Uncle Samuels Whistle and What it Costs is an unchanged, high-quality reprint of the original edition of 1864.
Hansebooks is editor of the literature on different topic areas such as research and science, travel and expeditions, cooking and nutrition, medicine, and other genres. As a publisher we focus on the preservation of historical literature. Many works of historical writers and scientists are available today as antiques only. Hansebooks newly publishes these books and contributes to the preservation of literature which has become rare and historical knowledge for the future.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2022Wäre er nicht schwarz gewesen
Rassismus in den Vereinigten Staaten begreifen - das Leben des George Floyd
Wie man sich wohl fühlt, wenn Polizisten einen aus dem Auto zerren und bäuchlings auf den Boden drücken, so, dass man "Schotter und Schmutz schmecken" kann? Wenn sie einem Handschellen anlegen und die Stiefel auf den untereren Rücken drücken, ohne zu sagen, warum? Wenn sie das Auto durchwühlen, die eben gekauften Snacks hinauswerfen, das Eis läuft auf der Straße aus, direkt vor dem eigenen, auf den Asphalt gedrückten Gesicht? George Floyd und sein Freund Travis Cains fühlten in dieser Nacht im Jahr 1996, als ihnen all das widerfuhr, vor allem eines: Erleichterung. George Floyd war damals Anfang zwanzig, Collegestudent und zu Besuch in seiner Heimat in Houston. Aber die Polizei war schon damals eine feste und zugleich unberechenbare Instanz in seinem Leben. Der Vorfall im Jahr 1996 war nur einer von vielen. Angehalten zu werden, das galt es unbedingt zu vermeiden. Niemand konnte absehen, ob und wie die Situation eskalieren würde.
Mehr als 20 Jahre später sollte George Floyd durch eine Begegnung mit der Polizei bekannt werden, die in einer Weise eskalierte, die schlimmer nicht sein kann. An einer Straßenecke in Minneapolis drückte im Mai 2020 der Polizist Derek Chauvin George Floyd sein Knie mehr als neun Minuten lang auf den Hals und tötete ihn dadurch. Floyd hatte Tabak mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein gekauft. Es war ein Mord, dem auf der ganzen Welt mit Entsetzen begegnet wurde, der über Wochen zu teils gewaltsamen Protesten in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern führte. Die Geschehnisse vor dem Lebensmittelladen an der Straßenecke im Süden von Minneapolis wurden zum Symbol für rassistische Polizeigewalt in den USA.
Der schwarze Mann aber, der dort bis kurz vor seinem Tod "Ich kann nicht atmen" schrie, verkörpert nicht nur ein Symbol. Die beiden "Washington Post"-Journalisten Toluse Olorunnipa und Robert Samuels wollten wissen, wer George Floyd war. In der Biographie "I can't breathe" erzählen sie sein Leben. Dafür haben sie rund 400 Interviews mit Floyds Familie, Freunden und Bekannten geführt, unzählige Dokumente, Textnachrichten und Protokolle gesichtet. Auf der Buchrückseite wird versprochen: "Wenn wir das Leben von George Floyd verstehen, verstehen wir Rassismus" - und die Autoren haben damit recht. Wer das Buch liest, kann sich vorstellen, dass Floyd und Cains erleichtert waren, dass die Polizisten sie damals im Jahr 1996 nur auf den Boden gestoßen hatten. Denn die Beamten hatten sie danach gehen lassen. Sie waren nicht zusammengeschlagen, nicht verhaftet, nicht erschossen worden in dieser Nacht.
Olorunnipa und Samuels beginnen ihr Buch so, wie Journalisten gerne Artikel anfangen, mit einer Situation, die Spannung erzeugt. Sie schildern die Momente im und vor dem Eckladen bis zu dem Augenblick, in dem George Floyd auf die Polizei trifft. Dann greifen sie weit zurück. Sie berichten etwa, wie Floyds Ururgroßvater im 19. Jahrhundert als Sklave in North Carolina schuften musste, sich aber aus der Sklaverei befreien und Farmland kaufen konnte, das ihm zu solidem Wohlstand verhalf. Sie erklären, wie ihm dieses Land mithilfe restriktiver Gesetze, die dubiose Geschäftsleute für sich auszunutzen wussten, wieder genommen wurde.
Das Buch beschreibt, wie Floyds Mutter in Armut aufwuchs, wie Floyd mit nicht viel Geld im Third Ward, einem unter Armut leidenden Viertel im texanischen Houston, groß wurde. Wie er als Jugendlicher den Wunsch hatte, Profi-Footballspieler zu werden, den Schulabschluss erst im zweiten Anlauf schaffte, das College hinschmiss, weil er sportlich zwar einiges draufhatte, aber nicht gut genug war in den anderen Fächern - die aber nötig für die Qualifikation zum Footballspielen waren.
