«Wie muss eine Sprache beschaffen sein, die es erlaubt, sinnvoll über Musik zu sprechen?« (S. 17) Auf der Suche nach dieser verlorenen oder überhaupt erst zu gewinnenden Sprache wächst sich Jakob Ullmanns allzu bescheiden «Untersuchung« genanntes Konvolut zu wahrhaft Proust´schen Dimensionen aus: In
seinem Umfang, in der Fülle gleichermaßen verblüffender wie faszinierender Hypothesen und in dem…mehr«Wie muss eine Sprache beschaffen sein, die es erlaubt, sinnvoll über Musik zu sprechen?« (S. 17) Auf der Suche nach dieser verlorenen oder überhaupt erst zu gewinnenden Sprache wächst sich Jakob Ullmanns allzu bescheiden «Untersuchung« genanntes Konvolut zu wahrhaft Proust´schen Dimensionen aus: In seinem Umfang, in der Fülle gleichermaßen verblüffender wie faszinierender Hypothesen und in dem Beziehungszauber, der noch die scheinbar entlegensten musikologischen, religiösen, ästhetischen und kulturanthropologischen Einsichten und Standpunkte auf 640 Seiten zu exponieren, zu bündeln und zu verknüpfen weiß.
Der «Ton in der Musik«, dessen Entdeckung der Autor mit interdisziplinärem Beistand (u.a. von Umberto Eco, Pavel Florenskij, Gottlob Frege, Nelson Goodman, Edmond Jabes, Jean Molino, Jean-Jacques Nattiez, Charles Sanders Peirce und Claude Levi-Strauss) nachspürt, ist eine Entität, die sich dem rationalen Zugriff und damit eindeutiger Begrifflichkeit entzieht, von deren Ursprung und realer Gegenwart indessen der byzantinische Gesang und seine schriftliche Überlieferung beredtes Zeugnis ablegen. So stimmt die Umschlaggestaltung des Buchs unter Verwendung einer Handschrift aus dem Kloster Athos den Leser programmatisch auf ein Abenteuer in fünf Stücken ein, das er mit um so größerem Gewinn bestehen wird, je mehr er sich der Kraft des Spirituellen und dem Zauber des Auratischen öffnet, die den «Ton« von Ullmanns Buch wesentlich mitbestimmen.
Der Weg beginnt «An den Rändern der Sprache« («Musik als prekärer Gegenstand wissenschaftlicher Rede«) und endet mit «Jenseits der Worte« («Der dreifache Ausgang der Neuinterpretation von Wort und Zeichen in Bilderstreit und neuer Musik«). In den drei Binnenstücken: «Naturlaut und Klangnatur«, «Klangsprache und Sprachform« und «Ton und Bedeutung« vermisst Ullmann das philosophische Gelände von Platons Phaidros bis zu Martin Heideggers Sein und Zeit, das theologische Terrain von Paulus bis Martin Buber und die Geschichte der Musik von den Anfängen der westlich-abendländischen Musik bis 4´33´´ von John Cage, um die Entdeckung jenes «Tones in der Musik« wie auch sein allmähliches Verstummen, das mit «gewissen Besonderheiten der Musik der abendländischen Tradition« zusammenhängt, transparent zu machen.
Dem Leser bleibt es anheimgestellt, vor dem Hintergrund des hier so profund wie vorher wohl nur bei Thrasybolos Georgiades (Nennen und Erklingen. Die Zeit als Logos) entfalteten geistes- und kulturgeschichtlichen Kosmos die Vorzeichen einer neuen Epiphanie dieses «Tones« wahrzunehmen. Es scheint, als wären sie avanciertesten Werken der neuen Musik - nicht zuletzt auch des Komponisten Jakob Ullmann selbst - abzulauschen.