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Ein verblüffender Blick auf die Debatten um Identitätspolitik und Diskriminierung
Dieses Buch richtet sich an alle Menschen mit gutem Gewissen. Natürlich sind sie gegen Homophobie, Rassismus und andere Arten der Diskriminierung. Sicher sind sie auch gegen Antisemitismus in jeder Form. Aber zählen Juden wirklich genauso in den Debatten der Gegenwart? David Baddiel ist in Großbritannien berühmt als politischer Kommentator und Comedian. Als prominente jüdische Stimme stellt er bohrende Fragen: Gelten Juden wirklich als handfest bedroht, genau wie andere Minderheiten? Und falls nicht - warum?…mehr

Produktbeschreibung
Ein verblüffender Blick auf die Debatten um Identitätspolitik und Diskriminierung

Dieses Buch richtet sich an alle Menschen mit gutem Gewissen. Natürlich sind sie gegen Homophobie, Rassismus und andere Arten der Diskriminierung. Sicher sind sie auch gegen Antisemitismus in jeder Form. Aber zählen Juden wirklich genauso in den Debatten der Gegenwart?
David Baddiel ist in Großbritannien berühmt als politischer Kommentator und Comedian. Als prominente jüdische Stimme stellt er bohrende Fragen: Gelten Juden wirklich als handfest bedroht, genau wie andere Minderheiten? Und falls nicht - warum? In einer brillanten Kombination aus Beobachtungen der Gegenwart, persönlichen Erfahrungen und schmerzhaften Pointen erschüttert dieser Essay bequeme Gewissheiten. Wir müssen reden!
Autorenporträt
David Baddiel wurde 1964 geboren, er lebt in London und ist Comedian, Fernsehdarsteller und Autor. Seine Romane und Kinderbücher sind Bestseller, sein Twitter-Account hat über 730000 Follower. Bei Hanser erschien: Und die Juden? (2021). Bei Twitter
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Philipp Lenhard spürt die Stachel in David Baddiels Erkundung der doppelten Ausgrenzung von Juden (als marginalisierte, privilegierte Unterdrücker) durch ein sogenanntes "progressives" politisches Milieu, zu dem sich der Autor laut Rezensent selber zählt. Schmerzhaft, da bestechend findet Lenhard Baddiels Analysen, die für ihn aus der Flut der Veröffentlichungen zum Thema Antisemitismus herausragen, weil sie weder historisch noch soziologisch vorgehen, sondern empirisch, essayistisch. Der teils nüchterne, teils empörte Ton, vor allem der vorsichtige Gestus des Ausprobierens von Urteilen, sagen Lenhard zu.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2021

