Die Erzählungen kreisen um Passionen, gespielte und wirkliche, und rücken die von ihnen Heimgesuchten in ein überscharfes, fast schon unwirkliches Licht.Clemens Bergers Erzählungen handeln von Leidenschaften. Von der Liebe zu einer französischen Philosophin in Rom etwa, die bald aber nur noch per Brief, E-Mail oder Traum erreichbar ist. Die Titelgeschichte erzählt von Alfred, der in einer Laienaufführung der Passionsspiele den Judas spielen soll. Ohne es zu wollen, wird er von der Figur, in die er schlüpft, völlig absorbiert. Die Fragen, die er sich stellt, um seine Rolle möglichst glaubwürdig auszufüllen, stürzen ihn in immer heftigere Verwirrung. Ist nicht der Verräter im Grunde der verlässlichste Verbündete des Verratenen, weil ohne ihn die ganze Geschichte nicht aufgehen würde? Aber ist er dann überhaupt noch ein Verräter? Alle Zuordnungen entgleiten ihm auf immer umfassendere Weise. In der Erzählung »Schwere Geburt« geht es um eine Künstlerin, die sich aufs Land zurückgezogen hat, weil ihr die zeitgenössische Kunst auf einmal inhaltsleer vorkam und sie im Stil der Alten Meister in Altarbildern Relevantes für die Gegenwart malen will. Aber das bewahrt sie nicht vor Missverständnissen und gar Skandalen. Und auf ganz und gar ungeplante Weise und ohne ihr Zutun führt der Weg zurück ins Museum für Moderne Kunst. Die Liebesgeschichten Bergers sind brüchig, leidenschaftlich, philosophisch und modern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2009Wiener Charme
Die Liebesgeschichten des 1979 geborenen Burgenländers Clemens Berger, der in Wien lebt, beziehen ihren Charme, ein wenig an Arthur Schnitzler erinnernd, aus dem mit feiner Ironie inszenierten Widerspruch zwischen moderner Lebensweise und altmodischen Gefühlen. Seine Figuren setzt er in reale oder virtuelle Räume wie in eine Versuchsanordnung, dann gibt er ein Quäntchen Leidenschaft hinzu und beobachtet kühl und doch zugewandt die Reaktionen. Ein Philosoph, der sich im Seminarraum an den Mastbaum der Disziplin bindet, wird im Chatroom zum erotischen Abenteurer. Der Judas-Darsteller im Passionsspiel verwächst zunehmend mit seiner Rolle und verstrickt sich in mehrfacher Hinsicht in existentielle Probleme. Eine Künstlerin möchte im Altarbild zum Elementaren zurück, aber sie nimmt die Bibel zu wörtlich. So landet ihr Bild doch wieder im Museum für moderne Kunst. Bergers Erzählungen sind so auch als Essays zu lesen, die nach der Möglichkeit der Liebe und der Hingabe jenseits moderner Standardisierung fragen. Dem entspricht in der Sprache die harte Fügung von komplexen Reflexionen, Zitaten aus der Medienwelt und den unveränderlichen Einfachsätzen, die aus dem Leben in die Popmusik wandern und zurück. "Ich hab mich in dich verliebt." Die Schönheit und das Glück sind so flüchtig wie eh und je. In der Erinnerung und im Wort leuchten die Bilder des Erfüllten, aber das Gedächtnis ist unzuverlässig und die Worte missverständlich. Ach, ja. (Clemens Berger: "Und hieb ihm das rechte Ohr ab". Erzählungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 180 S., geb., 18,-[Euro].) fap
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Liebesgeschichten des 1979 geborenen Burgenländers Clemens Berger, der in Wien lebt, beziehen ihren Charme, ein wenig an Arthur Schnitzler erinnernd, aus dem mit feiner Ironie inszenierten Widerspruch zwischen moderner Lebensweise und altmodischen Gefühlen. Seine Figuren setzt er in reale oder virtuelle Räume wie in eine Versuchsanordnung, dann gibt er ein Quäntchen Leidenschaft hinzu und beobachtet kühl und doch zugewandt die Reaktionen. Ein Philosoph, der sich im Seminarraum an den Mastbaum der Disziplin bindet, wird im Chatroom zum erotischen Abenteurer. Der Judas-Darsteller im Passionsspiel verwächst zunehmend mit seiner Rolle und verstrickt sich in mehrfacher Hinsicht in existentielle Probleme. Eine Künstlerin möchte im Altarbild zum Elementaren zurück, aber sie nimmt die Bibel zu wörtlich. So landet ihr Bild doch wieder im Museum für moderne Kunst. Bergers Erzählungen sind so auch als Essays zu lesen, die nach der Möglichkeit der Liebe und der Hingabe jenseits moderner Standardisierung fragen. Dem entspricht in der Sprache die harte Fügung von komplexen Reflexionen, Zitaten aus der Medienwelt und den unveränderlichen Einfachsätzen, die aus dem Leben in die Popmusik wandern und zurück. "Ich hab mich in dich verliebt." Die Schönheit und das Glück sind so flüchtig wie eh und je. In der Erinnerung und im Wort leuchten die Bilder des Erfüllten, aber das Gedächtnis ist unzuverlässig und die Worte missverständlich. Ach, ja. (Clemens Berger: "Und hieb ihm das rechte Ohr ab". Erzählungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 180 S., geb., 18,-[Euro].) fap
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht viel kann Sibylle Cramer diesen Erzählungen von Clemens Berger abgewinnen, denn ihr wird darin allzu bedeutungsvoll herumgeheimnist, wie sie in ihrer kurzen Kritik durchblicken lässt. Die Erzählungen handeln von Künstlern, Passionsdarstellern oder Philosophen, die schwer um die "Wahrheit der Kunst" ringen und dabei ihre bürgerliche Existenz aufs Spiel setzten. Und wenn dann in geheimnisvollem Raunen die letzte Erzählung endet, dann hätte sich die Rezensentin gewünscht, der Autor hätte das "Aura-Versprechen" in seinen Geschichten selbst "eingelöst", statt sie in den Nebeln des "Ungesagten, Unvollendeten" auswabern zu lassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH