Frühling 1945, Deutschland liegt in Trümmern. Rena und ihre Familie müssen eine neue Heimat finden und fliehen über das zerstörte Berlin in das Dorf Kewenow. Während sich die Älteren mit ihrer Schuld auseinandersetzen müssen, sehnt Rena sich nach einem neuen, ehrlichen Leben. Für sie ist alles ein Anfang - auch ihre Liebe zu Klaas. Ein bewegender Familienroman eines großen Erzählers über Kinder, die sich von den Eltern nichts mehr sagen lassen und immer mutiger werden - je größer ihre Hoffnung ist, ihren Platz in der chaotischen Nachkriegszeit zu finden.
»Klaus Kordons Roman überzeugt mit einem spannungsreichen Plot, der in alltäglichen Szenen die wachsenden gesellschaftlichen Risse im untergehenden Nazi-Deutschland freilegt - gerade in den sprachlichen Details.« Christoph Vormweg, Deutschlandfunk, 21.8.2021
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Klaus Kordon beschäftigt sich in seinem neuen historischen Roman "Und alles neu macht der Mai" erneut mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, informiert uns Rezensentin Roswitha Budeus-Budde. Der Autor fokussiert sich aus der Perspektive der 16-jährigen Protagonistin Rena, die mit ihrer Familie auf der Flucht vor der einmarschierenden Roten Armee ist, von den Jahren kurz vor dem Ende des NS-Regimes, erklärt die Rezensentin. Die Protagonistin ist eine sehr genaue Beobachterin, alles, was sie sieht, darunter die verschiedensten Charaktere wie Nazis und Opfer, wirkt auf Budeus-Budde lebendig und nah. Damit ist "Und alles neu macht der Mai" der Rezensentin zufolge ein Buch, das die altbekannten Geschichten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit mit Geschichten von Individuen verschwimmen lässt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021Schuld und Sühne
Jugend am Ende des Zweiten Weltkriegs
Schon einmal hat sich Klaus Kordon in seinem großen historischen Œuvre mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. In der „Trilogie der Wendezeit“, die das Leben einer Berliner Arbeiterfamilie im
20. Jahrhundert, in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg schildert, berichtet der dritte Band, der 2003 erschien, von den letzten Kriegstagen und der Zeit unter sowjetischer Besatzung in Berlin.
In seinem neuen historischen Roman zur Zeitgeschichte „Und alles neu macht der Mai“, der nur von den Jahren 1944/1945 erzählt, ist eine Familie vor der heranrückenden Roten Armee auf der Flucht aus dem Warthegau. Einquartiert als ungeliebte „Polacken“ werden sie in einem norddeutschen Bauerndorf von einer sehr abweisenden Bäuerin empfangen. „Wie soll ich sie beschreiben?“, fragt sich die 16-jährige Rena, die sich vorgenommen hat, für ihre zweijährige Schwester und auch für die beiden Brüder alles in einem Tagebuch festzuhalten. „Sie war mir vom ersten Blick an unsympathisch. Momm sagt, wir sollen nicht ungerecht sein, der lange Krieg habe manche Menschen eben hart gemacht … Die Griess … sah Jockel, Kutti und mich an. Ein Blick, als fragte sie sich, was die Katze ihr da wohl wieder ins Haus geschleppt hatte.“
Klaus Kordon lässt Rena alles beobachten, Szene für Szene, wie in Nahaufnahmen werden Namen, Gesichter und Schicksale lebendig. Alle treten sie auf, die Nazis, die Denunzianten, die Verzweifelten, die Opfer und Verlierer und später die Kriegsgewinnler und Überlebenskünstler. Das Mädchen trifft sie auf der Flucht, später im Bauerndorf und dann in der englischen Besatzungszone in Frankfurt am Main. Er beschränkt sich nicht nur auf Geschichten, die aus Krieg und Nachkriegszeit sattsam bekannt sind und zur sogenannten „Erinnerungskultur“ zählen, sondern er schildert unterschiedliche Charaktere mit individuellen Zügen. Mit der Verantwortung für ihr Handeln.
