„Der Platz zwischen allen Stühlen ist einer der honorigsten, die man heute einnehmen kann.“ (HvD)
Hoimar von Ditfurth (HvD) war ein verantwortungsvoller, kritischer Aufklärer, der über mehrere Jahrzehnte das Weltbild zahlreicher Menschen beeinflusst hat. Es gibt nur wenige Autoren, denen es
gelingt, komplexe Wissenschaftsprobleme so anschaulich darzustellen, wie er es konnte. Dabei hat er stets…mehr„Der Platz zwischen allen Stühlen ist einer der honorigsten, die man heute einnehmen kann.“ (HvD)
Hoimar von Ditfurth (HvD) war ein verantwortungsvoller, kritischer Aufklärer, der über mehrere Jahrzehnte das Weltbild zahlreicher Menschen beeinflusst hat. Es gibt nur wenige Autoren, denen es gelingt, komplexe Wissenschaftsprobleme so anschaulich darzustellen, wie er es konnte. Dabei hat er stets über den Tellerrand geschaut und philosophische Betrachtungen einfließen lassen. Die Sinnfrage hat sein Wirken beeinflusst; sie gipfelte in einem „Plädoyer für ein Jenseits“ in „Wir sind nicht nur von dieser Welt“.
Das Buch enthält Reportagen, Aufsätze, Vorträge und Essays aus der Zeit von 1947 bis 1987. Die Leser erfahren, warum der Mensch zum Renner wurde und woran die sowjetische Akademie der Wissenschaften gekrankt hat. Freie Wissenschaft in einer Planwirtschaft ist ein Widerspruch in sich und funktioniert nicht. Ebenso lüftet HvD in seinen Reportagen das Geheimnis der Geistheiler auf den Philippinen, ohne den „Wunderheilern“ und den Menschen, die daran glauben, ihre Würde zu nehmen.
HvDs Aufsätze sind zeitlos. Besonders gefallen hat mir die Lebensgeschichte von Giordano Bruno, den HvD als den eigentlichen Revolutionär würdigt, im Gegensatz zu Kopernikus, Galilei und Kepler, die Bruno auf seinem Weg in letzter Konsequenz nicht folgen konnten. Bruno hat „die anthropozentrische, scheinbar auf das erlebende Subjekt bezogene Ordnung des Kosmos als perspektivische Illusion durchschaut“. (192) Er erkannte, dass die unzähligen Sterne am Himmel Sonnen sind, wie unsere eigene Sonne.
Aufschlussreich ist HvDs kritische Analyse des materiellen Monismus. Ist Leben eine bei entsprechendem Komplexitätsgrad neu auftretende Systemeigenschaft? HvD, selbst Dualist, listet Argumente auf, die gegen den materiellen Monismus sprechen, ist aber nicht blind gegenüber den Argumenten, die aus naturwissenschaftlicher Sicht gegen den Dualismus sprechen (Energieerhaltung, Kausalität). Wenngleich er Freiheit und Verantwortung verteidigt, hat die moderne Hirnforschung ihn auf diesem Gebiet eingeholt.
In seinen Essays deckt HvD eine große Bandbreite ab und die Themen haben es in sich. Er kritisiert die Esoterikwelle, schürt Zweifel an der Zwangsernährung inhaftierter Terroristen, bricht (als Grüner) eine Lanze für die Gen-Technologie und thematisiert die Kriegsangst und den Rüstungswahn aus psychologischer Sicht, um nur Beispiele zu nennen. Er geht keinen Konflikten aus dem Weg und tabuisiert keine Problemstellungen. Man muss seine Meinung nicht vertreten, man muss sich aber mit seinen Argumenten beschäftigen.
Nachdem ich „Unbegreifliche Realität“ nach vielen Jahren ein zweites Mal gelesen habe, bin ich überrascht, wie wenig sich die Menschheit weiterentwickelt hat und wie aktuell die Themen und Argumentationen geblieben sind. HvD kämpfte stets gegen die anthropozentrische Selbsttäuschung an. Er entwickelte sich vom naturwissenschaftlichen Aufklärer hin zum gesellschaftlichen Warner und Mahner. Ja, die Realität bleibt unbegreiflich.