Die Autoren verstehen es, die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten in George Floyds Leben aufzuzeigen. Sie untermauern sie mit nüchternen Statistiken, erklären Zusammenhänge zur damaligen und heutigen Wohnungspolitik, Polizeiausbildung, Justiz. George Floyd war abhängig und handelte immer wieder mit Drogen. Er verbrachte mehrere Jahre im Gefängnis, unter anderem für eine mutmaßliche Teilnahme an einem bewaffneten Raubüberfall, die nie bewiesen wurde. Er entwickelte durch seine Haftstrafen Platzangst und eine furchtbare Panik, wieder eingesperrt zu werden. Die Tür zum engen Badezimmer von Shawanda Hill, mit der er im Sommer 2019 eine Affäre hatte, ließ er stets offen.
Die Autoren beschreiben einen Menschen, der in die Kriminalität abrutschte, weil die Gesellschaft ihn genau damit - und mit nichts sonst - assoziierte. Jemand, der immer wieder versuchte, es richtig zu machen, aber nicht ankam gegen das antizipierte Scheitern. Einen großen, respektierten, schüchternen, sanftmütigen, ängstlichen Mann, der, wäre er nicht schwarz gewesen, noch am Leben wäre. Das Buch geht über seinen Todestag hinaus, es berichtet, wie die Familie von Floyd danach kämpfte, ihren "Perry", wie sie ihn nannten, in erträglicher Erinnerung zu behalten.
An manchen Stellen gerät diese Biographie zu stark ins Erzählerische, besonders in Momenten, die nur Floyd selbst hätte so erzählen können, etwa als er mit 19 Jahren das Texas Memorial Stadium zum ersten Mal sah ("Staunend ließ er den Blick über die 87 000 Plätze und die schwindelerregend hohen Torbögen der Eingänge schweifen"). Andere Passagen wurden mehr schlecht als recht ins Deutsche übersetzt ("Wie viele schwarze Amerikaner war auch Floyd besonders anfällig für den gnadenlosen Ansturm der Pandemie"). Insgesamt aber bietet das Buch eine fundierte Argumentation, Rassismus als Struktur, nicht als Individualeigenschaft anzuerkennen. Floyd wollte als Kind immer berühmt werden. Es ist nur eine der vielen Anekdoten im Buch, die keine weiteren Worte nötig haben. KIM MAURUS
Toluse Olorunnipa/ Robert Samuels: I can't breathe. George Floyds Leben in einer rassistischen Welt
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main.
558 S., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rassismus in den Vereinigten Staaten begreifen - das Leben des George Floyd
Wie man sich wohl fühlt, wenn Polizisten einen aus dem Auto zerren und bäuchlings auf den Boden drücken, so, dass man "Schotter und Schmutz schmecken" kann? Wenn sie einem Handschellen anlegen und die Stiefel auf den untereren Rücken drücken, ohne zu sagen, warum? Wenn sie das Auto durchwühlen, die eben gekauften Snacks hinauswerfen, das Eis läuft auf der Straße aus, direkt vor dem eigenen, auf den Asphalt gedrückten Gesicht? George Floyd und sein Freund Travis Cains fühlten in dieser Nacht im Jahr 1996, als ihnen all das widerfuhr, vor allem eines: Erleichterung. George Floyd war damals Anfang zwanzig, Collegestudent und zu Besuch in seiner Heimat in Houston. Aber die Polizei war schon damals eine feste und zugleich unberechenbare Instanz in seinem Leben. Der Vorfall im Jahr 1996 war nur einer von vielen. Angehalten zu werden, das galt es unbedingt zu vermeiden. Niemand konnte absehen, ob und wie die Situation eskalieren würde.
Mehr als 20 Jahre später sollte George Floyd durch eine Begegnung mit der Polizei bekannt werden, die in einer Weise eskalierte, die schlimmer nicht sein kann. An einer Straßenecke in Minneapolis drückte im Mai 2020 der Polizist Derek Chauvin George Floyd sein Knie mehr als neun Minuten lang auf den Hals und tötete ihn dadurch. Floyd hatte Tabak mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein gekauft. Es war ein Mord, dem auf der ganzen Welt mit Entsetzen begegnet wurde, der über Wochen zu teils gewaltsamen Protesten in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern führte. Die Geschehnisse vor dem Lebensmittelladen an der Straßenecke im Süden von Minneapolis wurden zum Symbol für rassistische Polizeigewalt in den USA.
