Kent, „Down House“, Frühjahr 1881. Wieder einmal erwacht Charles Darwin schweißgebadet. Alpträume stören seinen Schlaf, sein schlechtes Gewissen plagt ihn, seit er die Gesetze der Evolution entdeckt und somit den Glauben an den Schöpfer verloren hat. Er ist jetzt 72 Jahre alt und fürchtet, nach
seinem Ableben als „Gottesmörder“ in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Folgen davon sind chronische…mehrKent, „Down House“, Frühjahr 1881. Wieder einmal erwacht Charles Darwin schweißgebadet. Alpträume stören seinen Schlaf, sein schlechtes Gewissen plagt ihn, seit er die Gesetze der Evolution entdeckt und somit den Glauben an den Schöpfer verloren hat. Er ist jetzt 72 Jahre alt und fürchtet, nach seinem Ableben als „Gottesmörder“ in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Folgen davon sind chronische Migräne, ausgeprägte Übelkeit und unerträgliche Flatulenzen, die auch die regelmäßigen Besuche seines Arztes Doktor Beckett nur unzureichend lindern können. So widmet er sich nächtelang seinem Experiment zur Erforschung des Regenwurms – seiner Frau Emma wäre es lieber, er würde sich wieder Gott zuwenden.
Etwa 20 Meilen entfernt, in London, Maitland Park Road, leidet ein anderer Mann, Karl Marx. Der staatenlose Immigrant aus Deutschland hadert mit seinem Schicksal. Die Arbeit am 2. Band von „Das Kapital“ geht nur schleppend voran, seine finanzielle Lage ist beschämend, die Revolution will und will nicht kommen, das Wetter in England ist ihm zu nass und zu kalt, und jetzt ist er auch noch ernsthaft krank. Der 63jährige liegt mit schwerer fiebriger Bronchitis danieder, sein gut betuchter Freund Friedrich Engels schickt ihm Doktor Beckett.
Der Arzt ist fasziniert von seinen beiden Patienten, dem Juden und Rabbiner-Enkel Marx und dem ehemaligen Theologie-Studenten Darwin, von ihren Theorien und Denkweisen. Es bleibt nicht aus, dass er bei dem einen über den anderen spricht und dabei feststellt, dass sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als sie sich eingestehen wollen. Bei einem abendlichen Dinner kommt es zum Treffen, das mit einem Eklat endet …
Die Autorin Ilona Jerger hat Politologie und Germanistik studiert, war von 2001 bis 2011 Chefredakteurin der Zeitschrift „natur“ und lebt als freie Journalistin und Autorin in München. Dem Roman „Und Marx stand still in Darwins Garten“ liegt eine intensive Recherche vor Ort zugrunde, Darwins Briefe und der Briefwechsel zwischen Marx und Engels wurden ebenfalls hinzu gezogen. Historische Fakten wurden nicht verändert, allerdings sind sich Darwin und Marx nie begegnet und Doktor Beckett gab es nicht. Tatsächlich hat Marx jedoch an Darwin ein Exemplar von „Das Kapital“ mit einer sehr wertschätzenden Widmung geschickt, für welches sich Darwin seinerseits mit einem höflichen Brief bedankte. Das Buch steht heute noch in Darwins Arbeitszimmer in „Down House“, das sich im Besitz von „English Heritage“ befindet und der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Ein informativer Roman, in dem die Autorin ihre Erzählkunst mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erkenntnissen verbindet und das Portrait zweier bedeutender Männer des 19. Jahrhunderts zeichnet. Ihr Schreibstil ist klar und flüssig, gut und schnell lesbar, und von beeindruckender Präzision. Der Leser erfährt Einzelheiten aus Darwins jungen Jahren, über seine gefahrvollen, abenteuerlichen Reisen, bei denen er Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis erlebte, und erhält Einblick in seine vielfältigen Forschungen. Dass Karl Marx aus einer Rabbinerfamilie aus Trier stammt ist ebenso interessant zu lesen wie, dass bei seiner Beerdigung Engels die Grabrede hielt und Wilhelm Liebknecht einen Kranz mit roter Schleife nieder legte.
Fazit: Ein humorvolles Portrait zweier großer Männer – für den interessierten Leser ein Gewinn.