Darm, Oliver ist 17. Sein Leben ist verpfuscht, verrutscht. Kein Wunder, wenn man Darm heißt. Sein Name ist gewissermaßen Prophezeiung. Aber Jana bringt das Eis zum Schmelzen. Muss ja. Der neue Roman von Gabi Kreslehner ist so bitter und schön wie das Leben selbst.
Darm ist ein Eisklotz und lässt niemanden an sich rankommen, seinen Onkel Kurt nicht und Muskat nicht, mit dem er so oft auf den Wasserwiesen am Fluss sitzt. Auch Jana nicht. Jana liebt Darm. Aber Darm liebt Jana nicht. Darm liebt niemanden. Doch als die Polizisten auftauchen, kommt alles wieder hoch. Was damals, vor mehr als tausend Tagen, passiert ist, als seine Schwester auf tragische Weise verschwand, seine Mutter anfing zu trinken und überhaupt sein ganzes Leben auseinanderfiel. Darm braucht diesen ganzen langen Sommer, bis er endlich reden kann. Doch irgendwann, als Darm mit Jana auf dem Hügel sitzt und der Himmel rot wird, beginnt der Anfang vom Ende. "Vielleicht, dachte er, kann Jana das Wunder vollbringen. Vielleicht ist sie die Prinzessin und ich der Frosch."
Darm ist ein Eisklotz und lässt niemanden an sich rankommen, seinen Onkel Kurt nicht und Muskat nicht, mit dem er so oft auf den Wasserwiesen am Fluss sitzt. Auch Jana nicht. Jana liebt Darm. Aber Darm liebt Jana nicht. Darm liebt niemanden. Doch als die Polizisten auftauchen, kommt alles wieder hoch. Was damals, vor mehr als tausend Tagen, passiert ist, als seine Schwester auf tragische Weise verschwand, seine Mutter anfing zu trinken und überhaupt sein ganzes Leben auseinanderfiel. Darm braucht diesen ganzen langen Sommer, bis er endlich reden kann. Doch irgendwann, als Darm mit Jana auf dem Hügel sitzt und der Himmel rot wird, beginnt der Anfang vom Ende. "Vielleicht, dachte er, kann Jana das Wunder vollbringen. Vielleicht ist sie die Prinzessin und ich der Frosch."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2011Achtung, heftiges Sprüngeln!
Vor drei Jahren gelang Gabi Kreslehner ein furioses Debüt. Ihr zweites Jugendbuch "Und der Himmel rot" dagegen ist eine Enttäuschung.
Vielleicht hatte er zu wenig getrauert. Zu oft gelacht. Zu sehr geliebt." Das hat Oliver nun davon: Sie haben seine Schwester gefunden. Zumindest das, was nach über tausend Tagen von ihr übrig geblieben ist: die Knochen. Jetzt wissen alle, dass sie tot ist. Jetzt muss sich auch Oliver dieser Gewissheit stellen, mit der er die ganze Zeit gerungen hat. Auch wenn er dabei gewesen war, als der Fluss sie mit sich gerissen hatte, auch wenn er sich schuldig fühlt und glaubt, sie "ein bisschen umgebracht" zu haben damals in seiner Wut.
Dabei macht Oliver, der selbst nur noch seinen Nachnamen, Darm, gelten lässt, es sich und seinen Mitmenschen nicht gerade einfach. Gabi Kreslehner hat ihm in "Und der Himmel rot", ihrem zweiten Jugendbuch nach dem gefeierten "Charlottes Traum", einiges aufgebürdet: Seine Mutter zerbricht am Verschwinden ihrer Tochter, sie stirbt an Olivers 16. Geburtstag. Der Onkel holt ihn zu sich in die Stadt, und hier trifft Oliver auf einen Lehrer, der ihn schikaniert, auf eine Lehrerin, die er provoziert, auf eine Klassenkameradin, die ihn mit einer Entschlossenheit liebt, der er nicht widerstehen kann, und auf einen Freund, der sich darauf versteht, "das Richtige zu sagen und das Richtige zu schweigen".
Gabi Kreslehner kriegt sie gut zu fassen, diese äußere Schroffheit und innere Not, mit der sich Darm in die Provokation flüchtet, in die Unerreichbarkeit. Und sie schildert mit schöner Zartheit, wie es Jana gelingt, ihn doch immer wieder zu berühren, mit ihren Augen, ihrer Liebe oder ihrem Zorn. Die Dialoge der beiden, ihre Worte und Gesten, ihre pubertären Tänze aus Anziehung und Abstoßung, Anlehnungsbedürfnis und Isolationsgefühl gehören zum Besten dieses Buchs.
