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Das Leben des jungen Ewald Korwan entwickelt sich langsam ganz nach seinem Geschmack: Zum glänzend bestandenen Juraexamen hat ihm sein Vater ein schickes kleines Apartment im angesagtesten Viertel der Stadt geschenkt, vor ein paar Wochen hat er seine erste Stelle in der renommierten Kanzlei Benedum & Mack angetreten, und nun wird ihm erstmals ein eigenes Mandat anvertraut: Der alte Herr Stein, ein guter Kunde der Kanzlei, besitzt ein wunderschönes Jugendstilhaus, das er aber mehr und mehr vergammeln läßt. Ewald soll sich bei den einzelnen Mietparteien des Hauses erkundigen, welche Reparaturen…mehr

Produktbeschreibung
Das Leben des jungen Ewald Korwan entwickelt sich langsam ganz nach seinem Geschmack: Zum glänzend bestandenen Juraexamen hat ihm sein Vater ein schickes kleines Apartment im angesagtesten Viertel der Stadt geschenkt, vor ein paar Wochen hat er seine erste Stelle in der renommierten Kanzlei Benedum & Mack angetreten, und nun wird ihm erstmals ein eigenes Mandat anvertraut:
Der alte Herr Stein, ein guter Kunde der Kanzlei, besitzt ein wunderschönes Jugendstilhaus, das er aber mehr und mehr vergammeln läßt. Ewald soll sich bei den einzelnen Mietparteien des Hauses erkundigen, welche Reparaturen sie anzumelden haben. Dadurch soll er, ganz nebenbei, eine Mietpreiserhöhung durchsetzen, die die lästigen Altmieter vertreiben soll, da Herr Stein das leere Haus besser verkaufen kann. Aber alles kommt ganz anders, als sich der alte Herr Stein das vorstellt, denn Ewald verliebt sich in dieses Haus und seine Bewohner: Schon beim ersten Besuch, als Ewald unten in "Leo`s Kneipe" eine raffiniert zubereitete Tomatensuppe ißt, lauscht er entzückt dem Opernsänger Wang, der seine Arien über den Balkon schmettert. Bei Leo, dem Wirt, informiert er sich über die anderen Hausbewohner. Hier scheint noch jeder jeden zu kennen – man trägt dem im Rollstuhl sitzenden Herrn Holl mal ein Menü hinauf, der wiederum paßt ab und zu auf die Zwillinge der alleinerziehenden Saskia auf, die Studenten-WG, Charlotte, Paul und Cedric, hilft dem türkischen Änderungsschneider Erkan, wenn der einen epileptischen Anfall bekommt, oder gießt die Blumen der alten Frau Winterkorn, wenn diese nach zig Jahren endlich einmal in Urlaub fährt. Für Ewald ist dies alles eine neue Welt, die ihn sofort in Bann zieht. Und schon bald wird auch er Stück für Stück ein anderer...
Autorenporträt
Fanny Morweiser, geboren am 11.3.1940 in Ludwigshafen. Das Humanistische Gymnasium in Mannheim besuchte Fanny Morweiser bis ein Jahr vor dem Abitur. Nach der dreijährigen Ausbildung an der Freien Kunstakademie in Mannheim, mit den Hauptfächern Zeichnen, Malen und Bildhauerei, wollte sie eigentlich Bücher illustrieren. Doch bald begann sie, die Personen, die sie gerne zeichnete, zu beschreiben. Sie arbeitete zwei Jahre als Verkäuferin in einem Devotionaliengeschäft, bevor 1971 ihr erstes Buch Lalu lalula, arme kleine Ophelia erschien. Seitdem hat Fanny Morweiser, "ein seltenes Exemplar auf der eher unromantischen deutschen Literaturszene" (Der Spiegel), neun weitere Bücher veröffentlicht. Sie ist mit einem Amtsgerichtsrat verheiratet, der "leider nicht Totengräber oder wenigstens Bahnwärter ist", und lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf im Neckartal.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Böser Verriss! "Morweiser wird unverständlicherweise in Kritiken in Zusammenhang mit Klassikern dieses Genres gebracht, wie E.T.A. Hoffmann oder E.A. Poe", ärgert sich Bastienne Müller. Sie lässt kein gutes Haar an diesem in einem Münchner Haus angesiedelten Schauer-Roman. Dramaturgie und Aufbau der Geschichte gefallen ihr nicht, weil die Autorin zu oft von der Rahmenhandlung abschweife und so kein Spannungsbogen entstehen könne. Dazu stört sie sich an der klischeehaft-folkloristischen Darstellung des alternativen Milieus, in dem der Roman spielt. Und auch auf ganz grundsätzlicher Ebene versagt dieser Roman: "Die Integration von Schauerelementen in der Tradition des romantischen Kunstmärchens geht schief", schnaubt Müller. Sie hat nichts gutes zu sagen, aber empfiehlt diesen Roman weiter - und zwar an "eine Münchner Autorin", die "gerade darüber nachdenkt, für den besten ungeschriebenen Roman im Hinblick auf das Gemeinwohl einen Preis zu verleihen".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.05.2003

Flower-Schauer
„Un joli garçon” ist ein deutscher
Gruselroman von Fanny Morweiser
Man stelle sich vor, im Reisebüro der Lindenstraßen-Mutter Beimer wären plötzlich unheimliche Kräfte am Werk. Für den Regisseur wäre die Gestaltung der Szene eine Herausforderung, denn leicht kann die Vermischung aus Milieustudie und Schauerelementen ins Lächerliche abgleiten. Ein Meister dieser Technik ist Stephen King, der in die Poren amerikanischer Kleinstädte kunstvoll das Grauen eindringen lässt. Die deutsche Autorin Fanny Morweiser dagegen scheitert mit ihrem neuen Roman „Un joli garçon”, weder die Milieustudie noch der Schauerroman und erst recht nicht die Vermischung der Genres gelingen.
