Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte ich in Frankfurt am Main den Schriftsteller Ernst Herhaus kennen gelernt und war mit ihm bis zu seinem Tod im Jahre 2010 befreundet. In seinen Büchern stieß ich auf den Namen Ulrike Meinhofs, der Herhaus begegnet war und von der er ein anderes Bild zeichnete als das der gewissenlosen Terroristin, das durch die Medien kolportiert wurde. Das gab mir zu denken, und ich begann mich für Ulrike Meinhof zu interessieren. Ich las ihre Kolumnen, die sie für "konkret" geschrieben hatte, und ihr "letzten texte", die sie in der Haft in Stammheim zu Papier gebracht hatte. Dann erschien "Der Baader-Meinhof-Komplex" von Stefan Aust - ein Buch, das ich verschlang. Ulrike, wie ich sie nun nannte, ließ mir keine Ruhe. Sie war mein Alter Ego, und ich wollte einen Vortrag über sie halten. Ich wandte mich an Ulrikes Pflegemutter Renate Riemeck, die ihre engste Vertraute und Freundin gewesen war. Nachdem ich ihr meine Sicht auf Ulrike Meinhof geschildert und Fragen formuliert hatte, erhielt ich von der Historikerin im Dezember 1985 einen erstaunlichen Brief, in dem sie mir schrieb, dass noch niemand Ulrikes Wesen so gut verstanden hätte wie ich. Im Januar 1986 besuchte ich Renate Riemeck in Alsbach und führte mit ihr ein langes und gutes Gespräch, das die Grundlage meines Vortrags wurde. Obwohl in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Biographien über Ulrike Meinhof erschienen sind, scheint mir mein Vortrag nicht überflüssig zu sein, spiegelt er doch das Lebensbild der Journalistin und Terroristin wider, das von ihrer engsten Vertrauten stammt.
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