A sus quince aänos, Mungo, un adolescente con una sensibilidad diferente al resto de los chicos del vecindario vive en un barrio obrero del Glasgow de la era post-Thatcher, en el seno de una familia protestante: sin padre, con una madre alcohâolica y un hermano que representa todo lo queâel odia. En un ambiente masculinizado, rodeado de paro y peleas callejeras, solo cuenta con el apoyo y el cuidado de su hermana, Jodie. Tras un altercado familiar, su madre decide enviar a Mungo de pesca con dos desconocidos de Alcohâolicos Anâanimos para que hagan deâel un hombre de provecho. De camino a un lago del oeste de Escocia con esos extraänos cuyas bromas de borrachos esconden un pasado turbio, Mungo solo piensa en regresar al lado de su amigo James, elâunico lugar donde ha descubierto que puede serâel mismo.--Back cover.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2023Von der allermiesesten Art aufzuwachsen
Kein Flow: Douglas Stuarts Roman "Young Mungo"
Man kann sich lebhaft vorstellen, wie das Gespräch zwischen Douglas Stuart, dem Autor des internationalen Bestsellers "Shuggie Bain" von 2020, und seinem Verlag abgelaufen sein könnte: "Douglas, Wahnsinn, euphorische Besprechungen, unglaubliche Verkaufszahlen, jetzt auch noch der Booker-Preis, und das für einen Debütroman. Du musst jetzt unbedingt schnell nachlegen!" - "Meint ihr, jetzt schon, ein neuer Roman? Aber das könnte dauern, ich kann ja nicht einfach . . ." - "Doch, natürlich kannst du, und einfach ist es auch: Erzähl Shuggies Geschichte noch einmal. Es reicht schon, wenn du die Figuren anders nennst und ein bisschen an der Zeitschraube drehst." - "Aber das wird man mir doch nicht durchgehen lassen, wenn ich mich einfach wiederhole, ich meine, die Kritiker . . ." - "Wieso nicht? Hör zu, deine Geschichte berührt sehr, sehr viele Menschen, das haben wir ja gesehen. Warum also die Leute jetzt vor den Kopf stoßen? Du musst das eher von der Popmusik her denken: Man erfindet sich nur dann neu, wenn der Markt es von einem verlangt."
Das Ergebnis dieses vielleicht so geführten Dialogs ist der Roman "Young Mungo", dessen Unterschiede zu Stuarts erstem Roman sich an einer Hand abzählen lassen. Während die Handlung von "Shuggie Bain" im Glasgow der Achtzigerjahre, inmitten der kältesten Thatcher-Jahre, angesiedelt ist, spielt sich die Geschichte des jetzt erschienenen Buches ein Jahrzehnt später ab. Der Ort und das gesellschaftliche Milieu, eine verarmte und verrohte Unterschicht, sind hingegen unverändert geblieben. Außerdem steckt Mungo, der nach dem heiligen Schutzpatron von Glasgow benannte Protagonist, zu Beginn der Handlung bereits in der Pubertät, während Shuggie anfangs noch ein kleines Kind ist.
Es hat wohl auch mit dieser Altersverschiebung zu tun, dass Stuart in seinem Folgeroman mit einer sehr viel ausgeprägteren Drastik vorgeht. "Shuggie Bain" berichtet, in unausgesprochener Anlehnung an Stephen Daldrys Kinoerfolg "Billy Elliot", vom widerstandsreichen Aufwachsen eines besonders feinfühligen, weichherzigen Jungen. "Litte Mungo" hingegen erzählt von der Selbstfindung eines jungen Mannes in sozialer, insbesondere aber sexueller und erotischer Hinsicht. Und auch wenn sich beide Entwicklungsgeschichten in einer feindseligen Umwelt abspielen, die jedes zarte Gefühl bereits im Aufkeimen zunichtemacht, ist die psychische und oft auch buchstäbliche Gewalt im neuen Buch von ganz anderer, sehr viel härterer Qualität. Vor allem spielt Stuart in ihm alle denkbaren Formen der sexualisierten Gewalt durch, von der nahezu alle zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Roman durchdrungen sind.
