Aus dem Buch: "...Er lächelte, aber nicht mit dem gewohnten Sarkasmus - diesmal flog es wie Sonnenschein über seine Züge, als er die dargebotene Hand ergriff und zugleich mit der Linken sanft Gabrielens Haupt emporhob, um ihre Stirn zu küssen. Das war durchaus nichts Außergewöhnliches. Er pflegte es stets zu thun, wenn sie ihm beim Frühstücke den Morgengruß brachte, und sie hatte es bisher ebenso unbefangen hingenommen, wie der Vormund kühl und ernst von seinem väterlichen Rechte Gebrauch machte. Heute zum ersten Male wich das junge Mädchen unwillkürlich zurück, und Raven fühlte, wie die Hand, die er in der seinigen hielt, leise bebte. Er richtete sich plötzlich empor, ohne daß seine Lippen ihre Stirn berührt hatten, und ließ die Hand fallen. "Du hast Recht," sagte er gepreßt. "Das Rauschen des Nixenbrunnens hat etwas Geisterhaftes - laß uns gehen!" Sie wandten sich zum Gehen. Hinter ihnen rauschte und rieselte der Quell und warf unermüdlich seine weißen Wasserschleier empor. Die drohende Vernichtung war ja nun abgewendet; die Bitte jener braunen Augen und die Thräne darin hatte ihn gerettet, und der ernste, kalte Mann, der die Höhe des Lebens längst überschritten hatte, fühlte es vielleicht in diesem Augenblicke, daß er auch nicht gefeit war gegen den "Nixenzauber..." Elisabeth Bürstenbinder (1838-1918) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie schrieb unter dem Pseudonym E. Werner.