((Please scroll down for English version)) Mit seiner Teilnahme an der documenta 14 wurde Ulrich Wüst 2017 auch international als wichtiger dokumentarisch-künstlerischer Fotograf Deutschlands bekannt. Seit den 70er Jahren dokumentiert er den Zustand und die Entwicklung ostdeutscher Städte. Mit seinen Schwarzweiß-Bildern, die wunderbar präzise das fragile Gleichgewicht zwischen vermeintlicher Objektivität und subjektiver Ironie halten, kommentierte er die Veränderung der Städte und den Verlust der gesellschaftlichen Vision zu DDR Zeiten. Die »Stadtbilder« die Ulrich Wüst von 1979 bis 1985 fotografierte, gelten als die wichtigste Werkgruppe seiner DDR Jahre. Sie werden mit diesem Buch nun erstmals umfassend abgebildet und kommentiert werden. Die ca. 80 Abbildungen beinhalten die kompletten fünfzig Bilder des edierten »Stadt-bilder« Portfolios sowie neue weitere Bilder, die erst kürzlich von Ulrich Wüst erstmals abgezogen wurden. Ulrich Wüst (_1949) studierte an der Hoch-schule für Architektur und Bauwesen in Wei-mar. Bis 1977 arbeitete er als Stadtplaner, danach als Bildredakteur und ab 1983 als freischaffender Fotograf. Mitte der 1980er gehörte er zu den wichtigsten Fotografen in der DDR. Er lebt und arbeitet in Berlin und Mecklenburg. Frühere Ausstellungen: Berlinische Galerie, Chrysler Museum of Art, Norfolk, C/O Berlin, documenta 14, Kassel, Fotomuseum Winterthur, Leonhardi-Museum, Dresden, Los Angeles County Museum of Art, MIT Museum, BostonUlrich Wüst became known to an international audience as an important documentary art photographer when he participated in documenta 14 in 2017. He has been documenting the status and development of East German cities since the 1970s. His black-and-white photographs strike a careful balance between presumed objectivity and subtle irony, and they comment on the transformation of cities and the lack of a societal vision in the GDR. "Stadtbilder", photographed by Wüst from 1979 to 1985, is considered his most importantbody of work from that period. For the first time, they are now being presented in a comprehensible fashion with added commentary in this book. The approximately 80 plates include the full set of 50 photographs from "Stadtbilder" plus a number of additional pictures that Wüst only recently printed from original negatives.Ulrich Wüst (_1949) studied at the university for architecture and civil engineering in Weimar. Up until 1977, he first worked as a city planner and then as a picture editor. Since 1983, he has been working as a freelance photographer. In the middle of the 1980s, he was considered to be one of the most important photographers in the GDR. He lives and works in Berlin and Mecklenburg. Past exhibitions: Berlinische Galerie, Chrysler Museum of Art, Norfolk, C/O Berlin, docu-menta 14, Kassel, Fotomuseum Winterthur, Leonhardi-Museum, Dresden, Los Angeles County Museum of Art, MIT Museum, Boston
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Jochen Becker betrachtet durch Ulrich Wüsts Linse in "Stadtbilder 1979-1985" zerfallende DDR-Städte und deren Ränder. Zwischen Überresten von Altstadt und Ansätzen von Neubauten, auf die der Fotograf keinen spezifischen Fokus legt, erkennt der Rezensent eine "Poesie des Gemeinen". Durch die Kommentare und das Vorwort lernt Becker hier auch vom Werdegang des Fotografen, der für verschiedene Magazine arbeitete und eher nebenbei die Stadtlandschaften ablichtete. Unter dem Einfluss amerikanischer Fotografien, wandelte sich auch Wüsts Fokus hin zu Fabriken und Stadtimpressionen, wodurch der vorherige Einzelgänger Zugehörigkeit fand, mit dem Rückzug in die Uckermark habe sich seine Motivik nun zum Landleben hin verändert, lernen wir von Becker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2023Flanieren in der Ödnis
