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Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis AIs Frank Bascombe beschließt, den Unabhängigkeitstag, wichtigster amerikanischer Feiertag, mit seinem Sohn Paul zu verbringen, ahnt er nicht, auf welche äußeren und inneren Verwicklungen er sich damit einläßt. Paul, ein verschlossener Junge, lebt seit der Scheidung bei seiner Mutter. Gemeinsam starten die beiden zu einem Besuch bei Franks neuer Freundin Sally und durchleben ein Wochenende, das so ganz anders verläuft, als alle Beteiligten es sich vorgestellt hatten. Mit seinen unverhofften Augenblicken des Glücks, seinen Episoden der Verzweiflung und mit…mehr

Produktbeschreibung
Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis AIs Frank Bascombe beschließt, den Unabhängigkeitstag, wichtigster amerikanischer Feiertag, mit seinem Sohn Paul zu verbringen, ahnt er nicht, auf welche äußeren und inneren Verwicklungen er sich damit einläßt. Paul, ein verschlossener Junge, lebt seit der Scheidung bei seiner Mutter. Gemeinsam starten die beiden zu einem Besuch bei Franks neuer Freundin Sally und durchleben ein Wochenende, das so ganz anders verläuft, als alle Beteiligten es sich vorgestellt hatten. Mit seinen unverhofften Augenblicken des Glücks, seinen Episoden der Verzweiflung und mit seinen Mißverständnissen wird es nichts weniger als eine Odyssee durch den amerikanischen Traum am Ende des 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Richard Ford, geboren 1944 in Jackson, Mississippi, lebt heute in New Orleans und Montana. Für seine Romane hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 2014 wurde er mit dem Blue Metropolis International Literary Grand Prix für sein Lebenswerk geehrt und 2016 mit dem Asturien-Preis in der Kategorie Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1995

Auch für den Angsthasen wehen die Fahnen
Bürger sollt ihr sein: Richard Fords großer Roman über die Mittelklasse / Von Paul Ingendaay

Jetzt, wo er da ist, fragt man sich, warum dieser Roman nicht schon früher geschrieben wurde. Und sei es nur, um den Ruf nach dem "großen amerikanischen Roman", der von Literaturkritikern jenseits des Atlantiks in regelmäßigen Abständen zu hören ist, für eine Weile verstummen zu lassen.

Richard Fords "Unabhängigkeitstag" ist auf programmatische Weise amerikanisch, nicht nur durch das stille Pathos des Titels und den beruhigenden Klang des Namens Ford. Das Buch hat mit knapp sechshundert Seiten auch die erforderlichen Abmessungen. Und es bringt in seinem opulenten Breitwandformat viele Motive des amerikanischen Alltagslebens unter, von denen man sich (übrigens auch in Europa) gerne etwas erzählen läßt: lange Autoreisen, einen weit gewölbten Himmel, einsame Stimmen aus dem Anrufbeantworter, die Sorge ums Eigenheim, dazu beiläufige Gespräche über die Fährnisse des Lebens und zur Nacht das einladende Neon eines unerwartet auftauchenden Motels (wo leider ein Mord geschehen ist, aber die Polizei hat den Tatort abgesperrt und nimmt bereits die Daten auf). Was immer dann noch kommen mag, Parkplätze sind in ausreichender Zahl vorhanden.

Fords Hauptfigur und Ich-Erzähler, der vierundvierzigjährige Frank Bascombe, ist kein Unbekannter; wir kennen ihn bereits aus dem Roman "Der Sportreporter" (deutsch 1989), wo er nach dem unglücklichen Tod seines Sohnes und einer gescheiterten Ehe sympathisch, wortreich, aber merkwürdig unscharf über sein Schicksal räsoniert. Die Liebesverhältnisse, durch die er dann schlittert, sind immer etwas zu kompliziert, um ihn über den Verlust der Ehefrau hinwegzutrösten. Ein deutscher Rezensent schrieb seinerzeit über dieses Buch, Bascombe sei einer von uns - "einer von uns halbreichen, halbgebildeten, sehnsuchtsvollen und armseligen Menschen". Nun ja.

