Das Gedicht, die gebundene und ursprünglich gesungene Rede, ist nicht nur der Anfang, sondern auch die Königsdisziplin der Literatur. Wie der Erfolg von Lyrikfestivals und Poetry Slams, von Anthologien wie Ludwig Reiners' "Ewiger Brunnen" und mancher Lyrik-Neuerscheinung zeigt, sind Gedichte populär. Die Zahl der Freizeitdichter und Gedichtleser ist, das kann man im Internet sehen, gewaltig. Wahr ist aber auch, dass das moderne Gedicht nicht selten rätselhaft ist und der Erklärung bedarf. Nach seinem erfolgreichen und weithin gelobten "Leseverführer", der sich vor allem dem Roman zuwandte, widmet sich Ulrich Greiner, Literaturkritiker der ZEIT, in seinem neuen Buch nun dem Gedicht. In sieben Kapiteln beantwortet er die Frage: Was ist ein Gedicht? Kundig und klug, für Laien eine Art Erste Hilfe, für Kenner ein Entdecken und Wiederfinden, liefern diese Kapitel Zugänge zur Geschichte und zu den Formen des Gedichts. Im zweiten Teil schildert Ulrich Greiner zehn exemplarische Lektüren alter wie moderner Gedichte und beantwortet ebenso elegant wie fundiert die Frage: Wie versteht man ein Gedicht? Für alle, die Gedichte lieben und mehr über sie wissen wollen, aber auch für jene, die sich der Poesie erst nähern möchten, ist diese "Gebrauchsanweisung" ein anregender, kluger und unterhaltsamer Gewinn.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2009Sieben Sachen
Ein Gedicht sei sieben Sachen, sagt Ulrich Greiner. Der Literaturkritiker der "Zeit" deutet Dichtung als Erzählung, Lied, Gefühl, Idee, Form, Rätsel und Spiel, und jede dieser Kategorien erklärt er in einem eigenen Kapitel seines "Lyrikverführers". Wie in seinem "Leseverführer" (2005) traut sich Greiner wieder, "ich" zu sagen, und setzt auf die direkte Ansprache der Leser, die er auch mal mit einem rätselhaften Gedicht Lorcas alleinlässt: "Was es für den jeweiligen Leser heißt, müssen Sie selbst herausfinden." Trotz solcher Zurücknahme verrät der Band natürlich nicht nur viel über Lyrik, sondern auch über die Vorlieben des Lyrik-Lesers Greiner, der von Superlativen eigentlich wenig hält, aber Rilke den größten deutschen Dichter nennt und von Morgenstern gar nicht genug kriegen kann. Den Pauker gibt Greiner nie, was nicht heißt, dass er völlig auf Verslehre verzichten würde, nur fließt ihr Vokabular eher beiläufig ein. Auf die sieben Schlagworte im ersten Teil folgen elf Gedichtinterpretationen, die Greiner für die Frankfurter Anthologie dieser Zeitung schrieb. (Ulrich Greiner: "Ulrich Greiners Lyrikverführer". Eine Gebrauchsanweisung zum Lesen von Gedichten. Verlag C. H. Beck, München 2009. 217 S., geb., 14,90 [Euro].) grae
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Gedicht sei sieben Sachen, sagt Ulrich Greiner. Der Literaturkritiker der "Zeit" deutet Dichtung als Erzählung, Lied, Gefühl, Idee, Form, Rätsel und Spiel, und jede dieser Kategorien erklärt er in einem eigenen Kapitel seines "Lyrikverführers". Wie in seinem "Leseverführer" (2005) traut sich Greiner wieder, "ich" zu sagen, und setzt auf die direkte Ansprache der Leser, die er auch mal mit einem rätselhaften Gedicht Lorcas alleinlässt: "Was es für den jeweiligen Leser heißt, müssen Sie selbst herausfinden." Trotz solcher Zurücknahme verrät der Band natürlich nicht nur viel über Lyrik, sondern auch über die Vorlieben des Lyrik-Lesers Greiner, der von Superlativen eigentlich wenig hält, aber Rilke den größten deutschen Dichter nennt und von Morgenstern gar nicht genug kriegen kann. Den Pauker gibt Greiner nie, was nicht heißt, dass er völlig auf Verslehre verzichten würde, nur fließt ihr Vokabular eher beiläufig ein. Auf die sieben Schlagworte im ersten Teil folgen elf Gedichtinterpretationen, die Greiner für die Frankfurter Anthologie dieser Zeitung schrieb. (Ulrich Greiner: "Ulrich Greiners Lyrikverführer". Eine Gebrauchsanweisung zum Lesen von Gedichten. Verlag C. H. Beck, München 2009. 217 S., geb., 14,90 [Euro].) grae
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