Hochsommer, die Luft steht still. Zwei junge Frauen sonnen sich. Plötzlich steht er vor ihnen: Boris. Braungebrannt, muskulös, verführerisch. Alle verfallen ihm. Der Vater blüht auf, die Mutter freut sich über den netten Umgang, und die Töchter können der Anziehung nicht widerstehen. Doch unter der Oberfläche beginnt es zu brodeln, denn keiner möchte so genau wissen, wer der Fremde in Wirklichkeit ist. Und was er von ihnen will. Dass er den verschollenen Sohn im Internat kennengelernt hat, ist wenig wahrscheinlich. Nur der Schwager schöpft Verdacht. Und dieser ist durchaus berechtigt.
Joncour erzählt in der Tradition der Filme von Claude Chabrol davon, wie schnell eine glamouröse Familie aus dem Gleichgewicht geraten kann. Mit Augenzwinkern und Liebe zum Detail, minutiös beobachtet und in einer ganz besonders delikaten Sprache. Seine literarische Qualität liegt im Geheimnisvollen: präzise, hintersinnig und subtil.
Joncour erzählt in der Tradition der Filme von Claude Chabrol davon, wie schnell eine glamouröse Familie aus dem Gleichgewicht geraten kann. Mit Augenzwinkern und Liebe zum Detail, minutiös beobachtet und in einer ganz besonders delikaten Sprache. Seine literarische Qualität liegt im Geheimnisvollen: präzise, hintersinnig und subtil.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2009Ein verlorenes Match
Serge Joncour erzählt von einem seltsamen Betrüger
Man kann dem französischen Autor nicht anlasten, womit sein deutscher Verlag für ihn wirbt. Serge Joncours Roman "Ultraviolett" erzählt laut Klappentext "in der Tradition der Filme von Claude Chabrol davon, wie schnell eine Familie aus dem Gleichgewicht geraten kann". Und im Prospekt wird noch aus der französischen Kritik zitiert: "Der Schatten von Patricia Highsmith ist nie besonders fern."
Beide Behauptungen sind keineswegs völlig aus der Luft gegriffen. Boris, der auf der Île de Bréhat eines Tages plötzlich im blendend weißen Anzug am Swimmingpool der reichen Familie Chassagne auftaucht, kann durchaus als eine Art Wiedergänger von Tom Ripley gelesen werden. Joncour macht die Parallele zum ersten Ripley-Roman auch von seiner Seite aus deutlich, indem er die entscheidenden Szenen des Romans auf einem Boot spielen lässt.
Boris ist angeblich ein früher Internatsmitschüler von Philip, dem Tunichtgut in der Familie, der wie jedes Jahr um diese Zeit erwartet wird, aber diesmal bisher noch nicht aufgetaucht ist. Langsam übernimmt Boris die Macht in der Familie, gewinnt das Herz des Vaters und der Mutter und natürlich der beiden Schwestern von Philip. Nur Philips Schwager, mit einer dieser beiden Schwestern verheiratet, traut ihm nicht, womit er natürlich recht hat, aber dieser André-Pierre ist ein derartig unsympathisch-misanthropischer Kerl, dass niemand auf ihn hören mag. Dabei ist er der Einzige, der ein wenig mehr über die Hintergründe weiß, die hier aber nicht verraten werden sollen.
Denn für Spannung sorgt Joncour schon, und seine Schilderungen des trägen Sommers auf der Atlantikinsel und des ebenso trägen Treibens reicher Leute sind einprägsam: gut gemachtes Genre, nicht ohne Witz und analytische Schärfe, die Sprache kühl und oft treffsicher. Der Roman ist in kurzen Szenen aufgebaut, die nach ihrer Verfilmung geradezu schreien, und er ist natürlich auch verfilmt worden, allerdings nicht von Claude Chabrol.
Das Buch hat allerdings leider zwei entscheidende dramaturgische Fehler. Es liefert uns den Hintergrund, der Boris mit Philip verbindet, erst in einem eiligen Zeitraffer zum Schluss, so dass die Figur des Boris, anders als bei Tom Ripley, ihre Motive und ihre Kontur gleichsam übergestülpt bekommt. Und zweitens möchte Joncour offensichtlich, dass sein Roman und er selbst ganz in der Schwebe und rätselhaft bleiben, und dadurch wird das Ende einfach nur noch ärgerlich.
Bei Patricia Highsmith sind die Toten irgendwann wirklich tot. In "Ultraviolett" indes taucht einer wieder auf, und ganz am Ende gibt es "nur einen Schuss, doch ging von ihm kein Leuchten aus, nicht das winzigste Fünkchen, nicht der geringste Anlass zur Freude". Gar so harte Worte möchte man über Serge Joncours Roman zwar nicht verlieren, aber die Richtung stimmt. Man sollte lieber bei Patricia Highsmith bleiben. Oder ins Kino gehen und einen Chabrol sehen.