Seine erste Schwäche ist die schicksalhafte Verknotung der Figuren: Jana ist nicht nur Klassenkameradin, sondern auch noch die Tochter dieses zynischen Lehrers. Der war einst nicht nur Liebhaber der Mutter Darms, sondern entpuppt sich auch noch als ahnungsloser Vater der toten Irina. Außerdem ist er Saufkumpan des guten Onkels, der wiederum gerade etwas mit der Lehrerin angefangen hat, die es vergeblich gut meint mit dem Jungen. Gabi Kreslehner lädt ihre Geschichte auf, als würde sie der Bedrängnis ihres Helden selbst nicht trauen, als würde sie nicht daran glauben, dass Darms Nöte auch ohne derlei eskalieren, sich entladen und sich schließlich mildern könnten. Und kann diese Verstrickung doch nur zu einem Showdown nutzen, der für Darm und die Leser keine weiteren Überraschungen bietet.
Seine zweite Schwäche ist die Sprache, die in Kreslehners Debüt noch die große Stärke war. Der eigentümliche Rhythmus ihrer Sätze, die ungewohnten Wörter: Was in "Charlottes Traum" eine eigenwillige, junge Ich-Erzählerin souverän durch die Geschichte getragen hatte, wirkt fadenscheinig, wenn die Autorin mit kaum wechselndem Duktus all ihren Figuren ins Herz schaut: "Er seufzte", heißt es einmal, "und dann wurde die Sonne länger und fester, und er spürte, wie er zu sprüngeln begann. In seinem Inneren. Tief. Zu sprüngeln." Ein traumatisierter Siebzehnjähriger, in dem es sprüngelt? Wir seufzen.
FRIDTJOF KÜCHEMANN.
Gabi Kreslehner: "Und der Himmel rot".
Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2011. 144 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vor drei Jahren gelang Gabi Kreslehner ein furioses Debüt. Ihr zweites Jugendbuch "Und der Himmel rot" dagegen ist eine Enttäuschung.
Vielleicht hatte er zu wenig getrauert. Zu oft gelacht. Zu sehr geliebt." Das hat Oliver nun davon: Sie haben seine Schwester gefunden. Zumindest das, was nach über tausend Tagen von ihr übrig geblieben ist: die Knochen. Jetzt wissen alle, dass sie tot ist. Jetzt muss sich auch Oliver dieser Gewissheit stellen, mit der er die ganze Zeit gerungen hat. Auch wenn er dabei gewesen war, als der Fluss sie mit sich gerissen hatte, auch wenn er sich schuldig fühlt und glaubt, sie "ein bisschen umgebracht" zu haben damals in seiner Wut.
Dabei macht Oliver, der selbst nur noch seinen Nachnamen, Darm, gelten lässt, es sich und seinen Mitmenschen nicht gerade einfach. Gabi Kreslehner hat ihm in "Und der Himmel rot", ihrem zweiten Jugendbuch nach dem gefeierten "Charlottes Traum", einiges aufgebürdet: Seine Mutter zerbricht am Verschwinden ihrer Tochter, sie stirbt an Olivers 16. Geburtstag. Der Onkel holt ihn zu sich in die Stadt, und hier trifft Oliver auf einen Lehrer, der ihn schikaniert, auf eine Lehrerin, die er provoziert, auf eine Klassenkameradin, die ihn mit einer Entschlossenheit liebt, der er nicht widerstehen kann, und auf einen Freund, der sich darauf versteht, "das Richtige zu sagen und das Richtige zu schweigen".
Gabi Kreslehner kriegt sie gut zu fassen, diese äußere Schroffheit und innere Not, mit der sich Darm in die Provokation flüchtet, in die Unerreichbarkeit. Und sie schildert mit schöner Zartheit, wie es Jana gelingt, ihn doch immer wieder zu berühren, mit ihren Augen, ihrer Liebe oder ihrem Zorn. Die Dialoge der beiden, ihre Worte und Gesten, ihre pubertären Tänze aus Anziehung und Abstoßung, Anlehnungsbedürfnis und Isolationsgefühl gehören zum Besten dieses Buchs.
Seine erste Schwäche ist die schicksalhafte Verknotung der Figuren: Jana ist nicht nur Klassenkameradin, sondern auch noch die Tochter dieses zynischen Lehrers. Der war einst nicht nur Liebhaber der Mutter Darms, sondern entpuppt sich auch noch als ahnungsloser Vater der toten Irina. Außerdem ist er Saufkumpan des guten Onkels, der wiederum gerade etwas mit der Lehrerin angefangen hat, die es vergeblich gut meint mit dem Jungen. Gabi Kreslehner lädt ihre Geschichte auf, als würde sie der Bedrängnis ihres Helden selbst nicht trauen, als würde sie nicht daran glauben, dass Darms Nöte auch ohne derlei eskalieren, sich entladen und sich schließlich mildern könnten. Und kann diese Verstrickung doch nur zu einem Showdown nutzen, der für Darm und die Leser keine weiteren Überraschungen bietet.
