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Warum nimmt die soziale Ungleichheit seit Jahren zu? Welche Rolle spielen dabei Wirtschaftsstrukturen, Eigentumsverhältnisse und Verteilungsmechanismen? Mit welchen Narrativen werden die beträchtlichen Einkommens- und Vermögensunterschiede gerechtfertigt? Christoph Butterwegge beleuchtet die Politik unterschiedlicher Bundesregierungen und fragt, weshalb sich die Kluft zwischen Arm und Reich nach der "Zeitenwende" und zusätzlichen Rüstungsanstrengungen weiter vertieft. Er nimmt den Niedriglohnsektor, den »Um-« bzw. Abbau des Sozialstaates sowie die Steuerentlastungen für Wohlhabende in den…mehr

Produktbeschreibung
Warum nimmt die soziale Ungleichheit seit Jahren zu? Welche Rolle spielen dabei Wirtschaftsstrukturen, Eigentumsverhältnisse und Verteilungsmechanismen? Mit welchen Narrativen werden die beträchtlichen Einkommens- und Vermögensunterschiede gerechtfertigt? Christoph Butterwegge beleuchtet die Politik unterschiedlicher Bundesregierungen und fragt, weshalb sich die Kluft zwischen Arm und Reich nach der "Zeitenwende" und zusätzlichen Rüstungsanstrengungen weiter vertieft. Er nimmt den Niedriglohnsektor, den »Um-« bzw. Abbau des Sozialstaates sowie die Steuerentlastungen für Wohlhabende in den Blick. Wie lässt sich die Entwicklung aufhalten und verhindern, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch zahlreicher werden? Angesichts der Umverteilung von Unten nach Oben setzt das Buch eine Rückverteilung des Reichtums auf die Agenda. Abschließend wird diskutiert, ob neben einer stärkeren Tarifbindung, einem Verbot prekärer Beschäftigung sowie höheren Besitz-, Kapital- oder Gewinnsteuern die Umgestaltung des bestehenden Wirtschaftssystems nötig ist.
Autorenporträt
Christoph Butterwegge, Prof. Dr., lehrte von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln und kandidierte 2017 für das Amt des Bundespräsidenten.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Butterwegges Buch zeigt Rezensent Rudolf Walther zufolge deutlich auf, warum Reichtum in Deutschland so ungleich verteilt ist. Schuld ist einerseits der Kapitalismus, so Walther mit Butterwegge, andererseits aber auch kleinteiligere Mechanismen wie das Erbrecht, das eine kleine Schicht Ultrareicher generiert, die, teils auf der Basis von Nazivermögen, immer noch reicher werden. Entlang der Argumentation Butterweges zeichnet der Rezensent die Geschichte des deutschen Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg nach, geht unter anderem auf den von Anfang an beschönigenden Begriff der sozialen Marktwirtschaft ein und zeigt, wie der Sozialstaat in den letzten Jahrzehnten systematisch heruntergewirtschaftet wurde. Wie man dem Übel beikommen kann, lernt Walther von Butterwegge freilich nicht, hohe Erbschaftssteuern wären sicher hilfreich, ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht unbedingt. Das Problem bleibt also, aber immerhin weiß Walther dank Butterwegge nun besser über dessen Hintergründe Bescheid.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2024

Bastionen
der Ungleichheit
Armutsforscher Christoph Butterwegge analysiert scharf,
warum Umverteilung in der Republik nicht funktioniert.
Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz geworden, dass sich unter den herrschenden sozialen und politischen Verhältnissen, also Produktions- und Verteilungsverhältnissen, das Gefälle zwischen Reichtum und Armut in der Gesellschaft erheblich vergrößert. Übrigens auch dank des geltenden Erb- und Schenkungsrechts, das dieses Gefälle über Generationen hinweg sichert und auf die Dauer als natürlich gewachsenes erscheinen lässt. Zu den Erbschaften der Bundesrepublik gehört nicht zuletzt, dass sich die unter dem Nationalsozialismus und zum Teil schon unter feudalen Herrschaftsverhältnissen erworbenen oder vererbten großen Vermögen bis heute als quasi-familiäre Mitgift von Supervermögenden in einer dünnen Schicht von privilegierten Reichen erhalten haben und weiterhin vermehren. Der Armutsforscher und Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge macht in seiner neuen Analyse „Umverteilung des Reichtums“ die Herkunft und Virulenz sozialer Ungleichheit mit umfassenden Belegen aus der einschlägigen Literatur einsichtig und stützt so seine subtile Argumentation – wie in allen seinen Büchern. Nicht zuletzt diese Expertise und klare Haltung hat ihm 2017 die erfolglose Kandidatur fürs Amt des Bundespräsidenten auf dem Ticket der Linkspartei eingetragen.