Der schwarze Mann aber, der dort bis kurz vor seinem Tod "Ich kann nicht atmen" schrie, verkörpert nicht nur ein Symbol. Die beiden "Washington Post"-Journalisten Toluse Olorunnipa und Robert Samuels wollten wissen, wer George Floyd war. In der Biographie "I can't breathe" erzählen sie sein Leben. Dafür haben sie rund 400 Interviews mit Floyds Familie, Freunden und Bekannten geführt, unzählige Dokumente, Textnachrichten und Protokolle gesichtet. Auf der Buchrückseite wird versprochen: "Wenn wir das Leben von George Floyd verstehen, verstehen wir Rassismus" - und die Autoren haben damit recht. Wer das Buch liest, kann sich vorstellen, dass Floyd und Cains erleichtert waren, dass die Polizisten sie damals im Jahr 1996 nur auf den Boden gestoßen hatten. Denn die Beamten hatten sie danach gehen lassen. Sie waren nicht zusammengeschlagen, nicht verhaftet, nicht erschossen worden in dieser Nacht.
Olorunnipa und Samuels beginnen ihr Buch so, wie Journalisten gerne Artikel anfangen, mit einer Situation, die Spannung erzeugt. Sie schildern die Momente im und vor dem Eckladen bis zu dem Augenblick, in dem George Floyd auf die Polizei trifft. Dann greifen sie weit zurück. Sie berichten etwa, wie Floyds Ururgroßvater im 19. Jahrhundert als Sklave in North Carolina schuften musste, sich aber aus der Sklaverei befreien und Farmland kaufen konnte, das ihm zu solidem Wohlstand verhalf. Sie erklären, wie ihm dieses Land mithilfe restriktiver Gesetze, die dubiose Geschäftsleute für sich auszunutzen wussten, wieder genommen wurde.
Das Buch beschreibt, wie Floyds Mutter in Armut aufwuchs, wie Floyd mit nicht viel Geld im Third Ward, einem unter Armut leidenden Viertel im texanischen Houston, groß wurde. Wie er als Jugendlicher den Wunsch hatte, Profi-Footballspieler zu werden, den Schulabschluss erst im zweiten Anlauf schaffte, das College hinschmiss, weil er sportlich zwar einiges draufhatte, aber nicht gut genug war in den anderen Fächern - die aber nötig für die Qualifikation zum Footballspielen waren.
Die Autoren verstehen es, die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten in George Floyds Leben aufzuzeigen. Sie untermauern sie mit nüchternen Statistiken, erklären Zusammenhänge zur damaligen und heutigen Wohnungspolitik, Polizeiausbildung, Justiz. George Floyd war abhängig und handelte immer wieder mit Drogen. Er verbrachte mehrere Jahre im Gefängnis, unter anderem für eine mutmaßliche Teilnahme an einem bewaffneten Raubüberfall, die nie bewiesen wurde. Er entwickelte durch seine Haftstrafen Platzangst und eine furchtbare Panik, wieder eingesperrt zu werden. Die Tür zum engen Badezimmer von Shawanda Hill, mit der er im Sommer 2019 eine Affäre hatte, ließ er stets offen.
Die Autoren beschreiben einen Menschen, der in die Kriminalität abrutschte, weil die Gesellschaft ihn genau damit - und mit nichts sonst - assoziierte. Jemand, der immer wieder versuchte, es richtig zu machen, aber nicht ankam gegen das antizipierte Scheitern. Einen großen, respektierten, schüchternen, sanftmütigen, ängstlichen Mann, der, wäre er nicht schwarz gewesen, noch am Leben wäre. Das Buch geht über seinen Todestag hinaus, es berichtet, wie die Familie von Floyd danach kämpfte, ihren "Perry", wie sie ihn nannten, in erträglicher Erinnerung zu behalten.
An manchen Stellen gerät diese Biographie zu stark ins Erzählerische, besonders in Momenten, die nur Floyd selbst hätte so erzählen können, etwa als er mit 19 Jahren das Texas Memorial Stadium zum ersten Mal sah ("Staunend ließ er den Blick über die 87 000 Plätze und die schwindelerregend hohen Torbögen der Eingänge schweifen"). Andere Passagen wurden mehr schlecht als recht ins Deutsche übersetzt ("Wie viele schwarze Amerikaner war auch Floyd besonders anfällig für den gnadenlosen Ansturm der Pandemie"). Insgesamt aber bietet das Buch eine fundierte Argumentation, Rassismus als Struktur, nicht als Individualeigenschaft anzuerkennen. Floyd wollte als Kind immer berühmt werden. Es ist nur eine der vielen Anekdoten im Buch, die keine weiteren Worte nötig haben. KIM MAURUS
Toluse Olorunnipa/ Robert Samuels: I can't breathe. George Floyds Leben in einer rassistischen Welt
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main.
558 S., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main