„Juden zählen nicht“
Wer ist sicher vor Doppelmoral? Die progressive Linke sollte dringend
das neue Buch des britischen Comedian David Baddiel lesen
Als im April die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse bekannt gegeben wurden, kritisierte ein offener Brief, dass sich unter den Nominierten „keine Schwarzen Autor:innen und Autor:innen of Colour“ befänden. Wenn man mit „weiß“ den Melaningehalt menschlicher Haut meint, dann ist die Feststellung, dass hier nur „weiße Autor:innen“ nominiert waren, korrekt. Nur ist das nicht der Begriff von „Weißsein“, der in der antirassistischen Linken gilt, zu der viele der Unterzeichnenden des Briefes gehören. Hier ist „weiß“ eben keine Hautfarbe.
Wie Natasha A. Kelly, eine der Unterzeichnenden, in ihrem Buch „Rassismus“, schreibt: „Der Begriff ‚weiß‘ bezeichnet eine historisch unmarkierte Position, die mit Privilegien ausgestattet ist und die unsichtbar herrschende Norm in Deutschland darstellt.“ Persons of Colour (POCs) sind somit alle, „die von Rassismen betroffen sind“. Wenn man die Liste mit dieser Definition betrachtet, stolpert man über den deutsch-israelischen Historiker Dan Diner, der als Jude weder die herrschende Norm in Deutschland ist (circa 0,14 Prozent der Deutschen sind jüdisch), noch von Rassismus nicht betroffen.
Zur Erinnerung, Antisemitismus war in den vergangenen hundert Jahren primär rassistisch, nicht religiös motiviert; viele, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als Juden ermordet wurden, waren Atheisten, Protestanten, Katholiken. Dass die Verfasser des offenen Briefes trotzdem behaupteten, dass sich keine „Autor:innen of Colour“ – also keine von Rassismus Betroffenen – unter den Nominierten befänden, lässt sich auf zwei Arten interpretieren: Entweder, sie wussten nicht, dass Dan Diner, der 1946 in München als Kind jüdischer Displaced Persons geboren wurde und in diesem Jahr für sein Sachbuch „Ein anderer Krieg – Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg“ nominiert war, Jude ist.
Oder aber: Juden zählen nicht.
Letzteres, dass Juden unter Linken nicht als von Rassismus betroffene Minderheit gelten, also „nicht zählen“, ist die These von David Baddiels Buch „Und die Juden?“. (Im englischen Original heißt es, schmerzvoller: Jews Don’t Count.) Zu Baddiels vielen, vornehmlich angelsächsischen Belegen gehört ein Wandbild des Streetartists Mear One, das hakennasige Bankiers beim Monopoly-Spielen auf gebückten Menschen zeigt und so das Stereotyp des geldgierigen Juden und der jüdischen Weltverschwörung aufgreift. Als das Bild entfernt werden sollte, nahm Jeremy Corbyn, die wichtigste Stimme des linken Flügels der britischen Labour-Partei, das Gemälde in Schutz.
Noch ein Beispiel: Die Schauspielerin Seyi Omooba wurde aus der Hauptrolle in der Musicaladaption von Alice Walkers „Die Farbe Lila“ entlassen, nachdem sie schwulenfeindliche Tweets verschickt hatte. Das Stück wurde aber aufgeführt, obwohl Alice Walker ein Gedicht veröffentlicht hatte, in dem sie suggerierte, Juden wollten Nicht-Juden versklaven und ermorden. Ohne ein Urteil über Cancel Culture zu fällen, bemerkt Baddiel , dass Schwulenfeindlichkeit geahndet wird, Judenfeindlichkeit eben nicht.
Es geht David Baddiel nicht um den aktiven Antisemitismus von Mear One oder Alice Walker und erst recht nicht um rechten Antisemitismus – Baddiel redet nicht mit Rechten. Er redet mit Progressiven, zu denen er sich zählt, um sie auf einen blinden Fleck aufmerksam zu machen. Es geht ihm darum, dass Menschen, deren politische Praxis sich gegen „sämtliche -ismen und Phobien“ – also gegen Rassismus, Sexismus, Islamophobie – richtet, die Diskriminierung von Juden häufig als Lappalie abtun, oder als politisch motivierte Propaganda. Dass kulturelle Aneignung von asiatischen oder schwarzen Kulturen verurteilt wird, aber es niemanden interessiert, wenn man sich bei Juden aneignet (was nach 2000 Jahren Christentum auch knifflig wäre). Es geht ihm darum, dass Juden in progressiven Kreisen regelmäßig die Diskriminierungserfahrung abgesprochen wird. Dass sie als Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft betrachtet werden, wobei sie nach antirassistischer Definition nicht weiß sind (meist abgesehen von der Hautfarbe). Zumindest nicht in England oder in Amerika oder (erst recht nicht) in Deutschland.
Wobei es vielleicht die größte Schwäche der deutschen Ausgabe dieses Buches ist, dass es in Deutschland, wo Antisemitismus auch aufgrund der Erinnerungskultur in linken Kreisen lange sehr ernst genommen wurde, beinahe nicht funktioniert. Oder anders: Es funktioniert nur, weil Deutschland seit Kurzem durch einen angelsächsischen Antirassismus-Diskurs geprägt wird, mit seinen notwendigen Interventionen, seiner Definition von Weißsein, seinen Fachtermini und eben auch seinem blinden Fleck, wenn es um Antisemitismus geht.