Der neue Roman, für den man den Vorgänger nicht kennen muß, ist viel präziser geschrieben und deutlich besser übersetzt. Er spielt im Jahr 1988, wenige Monate bevor der Kandidat Dukakis gegen den Kandidaten Bush antritt. Der flaue Zweikampf ist zwar auch längst historisch, aber es verdient festgehalten zu werden, daß Ford in "Unabhängigkeitstag" zum erstenmal so etwas wie eine glaubhafte gesellschaftspolitische Atmosphäre gelingt.

Frank Bascombe, in mittleren Jahren, nun ein widerstrebender Dukakis-Demokrat, hat das Schreiben für Sportmagazine aufgegeben und betätigt sich als Immobilienmakler. Noch immer gehört er zu denen, die sich Emotionen leisten, ohne Gefühle zu zeigen. In Haddam/New Jersey, einer insgesamt sauberen Bürgerwelt, ist er vorläufig festgewachsen: Aus Sentimentalität zieht er sogar umgehend in das Haus, das seine Ex-Frau räumt, als sie ein zweites Mal heiratet (nämlich einen Architekten mit Bauch und Villa in Connecticut). Natürlich bringt ihm das die Frau nicht zurück, und die gemeinsamen Kinder bekommt er nur zur verabredeten Besuchszeit zu Gesicht. Andererseits darf er sich unschuldig daran fühlen (es sei denn, geschiedene Eltern seien grundsätzlich an allem schuld), daß sein fünfzehnjähriger Sohn Paul im Kaufhaus eine Packung Kondome klaut und sich ein Gerichtsverfahren einhandelt.

Damit wird Paul zu einem jugendlichen Straftäter, nicht jedoch zu einem "jugendlichen Delinquenten", wie Fredeke Arnim treuherzig den juvenile delinquent des Originals übersetzt. Es gibt ein gutes Dutzend solcher harmlosen Anglizismen - "Bandage" (bandage), wo der Verband gemeint ist, "Chance" (chance), wo es Gelegenheit heißen müßte, und schließlich auch einen meiner Favoriten: "Gut für dich" (good for you). Nachdem die Erbsenzählerei erledigt ist, muß aber festgehalten werden, daß die Übersetzung dem Ton, den weit ausladenden Sätzen und auch den stilistischen Manierismen Fords über die gesamte Romanstrecke gewachsen ist. An vielen Stellen hat Fredeke Arnim sich von der englischen Syntax gelöst und Entsprechungen gefunden, die dem Deutschen angemessen sind. Beruhigend zu wissen, daß ein Autor, der in sechs Jahren durch drei Verlage gereicht und von nicht weniger als fünf Übersetzern verarztet wurde, endlich in den richtigen Händen liegt.

Wie bei manchem guten Roman ist der gedankliche Kern von Independence Day von bezwingender Schlichtheit. Es geht um den naiven, aber gewiß auch rührenden Glauben, Bewegung im Raum bedeute Veränderung in der Substanz. Nicht daß Bascombe diesem Glauben durchweg anhinge; aber er sympathisiert doch mit ihm und ist immer bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Zum Beispiel glaubt er, es spreche für die Qualität einer Liebesbeziehung, wenn er, um seine Freundin Sally zu besuchen, ein paar Stunden Autofahrt in Kauf nehmen muß. Und er glaubt ferner, ein Wochenendausflug mit seinem Sohn zur Ruhmeshalle des Baseballsports könne diesen von einigen pubertären Angewohnheiten kurieren und vielleicht sogar ein neues Kapitel in der schwierigen Vater-Sohn-Beziehung einleiten.

Der geographischen und gesellschaftlichen Mobilität trauen die Amerikaner manches kleine Wunder zu. Ein Komödienstoff wird aus diesem Glauben dann, wenn man von der geographischen auch auf existentielle Mobilität schließt, wo doch nur der Highway leer und der Treibstoff billig ist. Heißt es nicht, daß der Himmel über dem Kopf des Reisenden sich wandle, der Reisende selbst sich jedoch nicht?