Schließlich ist über die beiden Mütterfiguren zu sprechen, die hier wie dort ein Leben zwischen Agonie und Exzess führen und sich ihren Kindern immer wieder und über längere Zeit hinweg entziehen (anders als die Väter, die sich entweder vor Jahren schon aus dem Staub gemacht haben oder an ihrem desaströsen Lebenswandel zugrunde gegangen sind). Während allerdings Shuggies Mutter ihrem aufrichtig geliebten Sohn trotz aller Schwäche und Zerrissenheit eine gewisse Stütze und Wärmequelle zu sein vermag, ist die Beziehung zwischen Mungo und seiner Mutter - man will auf dieses abgedroschene Wort eigentlich verzichten, aber hier ist es unumgänglich - nur als toxisch zu bezeichnen: Weil sie ahnt, dass ihr Sohn anders liebt und begehrt, als es das homophobe Ressentiment verlangt, schickt sie ihn mit zwei abgerissenen Typen, die ihn "Männersachen" lehren sollen, auf einen mehrtägigen Trip in die Natur, wo sie ihn mehrfach missbrauchen. Es ist das traumatisierende Ende einer traurigen, an inneren und äußeren Versehrungen überreichen Kindheit.
Wie in seinem mehrdeutigkeitsfreien Vorgängerroman (F.A.Z. vom 24. November 2021) steht in "Young Mungo" also nicht infrage, wem unser Mitgefühl zu gelten hat. Ja, die Täter- und Opferrollen sind selbst noch in dem Moment glasklar verteilt, in dem sich Mungo an einem seiner Peiniger mit solcher Heftigkeit rächt, dass dieser - unfähig zur Selbstverteidigung aufgrund einer körperlichen Behinderung - einen qualvollen Tod erleidet. Durch Stuarts gezielte Emotionslenkung wird die Lektüre zu einer immer mal wieder berührenden, streckenweise auch schmerzvollen, zugleich aber ungemein zähen Erfahrung: Es sind eindringliche, schockierende Momente, die kurzfristig unsere Aufmerksamkeit bannen. Um diese auf Dauer zu stellen, hätte es allerdings einer sehr viel stärkeren erzählerischen Einbettung bedurft. Es stellt sich beim Lesen dieser über vierhundert Seiten schlicht kein Flow ein.
Entscheidender ist aber vielleicht noch etwas anderes. Zwar wäre die Erwartung, dass sich ein Autor von Roman zu Roman stetig weiterentwickelt oder gar die Literatur insgesamt einen kleinen Schritt voranbringt, ziemlich übertrieben. Nur wenn sich der Innovationsgehalt bereits des zweiten Romans in einer bloßen Steigerungslogik erschöpft, dann ist der Tribut an die bestimmende Marktlogik vielleicht doch zu groß. Vor allem mag man sich gar nicht vorstellen, mit welchen Exzessen, welchen Abgründen an Sex und Gewalt man im nächsten Buch noch zu rechnen hätte . . . Die Sache scheint daher klar: Mit seinem dritten Roman, für den er sich hoffentlich etwas mehr Zeit lässt, wird Douglas Stuart unter Beweis stellen müssen, wie ernst es ihm mit der Literatur eigentlich ist. KAI SINA
Douglas Stuart: "Young Mungo". Roman.
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023. 416 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kein Flow: Douglas Stuarts Roman "Young Mungo"
Man kann sich lebhaft vorstellen, wie das Gespräch zwischen Douglas Stuart, dem Autor des internationalen Bestsellers "Shuggie Bain" von 2020, und seinem Verlag abgelaufen sein könnte: "Douglas, Wahnsinn, euphorische Besprechungen, unglaubliche Verkaufszahlen, jetzt auch noch der Booker-Preis, und das für einen Debütroman. Du musst jetzt unbedingt schnell nachlegen!" - "Meint ihr, jetzt schon, ein neuer Roman? Aber das könnte dauern, ich kann ja nicht einfach . . ." - "Doch, natürlich kannst du, und einfach ist es auch: Erzähl Shuggies Geschichte noch einmal. Es reicht schon, wenn du die Figuren anders nennst und ein bisschen an der Zeitschraube drehst." - "Aber das wird man mir doch nicht durchgehen lassen, wenn ich mich einfach wiederhole, ich meine, die Kritiker . . ." - "Wieso nicht? Hör zu, deine Geschichte berührt sehr, sehr viele Menschen, das haben wir ja gesehen. Warum also die Leute jetzt vor den Kopf stoßen? Du musst das eher von der Popmusik her denken: Man erfindet sich nur dann neu, wenn der Markt es von einem verlangt."
Das Ergebnis dieses vielleicht so geführten Dialogs ist der Roman "Young Mungo", dessen Unterschiede zu Stuarts erstem Roman sich an einer Hand abzählen lassen. Während die Handlung von "Shuggie Bain" im Glasgow der Achtzigerjahre, inmitten der kältesten Thatcher-Jahre, angesiedelt ist, spielt sich die Geschichte des jetzt erschienenen Buches ein Jahrzehnt später ab. Der Ort und das gesellschaftliche Milieu, eine verarmte und verrohte Unterschicht, sind hingegen unverändert geblieben. Außerdem steckt Mungo, der nach dem heiligen Schutzpatron von Glasgow benannte Protagonist, zu Beginn der Handlung bereits in der Pubertät, während Shuggie anfangs noch ein kleines Kind ist.
