbar". Auch hier ist aber die Orientierung hilfreich und der Hinweis, dass einzelne Kennzahlen nie isoliert betrachtet werden sollten, wenn man sich ein Bild vom Unternehmen machen will.
Das Lehrbuch schützt zudem davor, die Einzeldisziplinen der Betriebswirtschaftslehre zu überschätzen. Angesichts der stark zunehmenden Spezialisierung und Zersplitterung des Fachs ist es eine ganz wichtige Aufgabe, immer wieder die Einzelteile zusammenzufügen. Die Betriebswirtschaftslehre soll dazu befähigen, Unternehmen zu führen. Je weiter oben jemand in der Führung tätig ist, um so wichtiger ist die Gesamtsicht auf das Unternehmen und die Einsicht, dass ein Unternehmen in erster Linie dazu da ist, Produkte und Dienstleistungen am Markt anzubieten, die auf eine Nachfrage stoßen. Alles andere - das Marketing, die Personalpolitik, das Rechnungswesen, die Rechtsformwahl - ist diesem Ziel untergeordnet. Insofern wünschte man sich allerdings, dass der Produktpolitik etwas mehr Raum gegeben würde. Gerade in Zeiten technischen Umbruchs, vor allem der zunehmenden Digitalisierung, ist es in fast allen Branchen notwendig, über neue Produkte nachzudenken. Jüngste Beispiele wie Nokia zeigen, wie schnell heute noch erfolgreiche Produkte morgen schon tot sein können.
Vergessen hat auch der neueste "Wöhe" die Elektronik und das Internet nicht. Es ist unter den Absatzkanälen ebenso aufgeführt wie im separaten Kapitel Informationswirtschaft. Der geringe Stellenwert mag manchen Leser überraschen, zeigt aber deutlich, dass es außer dem Internet immer noch mehr gibt. Döring ist dem Wunsch der Leser nach einer kompakteren Darstellung entgegengekommen, indem die Neuauflage mit 960 Textseiten die 24. Auflage um 60 Seiten unterbietet. Dass dennoch Platz blieb, immer wieder kleine Praxisbeispiele einzufügen, macht das Buch anschaulicher und lebendiger. Es ist dem Autor zugutezuhalten, dass die Beispiele sehr aktuell und erfreulich kurz gehalten sind, also nicht in epische Fallbeispiele ausarten, und gerade deswegen das zuvor theoretisch Gesagte sehr gut und einleuchtend illustrieren.
An der einen oder anderen Stelle wünschte man sich einen Satz mehr (Kybernetischer Ansatz der BWL, Franchising oder Werbeträgergruppen) oder gar die Aufnahme in das Buch (Nachhaltigkeitsberichterstattung, integrierte Berichterstattung, Steuervermeidung auch durch grenzüberschreitende Gewinnverlagerung). Bei einem Buch, das die gesamte Bandbreite der Betriebswirtschaftslehre abdeckt, ist eine solche Diskussion über einzelne Stichwörter aber müßig.
Insgesamt liefert das Buch auch nach 50 Jahren - die erste Auflage kam 1960 auf den Markt - noch einen hervorragenden Überblick über das Fach. Seiner Aufgabe als Orientierungshilfe und Überblick wird es voll gerecht und ist zudem mit 32,90 Euro recht preiswert. Es bleibt zu wünschen, dass der inzwischen 68 Jahre alte Döring nach der von ihm noch maßgeblich zu bearbeitenden nächsten Auflage einen jungen Nachfolger findet, der das Buch mit ebensoviel Einsatz weiterführt.
Das wird nicht leicht, denn das Anreizsystem in der wissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre honoriert heute nur Veröffentlichungen in Journalen, nicht aber die mühsame Herausgabe eines Lehrbuchs. Die seit vielen Jahren gleichbleibend stabil hohe Nachfrage nach dem "Wöhe" zeigt aber, dass es hier eine Nachfrage gibt. Und eine bestehende Nachfrage sollte doch für marktorientierte Betriebswirte der edelste aller Antriebe sein.
GEORG GIERSBERG.
Günter Wöhe / Ulrich Döring: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
Vahlen, München 2013, 1018 Seiten, 32,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main