Für den blinden Fleck findet Baddiel eine offensichtliche Antwort: Juden zählen nicht, weil Juden, so das Stereotyp, „reich sind“. Juden, schreibt Baddiel, werden zum einen auf die gleiche Weise stereotypisiert wie andere Minderheiten – als schmutzig, niederträchtig, stinkend –, „aber eben auch als vermögend, privilegiert, mächtig, als geheime Herrscher über die Welt“. Wenn man nur ein kleines bisschen daran glaubt, kann man Juden nicht in den Kreis der schützenswerten Minderheiten aufnehmen. Wer die Armen und Entmachteten schützen will, kann niemanden verteidigen, den er insgeheim für reich und mächtig hält. Wenn Weißsein nur der Begriff für eine privilegierte Position ist, dann sind Juden, innerhalb des Stereotyps, keine POCs, sondern extra-weiß.
David Baddiel hat zwei Antworten auf dieses Problem. Zum einen, dass Juden nicht unbedingt reich seien. Die statistisch reichste Minorität in Amerika seien Hindus, und trotzdem wird antihinduistischer Rassismus ernst genommen. Seine zweite Antwort : Selbst wenn Juden reich wären, schützt sie das nicht vor Rassismus. Baddiels eigene deutsch-jüdische Vorfahren waren reich und wurden von den Nationalsozialisten verfolgt. Man könnte hinzufügen, dass Juden die religiöse Minderheit sind, die in Amerika am häufigsten Opfer von Hassverbrechen werden (laut FBI-Statistik richten sich 61 Prozent solcher Verbrechen gegen Juden, wobei sie nur 2 Prozent der Bevölkerung ausmachen). Weißsein, schlägt Baddiel vor, sei keine Frage der Hautfarbe oder der Finanzen, „sondern eine Frage der Sicherheit“. Wo Juden nicht sicher sind, sind sie nicht weiß, verdienen sie die Unterstützung der antirassistischen Linken, auch wenn sie, wie Hindus, nicht finanziell unterprivilegiert sind.
Baddiels Analysen sind überzeugend, er hätte nur weiter gehen können. Denn es liegt an den Kriterien für Diskriminierung, die die antirassistische Linke ansetzt, dass antijüdischer Rassismus kaum erkannt wird. Wer Rassismus in der Verteilung von Geld sucht, wird in Amerika bei jüdischen Menschen nicht so fündig wie zum Beispiel bei Schwarzen, die statistisch ärmer sind. Juden sind nicht „reich“, aber sie sind auch nicht arm. Dies liegt nur nicht daran, dass sie extra-weiß sind, sondern daran, dass ihnen auf Grund ihrer Diskriminierung andere Rollen zugeschrieben werden.
Als Donald Trump sagte, er hasse es, wenn Schwarze sein Geld zählen, und er lasse nur „kleine Typen mit Yarmulke“ an sein Geld (die Yarmulke ist ein anderes Wort für die Kopfbedeckung Kippa), war er damit Schwarzen, aber auch Juden gegenüber rassistisch, weil er sie auf gefährliche Klischees festlegte. Juden wurden im Laufe ihrer Verfolgungsgeschichte immer wieder erst in finanziell privilegierte Positionen eingesetzt (als Steuereintreiber oder Finanzverwalter) und dann für genau diese Privilegien verfolgt, vertrieben und ermordet.
Und es ist nicht überraschend, dass eine antirassistische Linke, die Diskriminierung mitunter an mangelnden Buchpreisnominierungen abliest, die Diskriminierung von Menschen nicht sieht, die seit Jahrhunderten als besonders gewieft und intelligent stereotypisiert werden und vielleicht auch deshalb bei Buchpreisnominierungen über- und nicht unterrepräsentiert sind. Das, und nicht notwendigerweise internalisierter Antisemitismus, macht es Antirassisten so schwer, Antisemitismus als Problem ernst zu nehmen.
Hier liegt die Hoffnung. Denn Antirassisten wissen, dass Rassismus manchmal die Form scheinbarer Privilegien annimmt. Dass, zum Beispiel, asiatische Frauen als besonders attraktiv gelten, gerade weil sie als Sexualobjekte diskriminiert werden. Vielleicht ist alles, was es braucht, damit Juden zählen, das Verständnis, dass Antisemitismus anders aussieht als andere Formen von Rassismus. Und dass er trotzdem, vielleicht gerade deshalb, so gefährlich ist. Die notwendige Aufklärungsarbeit leistet David Baddiel, nicht mit einer politischen Polemik, sondern mit einer tiefgründigen, oft humorvollen, manchmal verzweifelten Analyse.
Wer gegen Rassismus und gegen Antisemitismus ist, wer keine blinden Flecken mag, dafür gute Sachbücher, sollte „Und die Juden?“ lesen. Wer je schon in progressiven Kreisen jüdisch war, wird es vielen Menschen zu Weihnachten schenken. Dies ist eine Absichtserklärung.
NELE POLLATSCHEK
Juden werden zu oft
als Teil der weißen
Mehrheitsgesellschaft betrachtet
Der Rassismus nimmt
manchmal die Form
scheinbarer Privilegien an
David Baddiel ist Jude, Brite, Comedian und Autor. Seine Bücher sind Bestseller.
Foto: Dominic Lipinski/Picture Alliance
David Baddiel: „Und
die Juden?“, aus dem
Englischen von Stephan Kleiner. Sachbuch.
Hanser, München 2021.
136 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Nicht nur ein notwendiges Pamphlet, sondern eine wichtige Verhandlung der Komplexität zwischen Identitäten." Samira El Ouassil, Süddeutsche Zeitung, 29.12.21