Von dem Glauben an Besserung durch Ortswechsel profitiert vor allem die Immobilienbranche, und insofern betreibt Bascombe den richtigen Beruf. Den unseligen Markhams (Joe und Phyllis), einem Paar aus Vermont, das die Probleme der nächsten zehn Ehejahre auf der Stirn geschrieben trägt und das sich nach zahllosen Besichtigungen noch immer nicht für ein Haus entscheiden kann, hat Bascombe eine seiner ewigen Berufswahrheiten anzubieten: "daß die Menschen nie die Häuser finden oder kaufen, die sie ihrer Aussage nach finden oder kaufen wollen. Die Marktwirtschaft, das habe ich gelernt, basiert nicht einmal entfernt auf der Prämisse, daß jemand das bekommt, was er will. Die Prämisse geht vielmehr dahin, daß einem etwas vorgestellt wird, was man eigentlich nicht wollte, was aber verfügbar ist, woraufhin man nachgibt und sich dann einredet, eine gute Entscheidung getroffen zu haben."

Das klingt eher so, als kaufte das Haus den Bewohner und nicht umgekehrt. Zugleich aber spiegelt das Haus, wenn es einmal gekauft ist, auf subtile Weise die Erwartungen, die Gewißheiten oder Selbsttäuschungen seiner künftigen Bewohner. Mit der Metapher "Hauskauf", die im amerikanischen Leben ähnlich universale Gültigkeit besitzt wie die Metapher "Autoreise", bestreitet Ford fast die erste Hälfte des Romans. Für ihn leistet sie, was der Beruf des Handlungsreisenden für Arthur Miller geleistet hat - sie schafft den Bezugsrahmen, in dem sich die wesentlichen Existenzfragen aller Amerikaner abhandeln lassen: "Der Kauf eines Hauses wird zumindest zum Teil bestimmen, worüber sie sich in Zukunft Sorgen machen, was für tröstliche Ausblicke sie aus ihren Fenstern haben (oder nicht haben), wo sie sich erbittert streiten oder wo sie sich lieben, wo und unter welchen Bedingungen sie sich eingesperrt vorkommen oder vor allen Stürmen geschützt fühlen, wo die schwungvolleren Teile ihres Ichs, die sie irgendwann hinter sich lassen, begraben werden, wo sie vielleicht sterben oder krank werden . . ."

Wer die Handlung dieses dicken Buches zusammenfassen möchte, kommt bei näherer Betrachtung ein bißchen in Verlegenheit. Was hier, locker verteilt auf die Zeit zwischen dem 1. und dem 4. Juli 1988, an Aktion zu bestaunen ist, entspricht nämlich eher einer Novelle als einem ausgewachsenen Roman. Bisher lagen in der kürzeren Form ja auch Fords eigentliche Stärken, wie an der Erzählsammlung "Rock Springs" (1989) sowie den schmalen Bänden "Wildlife" (1991) und "Eifersüchtig" (1995) zu beobachten war. Auffällig auch, daß Ford sich in der Beschreibung halbwüchsiger Jungen am wohlsten zu fühlen schien; es dürfte die beschränkte Perspektive zwischen Ahnen und Noch-nicht-Wissen sein, die seiner Beobachtungsgabe und seiner Kunst des Aussparens entgegenkommt.

In "Unabhängigkeitstag" hat Ford es zum ersten Mal geschafft, die Stärken der Kurzform restlos in das epische Format einzupassen. Genauer, er hat sich eine Form zwischen road novel und Bewußtseinsroman gebaut, die nur aufzunehmen braucht, was Ford hineintun will. Das Ergebnis ist ein formaler Triumph, ein zehnstündiger Eric Rohmer à l'américaine. Untergründig stellen die wunderbaren Gesprächsvariationen, aus denen der Roman besteht, immer dieselbe Frage: Wie führt man ein gelungenes Leben? Und warum geht es trotzdem daneben?

Auf der einen Seite steht dabei Bascombe, auf der anderen die ganze Welt: der Kunde, der ein Haus braucht, die Ex-Frau, die Freundin. Der Fernfahrer, den Bascombe vor dem Motel kennenlernt. Der Polizist, der mißtrauisch seinen Wagen mustert. Die Köchin, die ihm kein Abendessen mehr serviert. Sie alle geben etwas von ihren Meinungen, Ausflüchten und Hintergedanken preis. Schwer zu sagen, wer von zweien der Unglücklichere ist. Wenn sie in einer Sackgasse stecken und die Zeichen auf Leerlauf deuten, muß man dergleichen nicht wissen. Draußen aber steht einer, Richard Ford, und lauscht dieser oral history der Mittelklasse, um sie einer späteren Zeit zu überliefern.