JOCHEN SCHIMMANG.
Serge Joncour: "Ultraviolett". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Mälzer-Semlinger. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2008. 173 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Serge Joncour erzählt von einem seltsamen Betrüger
Man kann dem französischen Autor nicht anlasten, womit sein deutscher Verlag für ihn wirbt. Serge Joncours Roman "Ultraviolett" erzählt laut Klappentext "in der Tradition der Filme von Claude Chabrol davon, wie schnell eine Familie aus dem Gleichgewicht geraten kann". Und im Prospekt wird noch aus der französischen Kritik zitiert: "Der Schatten von Patricia Highsmith ist nie besonders fern."
Beide Behauptungen sind keineswegs völlig aus der Luft gegriffen. Boris, der auf der Île de Bréhat eines Tages plötzlich im blendend weißen Anzug am Swimmingpool der reichen Familie Chassagne auftaucht, kann durchaus als eine Art Wiedergänger von Tom Ripley gelesen werden. Joncour macht die Parallele zum ersten Ripley-Roman auch von seiner Seite aus deutlich, indem er die entscheidenden Szenen des Romans auf einem Boot spielen lässt.
Boris ist angeblich ein früher Internatsmitschüler von Philip, dem Tunichtgut in der Familie, der wie jedes Jahr um diese Zeit erwartet wird, aber diesmal bisher noch nicht aufgetaucht ist. Langsam übernimmt Boris die Macht in der Familie, gewinnt das Herz des Vaters und der Mutter und natürlich der beiden Schwestern von Philip. Nur Philips Schwager, mit einer dieser beiden Schwestern verheiratet, traut ihm nicht, womit er natürlich recht hat, aber dieser André-Pierre ist ein derartig unsympathisch-misanthropischer Kerl, dass niemand auf ihn hören mag. Dabei ist er der Einzige, der ein wenig mehr über die Hintergründe weiß, die hier aber nicht verraten werden sollen.
Denn für Spannung sorgt Joncour schon, und seine Schilderungen des trägen Sommers auf der Atlantikinsel und des ebenso trägen Treibens reicher Leute sind einprägsam: gut gemachtes Genre, nicht ohne Witz und analytische Schärfe, die Sprache kühl und oft treffsicher. Der Roman ist in kurzen Szenen aufgebaut, die nach ihrer Verfilmung geradezu schreien, und er ist natürlich auch verfilmt worden, allerdings nicht von Claude Chabrol.
Das Buch hat allerdings leider zwei entscheidende dramaturgische Fehler. Es liefert uns den Hintergrund, der Boris mit Philip verbindet, erst in einem eiligen Zeitraffer zum Schluss, so dass die Figur des Boris, anders als bei Tom Ripley, ihre Motive und ihre Kontur gleichsam übergestülpt bekommt. Und zweitens möchte Joncour offensichtlich, dass sein Roman und er selbst ganz in der Schwebe und rätselhaft bleiben, und dadurch wird das Ende einfach nur noch ärgerlich.
Bei Patricia Highsmith sind die Toten irgendwann wirklich tot. In "Ultraviolett" indes taucht einer wieder auf, und ganz am Ende gibt es "nur einen Schuss, doch ging von ihm kein Leuchten aus, nicht das winzigste Fünkchen, nicht der geringste Anlass zur Freude". Gar so harte Worte möchte man über Serge Joncours Roman zwar nicht verlieren, aber die Richtung stimmt. Man sollte lieber bei Patricia Highsmith bleiben. Oder ins Kino gehen und einen Chabrol sehen.
JOCHEN SCHIMMANG.
Serge Joncour: "Ultraviolett". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Mälzer-Semlinger. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2008. 173 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Highsmith für Arme? Eine gewisse Verwandtschaft der Figuren zu Ripley und Co. kann der Rezensent durchaus erkennen. Auch für Spannung ist im Roman von Serge Joncour gesorgt, versichert uns Jochen Schimmang. Treffsicherheit, Witz und analytische Schärfe reichen ihm allerdings nicht aus, um nicht doch lieber ins Kino zu gehen oder gleich den Ripley wieder hervorzuholen. Schließlich erscheinen ihm die Motive und die Kontur des Ripley-Wiedergängers in diesem Buch dann doch zu sehr arrangiert zu sein. Und das Ende in seiner Offenheit löst beim Fan wirklich toter Toter nicht Staunen, sondern Verärgerung aus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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