Besonders Rena muss sich mit der Frage nach Schuld und Sühne, dem wichtigsten Thema dieses Buches, auseinandersetzen. Sie freundet sich an mit Klaas, dem Außenseiter im Ort, dessen Vater, der ehemalige Pfarrer, nach einer Denunziation des Ortsbauernführers im Konzentrationslager umgebracht worden war. Als sie von ihm die Wahrheit über den Krieg und die Grausamkeit des Regimes erfährt, verliert sie ihren Glauben an die NS-Ideologie, an der sie als BDM-Mädchen bis dahin noch festhielt. Als zentrale Figur des Widerstands gegen das alte Denken sieht Kordon sie als Hoffnung für die Zukunft. Der ungebrochene Glaube an das Vaterland, an „Deutsche Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Treue, die gerade in schlimmen Zeiten hochgehalten werden müssten“, diese Sprüche des Vaters stürzen sie in große Konflikte. Aus den Erfahrungen deutscher Geschichte hat Klaus Kordon hier schon die Schwierigkeiten des politischen und gesellschaftlichen Neuanfangs vor 70 Jahren beschrieben. (ab 14 Jahre und Erwachsene)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Klaus Kordon:
Und alles neu
macht der Mai.
Beltz & Gelberg 2021.
441 Seiten. 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Jugend am Ende des Zweiten Weltkriegs
Schon einmal hat sich Klaus Kordon in seinem großen historischen Œuvre mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. In der „Trilogie der Wendezeit“, die das Leben einer Berliner Arbeiterfamilie im
20. Jahrhundert, in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg schildert, berichtet der dritte Band, der 2003 erschien, von den letzten Kriegstagen und der Zeit unter sowjetischer Besatzung in Berlin.
In seinem neuen historischen Roman zur Zeitgeschichte „Und alles neu macht der Mai“, der nur von den Jahren 1944/1945 erzählt, ist eine Familie vor der heranrückenden Roten Armee auf der Flucht aus dem Warthegau. Einquartiert als ungeliebte „Polacken“ werden sie in einem norddeutschen Bauerndorf von einer sehr abweisenden Bäuerin empfangen. „Wie soll ich sie beschreiben?“, fragt sich die 16-jährige Rena, die sich vorgenommen hat, für ihre zweijährige Schwester und auch für die beiden Brüder alles in einem Tagebuch festzuhalten. „Sie war mir vom ersten Blick an unsympathisch. Momm sagt, wir sollen nicht ungerecht sein, der lange Krieg habe manche Menschen eben hart gemacht … Die Griess … sah Jockel, Kutti und mich an. Ein Blick, als fragte sie sich, was die Katze ihr da wohl wieder ins Haus geschleppt hatte.“
Klaus Kordon lässt Rena alles beobachten, Szene für Szene, wie in Nahaufnahmen werden Namen, Gesichter und Schicksale lebendig. Alle treten sie auf, die Nazis, die Denunzianten, die Verzweifelten, die Opfer und Verlierer und später die Kriegsgewinnler und Überlebenskünstler. Das Mädchen trifft sie auf der Flucht, später im Bauerndorf und dann in der englischen Besatzungszone in Frankfurt am Main. Er beschränkt sich nicht nur auf Geschichten, die aus Krieg und Nachkriegszeit sattsam bekannt sind und zur sogenannten „Erinnerungskultur“ zählen, sondern er schildert unterschiedliche Charaktere mit individuellen Zügen. Mit der Verantwortung für ihr Handeln.
Besonders Rena muss sich mit der Frage nach Schuld und Sühne, dem wichtigsten Thema dieses Buches, auseinandersetzen. Sie freundet sich an mit Klaas, dem Außenseiter im Ort, dessen Vater, der ehemalige Pfarrer, nach einer Denunziation des Ortsbauernführers im Konzentrationslager umgebracht worden war. Als sie von ihm die Wahrheit über den Krieg und die Grausamkeit des Regimes erfährt, verliert sie ihren Glauben an die NS-Ideologie, an der sie als BDM-Mädchen bis dahin noch festhielt. Als zentrale Figur des Widerstands gegen das alte Denken sieht Kordon sie als Hoffnung für die Zukunft. Der ungebrochene Glaube an das Vaterland, an „Deutsche Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Treue, die gerade in schlimmen Zeiten hochgehalten werden müssten“, diese Sprüche des Vaters stürzen sie in große Konflikte. Aus den Erfahrungen deutscher Geschichte hat Klaus Kordon hier schon die Schwierigkeiten des politischen und gesellschaftlichen Neuanfangs vor 70 Jahren beschrieben. (ab 14 Jahre und Erwachsene)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Klaus Kordon:
Und alles neu
macht der Mai.
Beltz & Gelberg 2021.
441 Seiten. 22 Euro.
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