Weil man Ulrich Wüsts kleine Schwarz-Weiß-Abzüge eigentlich als Tableau an der Wand sehen muss, möglichst aus Aberdutzenden zusammengesetzt, kam dem Verlag eine so einfache wie einleuchtende Idee: Der Schutzumschlag lässt sich zum Plakat öffnen, das einen mit knapp hundert Aufnahmen augenblicklich hineinzieht in diesen seltsamen Kosmos eines Paradoxes, den Wüst mit seinen Stadtansichten schafft. Denn einerseits gleichen seine menschenleeren Orte einer Art Ruheraum, andererseits sorgen die raffinierten Kompositionen streng gegliederter Flächen dafür, dass das Auge nicht stillhalten kann und fortwährend von Bild zu Bild hüpft. Aber natürlich lohnt sich der genaue Blick auf diese öden Szenerien - auch wenn Wüst den Wert des Einzelbilds relativiert. Denn hinter der vermeintlich dokumentarisch-trocken daherkommenden Bildsprache verbirgt sich teils wohlformulierte Kritik, teils offener Zynismus angesichts der schnöden Wirklichkeit in den Städten und Städtchen der DDR, ob Berlin, Leipzig und Magdeburg oder Schildow und Bad Freienwalde. Dabei untergrub der aufklärerische Impetus, der Wüst als studierten Stadtplaner bei seiner Arbeit antrieb, keineswegs den Kunstcharakter des Werks - der mit der Teilnahme an der Documenta 14 im Jahr 2017 zementiert wurde. Aber natürlich kann man seinen Fotoband auch einfach als Einladung begreifen, sich auf eine Zeitreise zu begeben und an Orten zu spazieren, die nie zum Flanieren eingeladen hatten. F.L.
"Stadtbilder 1979-1985" von Ulrich Wüst. Hartmann Books, Stuttgart 2022. 156 Seiten, zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien. Gebunden, 40 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weil man Ulrich Wüsts kleine Schwarz-Weiß-Abzüge eigentlich als Tableau an der Wand sehen muss, möglichst aus Aberdutzenden zusammengesetzt, kam dem Verlag eine so einfache wie einleuchtende Idee: Der Schutzumschlag lässt sich zum Plakat öffnen, das einen mit knapp hundert Aufnahmen augenblicklich hineinzieht in diesen seltsamen Kosmos eines Paradoxes, den Wüst mit seinen Stadtansichten schafft. Denn einerseits gleichen seine menschenleeren Orte einer Art Ruheraum, andererseits sorgen die raffinierten Kompositionen streng gegliederter Flächen dafür, dass das Auge nicht stillhalten kann und fortwährend von Bild zu Bild hüpft. Aber natürlich lohnt sich der genaue Blick auf diese öden Szenerien - auch wenn Wüst den Wert des Einzelbilds relativiert. Denn hinter der vermeintlich dokumentarisch-trocken daherkommenden Bildsprache verbirgt sich teils wohlformulierte Kritik, teils offener Zynismus angesichts der schnöden Wirklichkeit in den Städten und Städtchen der DDR, ob Berlin, Leipzig und Magdeburg oder Schildow und Bad Freienwalde. Dabei untergrub der aufklärerische Impetus, der Wüst als studierten Stadtplaner bei seiner Arbeit antrieb, keineswegs den Kunstcharakter des Werks - der mit der Teilnahme an der Documenta 14 im Jahr 2017 zementiert wurde. Aber natürlich kann man seinen Fotoband auch einfach als Einladung begreifen, sich auf eine Zeitreise zu begeben und an Orten zu spazieren, die nie zum Flanieren eingeladen hatten. F.L.
"Stadtbilder 1979-1985" von Ulrich Wüst. Hartmann Books, Stuttgart 2022. 156 Seiten, zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien. Gebunden, 40 Euro.
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