Nach der durch die Währungsreform von 1948 erzeugten Gleichheitsillusion sorgte die soziale Marktwirtschaft, laut dem Schriftsteller Dieter Lattmann ein „Kosename“ für den fortbestehenden Kapitalismus, für politische Akzeptanz und entsprechende Mehrheiten. In der Phase des daraus resultierenden „Wirtschaftswunders“ prägte der Soziologe Helmut Schelsky den die tatsächlichen sozialen Verhältnisse fast rundum verklärenden Begriff „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ für die BRD. Nachdem die wirtschaftliche Rezession von 1966/67 die bundesrepublikanische Gleichheitsillusion nachhaltig erschüttert hatte, zerstörte die Studentenrevolte von 1968 die gängige Leistungsideologie, der ihr prominentester Intellektueller, Jürgen Habermas, die Basis ihrer Plausibilität entzog – nämlich, dass die Statuszuweisung durch individuelle Leistung erfolgt, von der faktisch aber fast nur direkt davon Zehrende profitierten.
Die Entwicklung der internationalen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beziehungen der Einzelstaaten zu „nationalen Wettbewerbsstaaten“, wie es der Politikwissenschaftler Joachim Hirsch nannte, machte in der Perspektive konservativer Intellektueller und Politiker Sozialstaatlichkeit zu einem „Wettbewerbs- und Standortnachteil“ und wurde entsprechend abgewertet und im Sinne individueller Vorsorge und Selbstverantwortung für revisionsreif erklärt – etwa durch eine kapitalgedeckte Rentenversicherung. Egalität galt nun an als Hindernis und Ungleichheit war im Gegenzug „zu begrüßen, nicht zu bekämpfen“: Denn „ungleiche Verteilung gehört nach Clemens Fuest zu einer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Ordnung“. Wolfgang Schäubles programmatisches Diktum von 1994, es gelte, „die Menschen in die Lage zu versetzen, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen“, wurde zum Hausrezept der Konservativen für die „Überwindung des Reformstaus“.
Wo und wie die politische Weichenstellung für eine Kurskorrektur für mehr soziale Gleichheit mit Aussicht auf Erfolg möglich ist, bleibt eine knifflige Frage. Der Verweis auf Bildung und Beschäftigung bildet jedenfalls kein Patentrezept und schon gar nicht eine Garantie gegen die Wirkkraft der Strukturen sozialer Ungleichheit und gegen konjunkturell bedingte Wechsel des Stellenwerts von Bildungsabschlüssen oder der Sicherheit von Beschäftigung. Die grundlegende Bedeutung dieser beiden elementaren Faktoren tangiert das nicht. „Erfolg durch Bildung“, gilt nicht für alle und für jede Zeit, aber dass gegen Armut Geld unentbehrlich ist, bleibt richtig. Diskutiert wird etwa seit Langem über ein bedingungsloses Grundeinkommen, für dessen Form und Höhe es zahlreiche Modelle gibt – darunter ausgegorene und eher unausgegorene. Die meisten tangieren die Fundamente des Sozialstaats entscheidend und sind von problematischer Langzeitwirkung.
Schlechterdings unabdingbar für weniger soziale Ungleichheit sind eine Erbschaft- und eine Vermögensteuer. Allein zwischen 2009 und 2020 erbten 3630 Personen zusammen 260 Milliarden Euro steuerfrei, also im Durchschnitt pro Kopf 71 Millionen Euro. Aber Konservative und Liberale wenden sich seit Jahren gegen Erbschaft- und Vermögensteuern mit Parolen wie „Hände weg vom Erbe“ (Thomas Straubhaar) oder Stammtischsprüchen wie, „die Besteuerung von Toten ist inhuman“ (Christian Lindner); sein Vorgänger an der Spitze der FDP, Guido Westerwelle, sprach von Erbschaften offen als von „anstrengungslosem Einkommen“.
Bei der Frage, wie soziale Ungleichheit in der Republik beseitigt oder wenigstens verringert werden könnte, bleibt Butterwegge eher im Ungefähren. Er zitiert Publizisten, die für einen Klima-Kommunismus eintreten, oder verweist auf die kurzlebige soziale Bewegung „Occupy Wall Street“ oder die von Warren Buffett und Bill Gates gestartete Initiative „The Giving Pledge“ („Spenden versprechen“), die außerhalb der USA wenig Resonanz fand. Ob solche zarten Bewegungen von unten in der Lage sind, die sozial, wirtschaftlich, kulturell und politisch wohl armierten Bastionen der sozialen Ungleichheit zu erschüttern, muss das Buch natürlich so offenlassen, wie es die soziale Realität tut.
RUDOLF WALTHER
Christoph Butterwegge:
Umverteilung des Reichtums. Neue Kleine Bibliothek. Papyrossa Verlag, Köln 2024. 223 Seiten, 16,90 Euro.
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