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"Jahrelang hatte ich fast keinen aktiven Gedanken an meine Kindheit verschwendet, und nach nur einer kompletten Nacht am Schreibtisch war alles da: der Anfang, die Struktur, die Dramaturgie, die Sprache, und sogar das mögliche Ende hatte ich vor Augen. Ich listete Episoden auf, schnitt sie aus, legte eine Reihenfolge fest, verwarf sie wieder, gruppierte neu, formulierte erste Absätze, und dann war klar, dass ich nicht würde aufhören können. Aus den verlangten vierzig wurden sogar knapp fünfzig Seiten Text, die den Verlagen zeigen sollten, dass ich das mit dem Schreiben schon schaffen würde."…mehr

Produktbeschreibung
"Jahrelang hatte ich fast keinen aktiven Gedanken an meine Kindheit verschwendet, und nach nur einer kompletten Nacht am Schreibtisch war alles da: der Anfang, die Struktur, die Dramaturgie, die Sprache, und sogar das mögliche Ende hatte ich vor Augen. Ich listete Episoden auf, schnitt sie aus, legte eine Reihenfolge fest, verwarf sie wieder, gruppierte neu, formulierte erste Absätze, und dann war klar, dass ich nicht würde aufhören können. Aus den verlangten vierzig wurden sogar knapp fünfzig Seiten Text, die den Verlagen zeigen sollten, dass ich das mit dem Schreiben schon schaffen würde." (Christian Baron, Die Zeit der Monster, Erste Vorlesung) "Mein Bruder ist vor sechs Monaten gestorben. Er war 38 Jahre alt. Eines Abends fand man ihn in seiner Wohnung auf dem Boden, in seinem Erbrochenem und seinen Exkrementen. Sein Körper war kollabiert. Ein paar Monate zuvor hatte seine Leber versagt, was an dem Alkohol lag, den er seit Jahren krank, an dem Alkohol, den das Leber, das er hatte, ihn trinken ließ. Wer sind wir, wenn nicht eine Funktion unseres Lebens?" (Édouard Louis, Körper, Erste Vorlesung)
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Autorenporträt
Édouard Louis, geboren 1992 als Eddy Bellegueule in Hallencourt, studierte Philosophie und Soziologie und lebt heute als Schriftsteller in Paris. Sein erster Roman "Das Ende von Eddy", 2015 ins Deutsche übersetzt, wurde 2014 mit dem Pierre Guénin-Preis gegen Homophobie ausgezeichnet und machte Louis zu einem der bekanntesten zeitgenössischen französischen Autoren. In dem autosoziobiografischen Roman beschreibt Louis' Ich-Erzähler seinen Ausbruch aus den prekären Lebensumständen, in denen er sich als homosexueller Heranwachsender im Arbeitermilieu seines Heimatdorfes wiederfand. Sein letzter Roman "Anleitung ein anderer zu werden" (2022) kehrt thematisch zu seinem Versuch zurück, sich jenseits des Herkunftsmilieus neu zu erfinden: Der Ich-Erzähler berichtet von seinem Aufstieg als "Klassenübergänger" und sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob die Transformation der Selbst die erhoffte Befreiung bewirkt. Louis' Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und für das Theater bearbeitet. Seine Texte erzählen von Menschen, die in Literatur selten repräsentiert sind, und legen die strukturelle Gewalt, der Menschen aus unteren Schichten ausgesetzt sind, offen.