Ziemlich genau im geographischen Zentrum des Romans, in der Mitte des siebten von dreizehn Kapiteln, betritt Bascombe schließlich das Grundstück des Rivalen, bei dem seine Ex-Frau und seine Kinder jetzt leben: Er holt Paul zum Wochenendausflug ab. Trotz einiger ermutigender Gespräche in den nächsten vierundzwanzig Stunden versagt er hier jedoch am nachhaltigsten: Nach einem Streit stellt sich Paul mutwillig in die Bahn einer Ballwurf-Maschine und wird von einem heranschießenden Baseball zu Boden gestreckt. Ein kleiner Vorfall, wie er jedem passieren kann; doch eine Tragödie für den, der an diesem Wochenende alles richtig machen wollte.

Aus solchen Vorkommnissen setzt sich bei Richard Ford das Leben zusammen, und aus nichts als solch alltäglichen Dingen nähren sich die bösen Träume seiner Figuren. Es gibt, was die Mühen der Gewöhnlichkeit betrifft, namhafte Verwandte in der amerikanischen Literatur: hier einen Walker Percy, dort einen John Updike. Besonders dem letzteren, dessen besorgter Bürgersinn notorisch ist, würde der versöhnliche Ausklang gefallen, den Ford für seinen Roman gefunden hat. Auf den letzten dreißig Seiten feiern die Bürger von Haddam/ New Jersey den Unabhängigkeitstag. Auch Frank Bascombe, wieder daheim, ist bei strahlendem Sonnenschein dabei. Hinter dem Rathaus und auf der Haddamer Festwiese ist schon einiges los. "Die Jugendorganisation der Stadt hat gerade ihr unendliches Volleyballspiel begonnen, das Krankenhaus prüft kostenlos den Blutdruck, der Lions Club und die Anonymen Alkoholiker schenken umsonst Kaffee aus . . . Außerdem haben sich die Kaufleute der Stadt zusammengetan, um an Holzkohlengrills fleischlose Magerburger zu verkaufen . . . Später soll es eine Hundeschau geben."

Mag sein, daß Bascombe recht hat und ein Mann durch die Scheidung keinen Ballast abwirft, sondern nur neuen aufnimmt - "wie ein Frachter". Aber es kann kein Zweifel bestehen, daß der Frachter, auch mit schwerer Ladung im Bauch, majestätisch durch dieses Gemeinwesen gleitet, begleitet vom Knattern der Fahnen.

Richard Ford: "Unabhängigkeitstag". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Fredeke Arnim. Berlin Verlag, Berlin 1995. 591 S., geb., 48,- DM.

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2015

NEUE TASCHENBÜCHER
Obduktion des
Mittelmäßigen
Krisen sind für Frank Bascombe wie „beschädigte Boote“, die an ihm „vorbeisegeln.“ Gelegentlich kann eine bewältigt werden, die übrigen muss man mit stoischer Gelassenheit überstehen. Mit dieser Haltung begegnet der Ich-Erzähler aus Richard Fords fünftem Roman „Unabhängigkeitstag“ der gesammelten Unbill eines verlängerten Wochenendes: Wählerische Kunden, die dem geduldigen Immobilienmakler unverdrossen zusetzen; die schwierige Exfrau; die vielleicht schon verlorene neue Freundin; der Ausflug mit dem pubertär-aufsässigen Sohn zu den Weihestätten der USKultsportarten Basketball und Baseball. Nichts offensichtlich Aufregendes passiert in Fords Obduktion des Mittelmäßigen, die Größe dieses Romans steckt im Detail.
Es sind vier Tage, die dem Bestreben nach Unabhängigkeit und der Frage nach dem richtigen Platz auf dieser Welt gewidmet sind; nicht nur für die amerikanische Nation, sondern auch für den Durchschnittsmenschen Bascombe. Dessen extrem detaillierte Alltagsreflexionen sind zugleich ein Panorama am Ende der Reagan-Ära, ein Seismogramm für die Befindlichkeiten des bürgerlichen Mittelstands. TOBIAS SEDLMAIER
  
  
Richard Ford: Unabhängigkeitstag. Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. dtv München, 2015. 688 Seiten, 13,90 Euro.
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