"David Baddiels bestechende Analyse ist schmerzhaft, besonders für ein politisches Milieu, das sich selbst für immun gegenüber antisemitischen Einstellungen hält." Philipp Lenhard, taz, 24.12.21

"Ein großes Buch." Anna Prizkau, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 07.11.21

"Wer gegen Rassismus und gegen Antisemitismus ist, wer keine blinden Flecken mag, dafür gute Sachbücher, sollte 'Und die Juden?' lesen." Nele Pollatschek, Süddeutsche Zeitung, 30.10.21

"Ein entlarvender Blick auf die Inkohärenzen der Identitätspolitik." Die Zeit, 28.10.21

"Das kluge Buch zeigt, wie viel Antisemitismus auch in aufgeklärten Köpfen stecken kann." Chrismon, Februar 2022

"Falls Sie glauben, Sie seien gegen Rassismus, dann lesen Sie 'Und die Juden?'." Sarah Silverman

"Dieser Text ist witzig. Er ist wichtig. Er ist strittig. Und er unterstreicht, dass man die Welt nicht ohne Juden verbessern sollte. Denn sonst ist es keine bessere Welt." Max Czollek

"Selbst in Punkten, in denen ich nicht mit ihm übereinstimme - gerade in solchen Punkten - bin ich voller Dankbarkeit für David Baddiels geistige und moralische Klarheit. 'Und die Juden?' ist ein furchtloses und notwendiges Buch." Jonathan Safran Foer

"'Und die Juden?' ist eine Glanzleistung des Argumentierens, der ebenso leidenschaftlichen wie klugen Polemik. Vom ersten Satz an verändern die Energie und Überzeugungskraft von Baddiels Denken die Dinge - und das in einem Buch, das lesbar wie ein Thriller ist. Ein Meisterstück." Stephen Fry…mehr