Seine zweite Schwäche ist die Sprache, die in Kreslehners Debüt noch die große Stärke war. Der eigentümliche Rhythmus ihrer Sätze, die ungewohnten Wörter: Was in "Charlottes Traum" eine eigenwillige, junge Ich-Erzählerin souverän durch die Geschichte getragen hatte, wirkt fadenscheinig, wenn die Autorin mit kaum wechselndem Duktus all ihren Figuren ins Herz schaut: "Er seufzte", heißt es einmal, "und dann wurde die Sonne länger und fester, und er spürte, wie er zu sprüngeln begann. In seinem Inneren. Tief. Zu sprüngeln." Ein traumatisierter Siebzehnjähriger, in dem es sprüngelt? Wir seufzen.
FRIDTJOF KÜCHEMANN.
Gabi Kreslehner: "Und der Himmel rot".
Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2011. 144 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nach Gabi Kreslehners "furiosem" Debütroman "Charlottes Traum" hatte Rezensent Fridtjof Küchemann große Erwartungen in "Und der Himmel rot" gesetzt - und wurde leider sehr enttäuscht. Dabei hatte die Geschichte um den siebzehnjährigen Oliver, der nach dem Tod der Schwester auch seine Mutter verliert und sich immer weiter von der Welt zurückzieht, so gut begonnen: so gekonnt stelle Kreslehner das innere Drama des Protagonisten dar, so wunderbar zart beschreibe sie die pubertäre Liebesgeschichte zwischen Oliver mit seiner Klassenkameradin Jana. Doch am Ende ist die Geschichte mit zu viel Schicksal überfrachtet . Und auch der noch in Kreslehners Debütroman so hoch gelobten, eigentümlichen Sprache kann Küchemann hier nicht mehr viel abgewinnen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Trotz der traumatischen Erlebnisse, die Darm mit sich herumträgt, haftet dem Buch nichts Düsteres an. Das liegt am lakonischen Erzählstil der Autorin. Sie schreibt kein Wort zu viel. Und doch ist alles spürbar: Schwermut, Glück, Zorn, Albernheit, Unsicherheit - kurz das ganze emotionale Durcheinander, das jeder in diesem Alter durchläuft." Stuttgarter Zeitung "Kreslehners Roman verbindet auf aussergewöhnliche Weise Spannung und melancholische Stimmung - und er endet mit Zuversicht, wenn Darm Vertrauen gewinnt und endlich über seine Vergangenheit spricht." Neue Zürcher Zeitung "Gabi Kreslehner schreibt keine Seelenprosa, sondern seziert die Charaktere manchmal brutal und dann wieder mit dem sanften Wellengang. Ihre Sätze haben etwas von Wasser, mal tröpfelnd, mal wuchtig, immer berührend." Eselsohr "Wie in 'Charlottes Traum' gelingt es der Autorin, die Emotionalität ihrer jugendlichen Figuren einzufangen. Zärtlichkeit und brachiale Aggression gehen nahtlos ineinander über, beim Reden und beim Handeln; die Jugendlichen haben wilde Seelen, die noch nicht in Scheiben geschnitten in Schubladen ruhen oder im Alkohol ertränkt werden wie bei den Erwachsenen." Buch & Maus "Sie [die Autorin] hat wieder etwas Eigenes, Unverwechselbares gefunden, doch diesmal in einer ganz anderen Gegend: Der Schwere des Stoffes entsprechend trägt auch die Sprache deutlich mehr auf, plustert sich in manchmal zu gewollt wirkenden, originellen Bildern, erzählt aus und drumherum und immer rein in die Köpfe und Herzen der Figuren, trotz der Freude an aneinandergereihten Halbsätzen, so dass ihre erzählerische Leichtigkeit passagenweise von einer großen Bedeutungsschwere fast an die Wand gedrückt wird und nur noch schwer atmen kann." bjl "Was diesen spannenden Roman über Tod, Liebe und Kraft des Verdrängten auszeichnet, ist die authentische, aber lyrisch-sensible Schilderung äußerer wie innerer Disposition. Endlich einmal keine Ich-Erzählung, sondern eine Erzählinstanz, die vieles einfängt, die Wertung aber den LeserInnen überlässt." 1000 und 1 Buch "Gabi Kreslehner hat für ihren Roman eine ganz außergewöhnliche Sprache gefunden, wie man sie in einem Jugendbuch so noch nicht gelesen hat: Hart und feinfühlig zugleich. Sie erzählt stark assoziativ und ist dabei trotzdem wahnsinnig direkt. Ein schmales, einzigartiges Buch. Wegen der Sprache für manche Jugendliche sicher keine leichte Kost. Aber wer sich darauf einlässt, wird 'Und der Himmel rot lieben', erwachsene Leser eingeschlossen." Scala, WDR 5 "Prägnant und wortgewaltig erzählt." Sommertipp des Kulturradio rbb