Es hat wohl auch mit dieser Altersverschiebung zu tun, dass Stuart in seinem Folgeroman mit einer sehr viel ausgeprägteren Drastik vorgeht. "Shuggie Bain" berichtet, in unausgesprochener Anlehnung an Stephen Daldrys Kinoerfolg "Billy Elliot", vom widerstandsreichen Aufwachsen eines besonders feinfühligen, weichherzigen Jungen. "Litte Mungo" hingegen erzählt von der Selbstfindung eines jungen Mannes in sozialer, insbesondere aber sexueller und erotischer Hinsicht. Und auch wenn sich beide Entwicklungsgeschichten in einer feindseligen Umwelt abspielen, die jedes zarte Gefühl bereits im Aufkeimen zunichtemacht, ist die psychische und oft auch buchstäbliche Gewalt im neuen Buch von ganz anderer, sehr viel härterer Qualität. Vor allem spielt Stuart in ihm alle denkbaren Formen der sexualisierten Gewalt durch, von der nahezu alle zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Roman durchdrungen sind.
Schließlich ist über die beiden Mütterfiguren zu sprechen, die hier wie dort ein Leben zwischen Agonie und Exzess führen und sich ihren Kindern immer wieder und über längere Zeit hinweg entziehen (anders als die Väter, die sich entweder vor Jahren schon aus dem Staub gemacht haben oder an ihrem desaströsen Lebenswandel zugrunde gegangen sind). Während allerdings Shuggies Mutter ihrem aufrichtig geliebten Sohn trotz aller Schwäche und Zerrissenheit eine gewisse Stütze und Wärmequelle zu sein vermag, ist die Beziehung zwischen Mungo und seiner Mutter - man will auf dieses abgedroschene Wort eigentlich verzichten, aber hier ist es unumgänglich - nur als toxisch zu bezeichnen: Weil sie ahnt, dass ihr Sohn anders liebt und begehrt, als es das homophobe Ressentiment verlangt, schickt sie ihn mit zwei abgerissenen Typen, die ihn "Männersachen" lehren sollen, auf einen mehrtägigen Trip in die Natur, wo sie ihn mehrfach missbrauchen. Es ist das traumatisierende Ende einer traurigen, an inneren und äußeren Versehrungen überreichen Kindheit.
Wie in seinem mehrdeutigkeitsfreien Vorgängerroman (F.A.Z. vom 24. November 2021) steht in "Young Mungo" also nicht infrage, wem unser Mitgefühl zu gelten hat. Ja, die Täter- und Opferrollen sind selbst noch in dem Moment glasklar verteilt, in dem sich Mungo an einem seiner Peiniger mit solcher Heftigkeit rächt, dass dieser - unfähig zur Selbstverteidigung aufgrund einer körperlichen Behinderung - einen qualvollen Tod erleidet. Durch Stuarts gezielte Emotionslenkung wird die Lektüre zu einer immer mal wieder berührenden, streckenweise auch schmerzvollen, zugleich aber ungemein zähen Erfahrung: Es sind eindringliche, schockierende Momente, die kurzfristig unsere Aufmerksamkeit bannen. Um diese auf Dauer zu stellen, hätte es allerdings einer sehr viel stärkeren erzählerischen Einbettung bedurft. Es stellt sich beim Lesen dieser über vierhundert Seiten schlicht kein Flow ein.
Entscheidender ist aber vielleicht noch etwas anderes. Zwar wäre die Erwartung, dass sich ein Autor von Roman zu Roman stetig weiterentwickelt oder gar die Literatur insgesamt einen kleinen Schritt voranbringt, ziemlich übertrieben. Nur wenn sich der Innovationsgehalt bereits des zweiten Romans in einer bloßen Steigerungslogik erschöpft, dann ist der Tribut an die bestimmende Marktlogik vielleicht doch zu groß. Vor allem mag man sich gar nicht vorstellen, mit welchen Exzessen, welchen Abgründen an Sex und Gewalt man im nächsten Buch noch zu rechnen hätte . . . Die Sache scheint daher klar: Mit seinem dritten Roman, für den er sich hoffentlich etwas mehr Zeit lässt, wird Douglas Stuart unter Beweis stellen müssen, wie ernst es ihm mit der Literatur eigentlich ist. KAI SINA
Douglas Stuart: "Young Mungo". Roman.
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023. 416 S., geb., 26,- Euro.
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