Der Roman spielt in Mannheim, dem Umfeld der 1940 geborenen Autorin. Der Jung-Anwalt Ewald Korwan wird von seiner Kanzlei beauftragt, die Mieter eines heruntergekommenen Altbaus zu vertreiben. Die Konfrontation des verwöhnten Jungen aus der Vorstadtidylle mit einem sozial schwächeren, dafür vielfältigen Milieu bewirkt eine Persönlichkeitsveränderung bei Ewald. Er „verliebt” sich in das Haus und die Bewohner des Viertels – eine Art Kreuzberg Mannheims – und übernimmt zunehmend deren legeren Lebensstil. Diese Rahmenhandlung wird von Kurzgeschichten unterbrochen, die sich um die Mieter drehen. Hier zeigt sich bereits das erste Problem des Romans: Morweiser schweift zu oft von der Rahmenhandlung ab, weshalb kein Spannungsbogen entstehen kann. Der Leser verliert ob der vielen Einzelschicksale das Interesse an Ewalds Geschichte. Die Psyche des Protagonisten gerät bei seinem Ausbruchsversuch aus der bürgerlichen Welt zunehmend ins Wanken. Der nette Junge (joli garçon) wird zum ganzkörpertätowierten Wilden. Sein tragisches Ende – er wird wahnsinnig – nimmt der Leser nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis.
Auch die Beschreibung der Personen und Milieus riecht zu sehr nach Fleißarbeit. Man sieht förmlich, wie sich die Autorin mit einem Notizblock ausgerüstet ins „bunte Völkergemisch” begibt: Da liegt Sperrmüll auf der Straße; da sitzen freundliche, alte Männer aus dem Süden, die den lieben langen Tag einen Schwatz halten. Und da sind auch schwarz gekleidete Gestalten mit Handys, die Dealer. Höhepunkt des Folklorekitsches: ein Pfarrer mit langem Bart auf Inlineskates und ein Stadtstreicher, der an „Harry Rowohlt in der Lindenstraße” erinnert.
Aber nicht nur die zerfaserte Handlungsführung und die flachen Milieustudien sind Schwächen des Romans. Auch die Integration von Schauerelementen in der Tradition des romantischen Kunstmärchens geht schief. Wahnsinn und phantastische Erscheinungen sind Elemente dieses Genres, das Ende des 18. Jahrhunderts aufkam, um das aufklärerische Vertrauen in rationale Weltwahrnehmung zu erschüttern. Morweiser wird unverständlicherweise in Kritiken in Zusammenhang mit Klassikern dieses Genres gebracht, wie E.T.A. Hoffmann oder E.A. Poe. Der Literaturwissenschaftler Tzvetan Todorov nennt als Merkmal für diese phantastische Literatur die Unschlüssigkeit des Lesers darin, ob ein literarisches Phänomen übernatürlich ist oder Hirngespinst der Protagonisten. Morweiser aber übersieht, dass Unschlüssigkeit beim Leser langfristig und geschickt aufgebaut sein will und nicht dadurch hervorgerufen wird, dass mal kurz auf einem Friedhof ein Verstorbener spukt.
Der Roman bleibt in der kleinbürgerlichen Lindenstraßenwelt gefangen und selbst die scheint nicht bewusst inszeniert. Eine Münchner Autorin denkt gerade darüber nach, für den besten ungeschriebenen Roman im Hinblick auf das Gemeinwohl einen Preis zu verleihen: Sie sollte sich Morweisers nächstes Projekt vormerken.
BASTIENNE MÜLLER
FANNY MORWEISER: Un joli garçon. Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 255 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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